Die Europäische Aktion (Teil 2): Die alten Neonazis und die jungen

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Gegen den am 10. August nach 19 Mona­ten Unter­su­chungs­haft ver­stor­be­nen Neo­na­zi und Lan­des­lei­ter der Euro­päi­schen Akti­on (EA), Hans Ber­ger, wur­de wegen Wie­der­be­tä­ti­gung nach § 3 a und 3h ermit­telt. Was bedeu­tet sein Tod für die Ermitt­lun­gen? Schließ­lich gibt es noch wei­te­re sie­ben Per­so­nen, die im Ver­dacht ste­hen, eine „euro­päi­sche Befrei­ungs­ar­mee“ vor­be­rei­tet zu haben: in einem Wie­ner Gast­haus, in Ungarn und in Thüringen.

Es klingt ziem­lich ver­rückt und unglaub­lich, was die Ermitt­lun­gen zu den Akti­vi­tä­ten der Euro­päi­schen Akti­on in Öster­reich bis­lang erbracht haben. Klar ist, dass es sich nicht bloß um die grei­sen Phan­ta­sien der von Hon­sik etwas ver­ächt­lich, aber wohl beschüt­zend „Schwei­zer Senio­ren­ver­ein“ genann­ten älte­ren Füh­rungs­ka­der der EA rund um den Holo­caust­leug­ner und Neo­na­zi Bern­hard Schaub gehan­delt hat.

Schon 2010 konn­ten die streng klan­des­ti­nen Vor­sichts­maß­nah­men nicht ver­hin­dern, dass wir über das Tref­fen von Bern­hard Schaub mit öster­rei­chi­schen Rechts­extre­men und Neo­na­zis am Chris­tof­berg in Kärn­ten ganz gut infor­miert wur­den. Karl­heinz Kle­ment, der 2008 aus der FPÖ aus­ge­schlos­se­ne Ex-Abge­ord­ne­te, sam­mel­te vor dem Tref­fen am 9. Okto­ber 2010 die Han­dys und die dar­aus ent­fern­ten Sim-Kar­ten ein und ver­pack­te bei­des in Alu­fo­lie, um dann mit den ande­ren Teil­neh­me­rIn­nen, dar­un­ter dem erlauch­ten Füh­rungs­kreis der mitt­ler­wei­le ver­schie­de­nen Natio­na­len Volks­par­tei (NVP) und der „SS-Liesl“ dem ermü­den­den mehr­stün­di­gen Vor­trag von Schaub über die gera­de im Ent­ste­hen begrif­fe­ne Euro­päi­sche Akti­on und die euro­pä­isch- ari­sche Her­ren­ras­se zu lauschen.

Das war’s dann zunächst. 2011, beim ers­ten grö­ße­ren inter­na­tio­na­len Auf­marsch der EA in Die­pold­sau (Schweiz), wur­de dann schon Hans Ber­ger als Lan­des­lei­ter für Öster­reich vor­ge­stellt. Uns war er bis zu die­sem Zeit­punkt bereits als eif­ri­ger Leser­brief­schrei­ber für die „Aula“ auf­ge­fal­len. Dass er sich unter dem Pseud­onym Her­bert Stück­bau­er wil­de und wider­li­che anti­se­mi­ti­sche Pos­tings mit ande­ren wider­li­chen Anti­se­mi­ten lie­fer­te, haben wir erst spä­ter durch das Pos­ting eines sol­chen Wider­lings erfahren.

Naziverherrlicher "Roland" über Stückbauer von der EA

Nazi­verherr­li­cher „Roland” über Stück­bau­er von der EA

Hans Berger unter Pseudonym Herbert Stückbauer über Elie Wiesel

Hans Ber­ger unter Pseud­onym Her­bert Stück­bau­er über Elie Wiesel

Widerliche Antisemiten unter sich in einem Forum: Hans Berger unter Pseudonym Herbert Stückbauer

Wider­li­che Anti­se­mi­ten unter sich in einem Forum: Hans Ber­ger unter Pseud­onym Her­bert Stückbauer

Aus Öster­reich waren mit Aus­nah­me des Pro­pa­gan­da-Auf­tritts von Schaub im „Haus der Hei­mat“ 2012, bei dem er sei­nen Neo­na­zi-Ver­ein vor­stell­te und um Unter­stüt­zung keil­te, der Grün­dung einer „Euro­päi­schen Akti­on Aus­seer­land“ 2014 durch den FPÖ-Akti­vis­ten Hans Wun­ner (der dann 2015 aus der FPÖ aus­ge­schlos­sen wur­de) und der Fah­nen­ak­ti­on eines EA-Akti­vis­ten im Juni 2014 beim „Marsch für die Fami­lie“  kei­ne öffent­li­chen Aktio­nen der EA bekannt – ganz im Unter­schied zur EA im klei­nen Liech­ten­stein und in Thü­rin­gen, wie der Blog „Thü­rin­gen rechts­aus­sen“ Anfang 2015 berich­te­te.

