Die alten und neuen Nazis der „Europäischen Aktion“

„pro­fil“ und „Der Stan­dard“ bericht­en heute über eine Anklageschrift, die brisant ist: Dem­nächst kön­nten nach langjähri­gen Ermit­tlun­gen fünf mut­maßliche Mit­glieder der „Europäis­chen Aktion“ (EA) vor Gericht ste­hen. Der Vor­wurf: Hochver­rat, die Wieder­her­stel­lung nation­al­sozial­is­tis­ch­er Organ­i­sa­tio­nen und die Ein­bindung Öster­re­ichs in ein zu errich­t­en­des Großdeutsches Reich. Aus diesem Anlass hier die Zusam­men­fas­sung dessen, was wir über die „EA“ Ende August 2018 gewusst haben.

Ein ehe­ma­liger Postzusteller, 52, Wiener, derzeit arbeit­s­los. Ein Diplom-Inge­nieur, 70, ungarische Wurzeln, wohn­haft im Salzburg­er Land, Pen­sion­ist. Ein IT-Fach­mann mit umfassenden Sprachken­nt­nis­sen, 66, Wiener, ohne Beschäf­ti­gung. Ein Bürokauf­mann, 29, Tirol­er, keine geregelte Erwerb­stätigkeit. Ein gel­ern­ter Autoelek­trik­er und Zen­tral­heizungs­bauer, 58, Niederöster­re­ich­er, Betreiber eines Pfer­destalls. Geht es nach dem Willen der Staat­san­waltschaft Wien, dann ste­hen diese fünf Her­ren, alle­samt Öster­re­ich­er (und ein ungarisch­er Dop­pel­staats­bürg­er) als­bald vor Gericht. (profil.at, 12.12.20)

Am 13. August 2018 wurde der Tod von Hans Berg­er bekan­nt. Ver­meldet durch Neon­azis aus Thürin­gen. Hans Berg­er, der eigentlich in der Schweiz lebte, fir­mierte seit 2011 als Lan­desleit­er der „Europäis­chen Aktion“ (EA) für Öster­re­ich. Im Dezem­ber 2016, also vor mehr als einein­halb Jahren, wurde er in der Schweiz festgenom­men, nach­dem er ger­ade von einem Tre­f­fen in Spanien mit dem mit­tler­weile eben­falls ver­stor­be­nen Gerd Hon­sik zurück­gekehrt war, und nach Öster­re­ich aus­geliefert, wo er bis zu seinem Tod am 10. August 2018 in Unter­suchung­shaft saß.

Warum wird ein alter Neon­azi – Berg­er war 77 Jahre alt – so lange in Unter­suchung­shaft gehal­ten, ohne dass bis zulet­zt eine Anklage, geschweige denn ein Ter­min für eine Hauptver­hand­lung in Sicht war? Gegen Berg­er wurde nicht nur nach § 3 h Ver­bots­ge­setz (Holo­caustleug­nung), son­dern auch nach § 3 a ermit­telt. Da geht es um nichts Gerin­geres als die (Wieder-)Errichtung ein­er Nazi-Organ­i­sa­tion mit dem Ziel, die Selb­st­ständigkeit Öster­re­ichs zu unter­graben und sie gegebe­nen­falls auch gewalt­sam zu beseit­i­gen. Die Strafan­dro­hung nach § 3 a liegt bei zehn bis zwanzig Jahren Frei­heitsstrafe, kann aber auch auf Lebenslang erweit­ert wer­den. Eine Anklage nach § 3 a Ver­bots­ge­setz ist allerd­ings sehr heikel, weil sie den Vor­satz sehr klar her­ausar­beit­en muss.

Berg­er war so wie einige andere soge­nan­nte Führungskad­er der EA schon ein älteres Semes­ter. Bern­hard Schaub, der Grün­der und Chef der EA, ein Schweiz­er Holo­caustleugn­er, ist mit seinen 64 Jahren ja noch ver­gle­ich­sweise jung, obwohl schon vorzeit­iger Bezieher ein­er Schweiz­er Alter­srente. Rigolf Hen­nig, der zulet­zt als Statthal­ter der EA im „Besatzungskon­strukt“ BRD fir­mierte, ist dage­gen 83, was ihn nicht daran hin­derte, noch im Vor­jahr eine unbe­d­ingte Haft­strafe wegen Volksver­het­zung und Holo­caustleug­nung zu kassieren.

