Es klingt ziemlich verrückt und unglaublich, was die Ermittlungen zu den Aktivitäten der Europäischen Aktion in Österreich bislang erbracht haben. Klar ist, dass es sich nicht bloß um die greisen Phantasien der von Honsik etwas verächtlich, aber wohl beschützend „Schweizer Seniorenverein“ genannten älteren Führungskader der EA rund um den Holocaustleugner und Neonazi Bernhard Schaub gehandelt hat.
Schon 2010 konnten die streng klandestinen Vorsichtsmaßnahmen nicht verhindern, dass wir über das Treffen von Bernhard Schaub mit österreichischen Rechtsextremen und Neonazis am Christofberg in Kärnten ganz gut informiert wurden. Karlheinz Klement, der 2008 aus der FPÖ ausgeschlossene Ex-Abgeordnete, sammelte vor dem Treffen am 9. Oktober 2010 die Handys und die daraus entfernten Sim-Karten ein und verpackte beides in Alufolie, um dann mit den anderen TeilnehmerInnen, darunter dem erlauchten Führungskreis der mittlerweile verschiedenen Nationalen Volkspartei (NVP) und der „SS-Liesl“ dem ermüdenden mehrstündigen Vortrag von Schaub über die gerade im Entstehen begriffene Europäische Aktion und die europäisch- arische Herrenrasse zu lauschen.
Das war’s dann zunächst. 2011, beim ersten größeren internationalen Aufmarsch der EA in Diepoldsau (Schweiz), wurde dann schon Hans Berger als Landesleiter für Österreich vorgestellt. Uns war er bis zu diesem Zeitpunkt bereits als eifriger Leserbriefschreiber für die „Aula“ aufgefallen. Dass er sich unter dem Pseudonym Herbert Stückbauer wilde und widerliche antisemitische Postings mit anderen widerlichen Antisemiten lieferte, haben wir erst später durch das Posting eines solchen Widerlings erfahren.
Aus Österreich waren mit Ausnahme des Propaganda-Auftritts von Schaub im „Haus der Heimat“ 2012, bei dem er seinen Neonazi-Verein vorstellte und um Unterstützung keilte, der Gründung einer „Europäischen Aktion Ausseerland“ 2014 durch den FPÖ-Aktivisten Hans Wunner (der dann 2015 aus der FPÖ ausgeschlossen wurde) und der Fahnenaktion eines EA-Aktivisten im Juni 2014 beim „Marsch für die Familie“ keine öffentlichen Aktionen der EA bekannt – ganz im Unterschied zur EA im kleinen Liechtenstein und in Thüringen, wie der Blog „Thüringen rechtsaussen“ Anfang 2015 berichtete.
Am Vortag vom „Marsch für die Familie“ am 14.6. 2014 mit der Fahnenschwenkaktion des EA-Jünglings fand allerdings in einem Gasthaus im 19. Bezirk Wiens ein konspiratives Treffen von EA-Aktivisten statt, bei dem es zur Sache ging. Beim Wirten wurden paramilitärische Übungen und Aktionen in Ungarn mit der militant neonazistischen MNA (Magyar Nemzeti Arcvonal/Ungarische Nationale Front) geplant und organisiert. Schon zu Zeiten der Alpen-Donau-Nazis um Gottfried Küssel veranstaltete die MNA in ungarischen Wäldern gemeinsame Waffenübungen mit österreichischen Neonazis, von denen unser Innenministerium und der Verfassungsschutz allerdings nie etwas wissen wollten.
Als Verbindungsmann der EA zur MNA nach Ungarn fungierte offensichtlich Peter K., der über beste Kontakte zu den verschiedenen Fraktionen der ungarischen Rechtsextremen und Neonazis verfügte und 2013 in Salzburg eine öffentliche Veranstaltung mit einem führenden Jobbik-Kader organisiert hatte. Was die EA-Leute nicht wussten und trotz ihrer konspirativen Aktionen nicht verhindern konnten: Ermittler aus mehreren Ländern (Ö,D, I und CH) waren der EA ab 2014 auf der Spur.
Bilder, die Aktivisten der MNA mutmaßlich mit solchen der EA bei paramilitärischen Übungen zeigten, kursierten jedenfalls ab 2015 auf Facebook. Ob das Neonazi-Konzert und die Schießübungen in Vorarlberg Anfang März 2016, bei denen ungarische Neonazis mit solchen aus Österreich, der Schweiz und Thüringen anwesend waren, der Verfassungsschutz aber anscheinend nicht, auch damit in Verbindung stand, können wir nicht beurteilen. Fakt ist, dass die ungarischen Blood & Honour-Leute, die damals in Vorarlberg waren, auch mit der MNA in Verbindung standen. Nur wenige Monate später, im Oktober 2016, erschoss der Gründer der MNA während einer gegen ihn gerichteten Razzia einen Polizisten, was dann Anfang Dezember 2016 zur Auflösung der MNA und Verhaftung einiger Kader führte.
Warum es noch bis zum Dezember 2016 dauerte, bis die österreichischen Ermittlungsbehörden mit Hausdurchsuchungen und einem Haftbefehl gegen Berger vorgingen, entzieht sich unserer Kenntnis. Warum die deutschen Ermittlungsbehörden dann noch bis zum Juni 2017 zuwarteten, um entsprechende Razzien in Thüringen und Sachsen gegen mutmaßliche Aktivisten der EA durchzuführen, ebenso.
Eine weitere parlamentarische Anfrage zu Waffenübungen und Schießtrainings von Rechtsextremen und Neonazis im In- und Ausland beantwortete Innenminister Sobotka Anfang 2017 jedenfalls so ausweichend und abwehrend, dass die Antwort (zu Fragen 4 bis 6) einem bewussten Verschweigen und Verleugnen nahekommt.
Im September 2017 gab die EA nach massivem Ermittlungsdruck überraschend ihre Auflösung bekannt. Wie ihr thüringischer „Gebietsleiter“ Axel Schlimper interpretiert, ist davon aber nur die Organisationsform betroffen: Die neonazistischen Aktivitäten von Schlimper, Schaller und Co. inklusive lukrativer Neonazi-Konzerte in Themar gehen weiter. Dass der „Thing-Kreis-Themar“ das Ableben von Berger durch Verlautbarung auf Facebook als erster öffentlich machte, passt dazu.
Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt, dass es auch nach dem Tod von Berger noch Ermittlungen gegen weitere sieben österreichische EA-Verdächtige gibt. Einige von diesen haben wir benannt, aber Berger selbst hat zu Lebzeiten in seinen (abgehörten) Gesprächen noch ganz andere erwähnt, berichtete im März 18 die „Frankfurter Rundschau“: „Konkret äußerte er vor rechten Kameraden Anschlagspläne gegen österreichische Politiker. Zu diesem Zweck habe er bereits schlagkräftige Einheiten von „jungen Kameraden“ in Wels, Wien, Innsbruck und Kärnten rekrutiert, soll er bei diesen Gelegenheiten gesagt haben.“