Die ersten Verbindungen österreichischer Rechtsextremer zur deutschen Reichsbürgerszene haben wir 2012 festgestellt. Damals war es der „Braune“ aus Wels, Ludwig Reinthaler, der das Propaganda-Material der eindeutig neonazistischen „Reichsbewegung“ von Horst Mahler in Österreich verbreitete. Bereits in dieser Zeit war die Szene in Deutschland in unzählige „(König)Reiche“ und „Selbstverwaltungen“ aufgesplittert. Österreicher waren eher nur die Ableger bzw. Aktivisten deutscher Gruppierungen, wie der Fall des Kärntner „Reichsbürgers“ Diethelm O. belegt, der 2012 bei einer Verkehrskontrolle stolz seinen „Reichsausweis“ präsentierte.
Rechtsextreme Versatzstücke
Aber die Szene in Österreich war aufnahmebereit und entwickelte sich in den Folgejahren sehr rasch; Freemen, Terranier, OPPT, ICCJV usw. – und natürlich die Staatenbündler*innen von Monika Unger, die quantitativ sicher erfolgreichste Gruppe, die auch nach Deutschland ausstrahlte. So war der deutsche Staatenbündler Wolfgang P., der in Georgensgmünd bei einer gegen ihn geplanten Razzia einen Polizisten erschossen hat, bestens vernetzt mit der österreichischen Staatenbund-Gruppe. Ideologisch war und ist die österreichische Szene nicht so eindeutig und deutlich rechtsextrem wie die deutsche. Wenn man aber an der Oberfläche kratzt, kommen bald sehr eindeutige antisemitische, verschwörungsideologische und andere rechtsextreme Versatzstücke zum Vorschein. Das war schon bei den scheinbar unpolitischen Freemen so, die unterstützend für den (mittlerweile verstorbenen) Neonazi und Holocaustleugner Wolfgang Fröhlich bei einem Gerichtstermin auftauchten. Der damalige Innenminister Wolfgang Sobotka wollte dennoch – entgegen aller bekannter Fakten – „nur vereinzelt Verbindungen in die rechtsextreme Szene“ wahrnehmen.
Gewalt und Waffen
Aber nicht nur die deutsche Reichsbürger-Szene ist gewaltbereit und plant den politischen Umsturz mit Waffengewalt, auch die österreichische. Wir haben bereits vor Jahren und später immer wieder darauf hingewiesen, dass die diversen neonazistisch, rechtsextrem und staatsfeindlich orientierten Gruppen vor Waffen strotzen, deutlich aufrüsten und auch Waffenübungen machen. Und? Wurden die Szenen mittlerweile entwaffnet? Mit Sicherheit nicht! 2017 ging der damalige Chef des BVT, Peter Gridling, von rund 130 Personen allein aus der Staatsverweigerer-Szene aus, die einen Waffenschein besitzen. Der Mitglieder- bzw. Aktivenstand der Szene wurde damals vom BVT auf 1.300 Personen geschätzt. Mittlerweile werden aber an die 4.000 Personen diesem Teil der rechtsextremen Szene zugerechnet. Eine Verdreifachung also. Und die Zahl der Waffenbesitzer*innen? Zudem gab es auch in der österreichischen Szene immer wieder Vorfälle, wo gegen Exekutivbeamte und Exekutoren mit Gewalt vorgegangen wurde.
Staatsverweigernde Exekutivbeamte?
Nicht nur in der jetzt aufgedeckten deutschen Reichsbürgergruppe, auch in den österreichischen Gruppen und Szenen sind Exekutivbeamte aus Polizei und Bundesheer seit Jahren aktiv. Auf der anderen Seite sozusagen. In den seltensten Fällen wurden bislang Konsequenzen gezogen. Einer der schwerwiegendsten Vorfälle fand 2015 statt: Eine „vertrauliche Schulungsunterlage des Landesamtes für Verfassungsschutz (LVT) Niederösterreich, die Polizeibeamte über die Freeman- und OPPT-Bewegung instruieren sollte“ (SdR, 9.5.16), wurde ganz offensichtlich von einem (oder mehreren) Sympathisant*innen dieser Bewegung in der Exekutive geleakt und über die Schweiz per Video an die österreichische Szene zurückgespielt. Konsequenzen sind uns nicht bekannt.
Auch Monika Ungers Stellvertreter im Staatenbund war Polizeibeamter, aber neben ihm gab es noch weitere aktive Exekutivbeamte des Staates, die dem Staat, für den sie tätig sein sollten, die Dienste verweigern. Aktuell sind es vor allem die „Beamten für Aufklärung“, die in verschiedenen Teilen der Szene aktiv sind. Der Ex-Oberstleutnant der Bundeswehr, Maximilian Eder, einer der Hauptverdächtigten der deutschen Reichsbürger-Gruppe, ist übrigens im letzten Jahr als Redner bei von der FPÖ mitorganisierten Corona-Demos am aufgetreten.
Bei den von der FPÖ mitorganisierten Demos am 20.11. und am 4.12.21 in Wien ist der heute verhaftete Ex-Oberstleutnant der Bundeswehr Maximilian Eder auch aufgetreten. Hier am Foto mit Alexander Ehrlich. #rechterTerror #Razzia pic.twitter.com/y1WqPbLKei
— stopptdierechten.at (@stopptrechte) December 7, 2022
Die österreichischen Deutschen der Patriotischen Union
Unter den bei der aktuellen Razzia neben Prinz Reuß Festgenommenen befindet sich auch ein deutscher Promi-Koch, der in einem Hotel nahe Kitzbühel aufkochte, aber so nebenbei auch bei der Putsch-Gruppe mitgemischt hat: „Er soll Küchenutensilien, Lebensmittel und ein Notstromaggregat für einen Mitstreiter angeschafft und seine Kreditkarte zum Kauf eines Wohnmobils für die Gruppe eingesetzt haben.“ (orf.at, 8.12.22)
Hausdurchsuchung gab es auch bei zwei Beschuldigten, die im Bezirk Amstetten einen Verein („S…-Institut”; Name von SdR abgekürzt) betreiben, der öffentlich mit Meditationen und nicht näher spezifizierten „Behandlungen“ wirbt. Bei der nun aufgeflogenen Reichsbürgergruppe „Patriotische Union” sollten sie ihre hellseherischen Begabungen einbringen – im beruflichen Alltag bereisten die beiden Verdächtigten mit einem „WenderMobil“ das Land. Zumindest einer der beiden stammt ebenfalls aus Deutschland.


➡️ Belltower: Wer sind die Reichsbürger?
➡️ Parlamentarische Anfrage zu Waffenlager, Waffentrainings, Waffenverbote und Wiederbetätigung
➡️ Anfragebeantwortung Innenminister Sobotka