Dann wäre da noch der mit­tler­weile eben­falls ver­stor­bene Wiener Gebi­et­sleit­er der EA, Rudolf Vogel, ein schon lange pen­sion­iert­er Regierungsrat, der im Okto­ber 2012 das mit staatlichen Mit­teln geförderte „Haus der Heimat“ dafür gewin­nen kon­nte, in seinen Räum­lichkeit­en vor einem dur­chaus ansehn­lichen Pub­likum den Neon­azi und EA-Chef Schaub die sieben Ziele der Organ­i­sa­tion vorstellen zu lassen. Bei dieser gut besucht­en Ver­anstal­tung wurde denn auch schon über par­ti­sa­nenähn­liche Struk­turen und paramil­itärische Übun­gen gesprochen. Unmit­tel­bare Kon­se­quen­zen hat­te dieser Auftritt Schaubs bzw. die Wer­bev­er­anstal­tung für die Neon­azi-Gruppe übri­gens keine.

Was kann also diese „Europäis­che Aktion“, vom alten Hon­sik (76) spöt­tisch als „Schweiz­er Senioren­vere­in“ tit­uliert, schon an Aktio­nen geplant haben? Das Alter ist bei der Antwort dur­chaus behil­flich: Vogel, der vor seinem Tod schon fast die 90 erre­icht hat­te, ver­hielt sich nicht mehr ganz so kon­spir­a­tiv wie die Jün­geren und plaud­erte am Tele­fon ganz offen. Die Tele­fone einiger EA-Kad­er wur­den aber abge­hört, und so braucht­en die Ver­fas­sungss­chützer nur mehr mitprotokollieren.

Auch Rigolf Hen­nig, der deutsche Lan­desleit­er, plaud­erte. Auf der anti­semi­tis­chen Seite „Ger­man Vic­tims“ nan­nte er schon im Jän­ner 2017 den Namen eines weit­eren öster­re­ichis­chen EA-Aktivis­ten, Thomas G., gegen den seit der Ver­haf­tung von Berg­er im Dezem­ber 2016 eben­falls ermit­telt wird. Da begin­nt sich zumin­d­est ein Kreis zu schließen. Vogel war so wie Thomas G. in den 1990ern bei der „Burschen­schaft Tafel­runde zu Wien“, ein­er ein­deutig recht­sex­tremen bzw. neon­azis­tisch ori­en­tierten Burschen­schaft, die im (anti­semi­tis­chen und recht­sex­tremen) Delegier­ten­con­vent Europäis­ch­er Kor­po­ra­tio­nen zuhause war. Mit­glieder der „Tafel­runde zu Wien“ waren bei Tre­f­fen der Sude­tendeutschen Lands­man­nschaft in Öster­re­ich aktiv – einige von ihnen taucht­en dann Anfang der 2000er Jahre in der „SS Kampfge­mein­schaft Prinz Eugen“ wieder auf und bei der Neon­azi-Demo 2002 gegen die Wehrma­cht­sausstel­lung in Wien, wo ein weit­er­er EA-Verdächtiger, Wil­helm E., einen öffentlichen Auftritt hatte.

Im Sep­tem­ber 2012 darf der Wiener EA-„Gebietsleiter“ Vogel die eigentlich inak­tive „Burschen­schaft Tafel­runde“ beim Tre­f­fen der Europäis­chen Aktion am Odilien­berg im Elsass mit ein­er Grußadresse und einem krächzen­den „Heil“ vorstellen. Beim Tag der Sude­tendeutschen Lands­man­nschaften in Klosterneuburg – eben­falls im Sep­tem­ber 2012 – wird die „Burschen­schaft Tafel­runde zu Wien“ unter den Ehrengästen ange­führt. Nur Wochen später dann der pro­pa­gan­dis­tis­che Auftritt der EA mit Schaub im „Haus der Heimat“, wo Vogel als Türöffn­er fungierte.

Die Ver­haf­tung von Berg­er im Dezem­ber 2016 erfol­gte, nach­dem er sich am 20.12.16 in einem Mail an den „Land­tagsklub Niederöster­re­ich“ offen­sichtlich für Gewalt gegen amtierende Poli­tik­er aus­ge­sprochen hat­te. Die Dro­hung war aber höch­stens der let­zte Aus­lös­er für die Polizeiak­tion, denn zu diesem Zeit­punkt wurde die EA schon min­destens zweiein­halb Jahre belauscht – mit dur­chaus beachtlichen Erken­nt­nis­sen über die Vor­bere­itun­gen für eine „europäis­che Befreiungsarmee“.

Schon 2010 kon­nten die streng klan­des­ti­nen Vor­sichts­maß­nah­men nicht ver­hin­dern, dass wir über das Tre­f­fen von Bern­hard Schaub mit öster­re­ichis­chen Recht­sex­tremen und Neon­azis am Christof­berg in Kärn­ten ganz gut informiert wur­den. Karl­heinz Kle­ment, der 2008 aus der FPÖ aus­geschlossene Ex-Abge­ord­nete, sam­melte vor dem Tre­f­fen am 9. Okto­ber 2010 die Handys und die daraus ent­fer­n­ten Sim-Karten ein und ver­pack­te bei­des in Alu­folie, um dann mit den anderen Teil­nehmerIn­nen, darunter dem erlaucht­en Führungskreis der mit­tler­weile ver­schiede­nen Nationalen Volkspartei (NVP) und der „SS-Liesl“ dem ermü­den­den mehrstündi­gen Vor­trag von Schaub über die ger­ade im Entste­hen begrif­f­ene Europäis­che Aktion und die europäisch- arische Her­ren­rasse zu lauschen.

Das war’s dann zunächst. 2011, beim ersten größeren inter­na­tionalen Auf­marsch der EA in Diepold­sau (Schweiz), wurde dann schon Hans Berg­er als Lan­desleit­er für Öster­re­ich vorgestellt. Uns war er bis zu diesem Zeit­punkt bere­its als eifriger Leser­brief­schreiber für die „Aula“ aufge­fall­en. Dass er sich unter dem Pseu­do­nym Her­bert Stück­bauer wilde und wider­liche anti­semi­tis­che Post­ings mit anderen wider­lichen Anti­semiten lieferte, haben wir erst später durch das Post­ing eines solchen Wider­lings erfahren.

Aus Öster­re­ich waren mit Aus­nahme des Pro­pa­gan­da-Auftritts von Schaub im „Haus der Heimat“ 2012, bei dem er seinen Neon­azi-Vere­in vorstellte und um Unter­stützung keilte, der Grün­dung ein­er „Europäis­chen Aktion Ausseer­land“ 2014 durch den FPÖ-Aktivis­ten Hans Wun­ner (der dann 2015 aus der FPÖ aus­geschlossen wurde) und der Fah­ne­nak­tion eines EA-Aktivis­ten im Juni 2014 beim „Marsch für die Fam­i­lie“  keine öffentlichen Aktio­nen der EA bekan­nt – ganz im Unter­schied zur EA im kleinen Liecht­en­stein und in Thürin­gen, wie der Blog „Thürin­gen recht­saussen“ Anfang 2015 berichtete.

Am Vortag vom „Marsch für die Fam­i­lie“ am 14.6. 2014 mit der Fah­nen­schwenkak­tion des EA-Jünglings fand allerd­ings in einem Gasthaus im 19. Bezirk Wiens ein kon­spir­a­tives Tre­f­fen von EA-Aktivis­ten statt, bei dem es zur Sache ging. Beim Wirten wur­den paramil­itärische Übun­gen und Aktio­nen in Ungarn mit der mil­i­tant neon­azis­tis­chen MNA (Mag­yar Nemzeti Arcvonal/Ungarische Nationale Front) geplant und organ­isiert. Schon zu Zeit­en der Alpen-Donau-Nazis um Got­tfried Küs­sel ver­anstal­tete die MNA in ungarischen Wäldern gemein­same Waf­fenübun­gen mit öster­re­ichis­chen Neon­azis, von denen unser Innen­min­is­teri­um und der Ver­fas­sungss­chutz allerd­ings nie etwas wis­sen wollten.

Als Verbindungs­mann der EA zur MNA nach Ungarn fungierte offen­sichtlich Peter K., der über beste Kon­tak­te zu den ver­schiede­nen Frak­tio­nen der ungarischen Recht­sex­tremen und Neon­azis ver­fügte und 2013 in Salzburg eine öffentliche Ver­anstal­tung mit einem führen­den Job­bik-Kad­er organ­isiert hat­te. Was die EA-Leute nicht wussten und trotz ihrer kon­spir­a­tiv­en Aktio­nen nicht ver­hin­dern kon­nten: Ermit­tler aus mehreren Län­dern (Ö,D, I und CH) waren der EA ab 2014 auf der Spur.

Bilder, die Aktivis­ten der MNA mut­maßlich mit solchen der EA bei paramil­itärischen Übun­gen zeigten, kur­sierten jeden­falls ab 2015 auf Face­book. Ob das Neon­azi-Konz­ert und die Schießübun­gen in Vorarl­berg Anfang März 2016, bei denen ungarische Neon­azis mit solchen aus Öster­re­ich, der Schweiz und Thürin­gen anwe­send waren, der Ver­fas­sungss­chutz aber anscheinend nicht, auch damit in Verbindung stand, kön­nen wir nicht beurteilen. Fakt ist, dass die ungarischen Blood & Hon­our-Leute, die damals in Vorarl­berg waren, auch mit der MNA in Verbindung standen. Nur wenige Monate später, im Okto­ber 2016, erschoss der Grün­der der MNA während ein­er gegen ihn gerichteten Razz­ia einen Polizis­ten, was dann Anfang Dezem­ber 2016 zur Auflö­sung der MNA und Ver­haf­tung einiger Kad­er führte.

Warum es noch bis zum Dezem­ber 2016 dauerte, bis die öster­re­ichis­chen Ermit­tlungs­be­hör­den mit Haus­durch­suchun­gen und einem Haft­be­fehl gegen Berg­er vorgin­gen, entzieht sich unser­er Ken­nt­nis. Warum die deutschen Ermit­tlungs­be­hör­den dann noch bis zum Juni 2017 zuwarteten, um entsprechende Razz­ien in Thürin­gen und Sach­sen gegen mut­maßliche Aktivis­ten der EA durchzuführen, ebenso.

Eine weit­ere par­la­men­tarische Anfrage zu Waf­fenübun­gen und Schieß­train­ings von Recht­sex­tremen und Neon­azis im In- und Aus­land beant­wortete Innen­min­is­ter Sobot­ka Anfang 2017 jeden­falls so auswe­ichend und abwehrend, dass die Antwort (zu Fra­gen 4 bis 6) einem bewussten Ver­schweigen und Ver­leug­nen nahekommt.

Im Sep­tem­ber 2017 gab die EA nach mas­sivem Ermit­tlungs­druck über­raschend ihre Auflö­sung bekan­nt. Wie ihr thüringis­ch­er „Gebi­et­sleit­er“ Axel Schlimper inter­pretiert, ist davon aber nur die Organ­i­sa­tions­form betrof­fen: Die neon­azis­tis­chen Aktiv­itäten von Schlimper, Schaller und Co. inklu­sive lukra­tiv­er Neon­azi-Konz­erte in The­mar gehen weit­er. Dass der „Thing-Kreis-The­mar“ das Ableben von Berg­er durch Ver­laut­barung auf Face­book als erster öffentlich machte, passt dazu.

Die Staat­san­waltschaft Wien bestätigt, dass es auch nach dem Tod von Berg­er noch Ermit­tlun­gen gegen weit­ere sieben öster­re­ichis­che EA-Verdächtige gibt. Einige von diesen haben wir benan­nt, aber Berg­er selb­st hat zu Lebzeit­en in seinen (abge­hörten) Gesprächen noch ganz andere erwäh­nt, berichtete im März 18 die „Frank­furter Rund­schau“„Konkret äußerte er vor recht­en Kam­er­aden Anschlagspläne gegen öster­re­ichis­che Poli­tik­er. Zu diesem Zweck habe er bere­its schlagkräftige Ein­heit­en von „jun­gen Kam­er­aden“ in Wels, Wien, Inns­bruck und Kärn­ten rekru­tiert, soll er bei diesen Gele­gen­heit­en gesagt haben.“

Orig­i­nal­beiträge 29./30. August 2018 (mit Bildmaterial):
➡️ Die Neon­azis von der Europäis­chen Aktion (Teil 1)
➡️ Die Europäis­che Aktion (Teil 2): Die alten Neon­azis und die jungen