Am Vor­tag vom „Marsch für die Fami­lie“ am 14.6. 2014 mit der Fah­nen­schwenk­ak­ti­on des EA-Jüng­lings fand aller­dings in einem Gast­haus im 19. Bezirk Wiens ein kon­spi­ra­ti­ves Tref­fen von EA-Akti­vis­ten statt, bei dem es zur Sache ging. Beim Wir­ten wur­den para­mi­li­tä­ri­sche Übun­gen und Aktio­nen in Ungarn mit der mili­tant neo­na­zis­ti­schen MNA (Magyar Nem­ze­ti Arcvonal/Ungarische Natio­na­le Front) geplant und orga­ni­siert. Schon zu Zei­ten der Alpen-Donau-Nazis um Gott­fried Küs­sel ver­an­stal­te­te die MNA in unga­ri­schen Wäl­dern gemein­sa­me Waf­fen­übun­gen mit öster­rei­chi­schen Neo­na­zis, von denen unser Innen­mi­nis­te­ri­um und der Ver­fas­sungs­schutz aller­dings nie etwas wis­sen wollten.

MNA Übungen mit Alpen-Donau

MNA-Übun­gen mit Alpen-Donau

Als Ver­bin­dungs­mann der EA zur MNA nach Ungarn fun­gier­te offen­sicht­lich Peter K., der über bes­te Kon­tak­te zu den ver­schie­de­nen Frak­tio­nen der unga­ri­schen Rechts­extre­men und Neo­na­zis ver­füg­te und 2013 in Salz­burg eine öffent­li­che Ver­an­stal­tung mit einem füh­ren­den Job­bik-Kader orga­ni­siert hat­te. Was die EA-Leu­te nicht wuss­ten und trotz ihrer kon­spi­ra­ti­ven Aktio­nen nicht ver­hin­dern konn­ten: Ermitt­ler aus meh­re­ren Län­dern (Ö,D, I und CH) waren der EA ab 2014 auf der Spur.

Bil­der, die Akti­vis­ten der MNA mut­maß­lich mit sol­chen der EA bei para­mi­li­tä­ri­schen Übun­gen zeig­ten, kur­sier­ten jeden­falls ab 2015 auf Face­book. Ob das Neo­na­zi-Kon­zert und die Schieß­übun­gen in Vor­arl­berg Anfang März 2016, bei denen unga­ri­sche Neo­na­zis mit sol­chen aus Öster­reich, der Schweiz und Thü­rin­gen anwe­send waren, der Ver­fas­sungs­schutz aber anschei­nend nicht, auch damit in Ver­bin­dung stand, kön­nen wir nicht beur­tei­len. Fakt ist, dass die unga­ri­schen Blood & Honour-Leu­te, die damals in Vor­arl­berg waren, auch mit der MNA in Ver­bin­dung stan­den. Nur weni­ge Mona­te spä­ter, im Okto­ber 2016, erschoss der Grün­der der MNA wäh­rend einer gegen ihn gerich­te­ten Raz­zia einen Poli­zis­ten, was dann Anfang Dezem­ber 2016 zur Auf­lö­sung der MNA und Ver­haf­tung eini­ger Kader führte.

die militant neonazistische MNA (Magyar Nemzeti Arcvonal/Ungarische Nationale Front)

die mili­tant neo­na­zis­ti­sche MNA (Magyar Nem­ze­ti Arcvonal/Ungarische Natio­na­le Front)

die militant neonazistische MNA (Magyar Nemzeti Arcvonal/Ungarische Nationale Front)

die mili­tant neo­na­zis­ti­sche MNA (Magyar Nem­ze­ti Arcvonal/Ungarische Natio­na­le Front)

War­um es noch bis zum Dezem­ber 2016 dau­er­te, bis die öster­rei­chi­schen Ermitt­lungs­be­hör­den mit Haus­durch­su­chun­gen und einem Haft­be­fehl gegen Ber­ger vor­gin­gen, ent­zieht sich unse­rer Kennt­nis. War­um die deut­schen Ermitt­lungs­be­hör­den dann noch bis zum Juni 2017 zuwar­te­ten, um ent­spre­chen­de Raz­zi­en in Thü­rin­gen und Sach­sen gegen mut­maß­li­che Akti­vis­ten der EA durch­zu­füh­ren, ebenso.

Europäische Aktion mit Ebola-Demagogie auf Facebook

Euro­päi­sche Akti­on mit Ebo­la-Dem­ago­gie auf Facebook

Eine wei­te­re par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge zu Waf­fen­übun­gen und Schieß­trai­nings von Rechts­extre­men und Neo­na­zis im In- und Aus­land beant­wor­te­te Innen­mi­nis­ter Sobot­ka Anfang 2017 jeden­falls so aus­wei­chend und abweh­rend, dass die Ant­wort (zu Fra­gen 4 bis 6) einem bewuss­ten Ver­schwei­gen und Ver­leug­nen nahekommt.

Im Sep­tem­ber 2017 gab die EA nach mas­si­vem Ermitt­lungs­druck über­ra­schend ihre Auf­lö­sung bekannt. Wie ihr thü­rin­gi­scher „Gebiets­lei­ter“ Axel Schl­im­per inter­pre­tiert, ist davon aber nur die Orga­ni­sa­ti­ons­form betrof­fen: Die neo­na­zis­ti­schen Akti­vi­tä­ten von Schl­im­per, Schal­ler und Co. inklu­si­ve lukra­ti­ver Neo­na­zi-Kon­zer­te in The­mar gehen wei­ter. Dass der „Thing-Kreis-The­mar“ das Able­ben von Ber­ger durch Ver­laut­ba­rung auf Face­book als ers­ter öffent­lich mach­te, passt dazu.

Neonazi-FB-Seite vermeldet Tod von Hans Berger

Neo­na­zi-FB-Sei­te ver­mel­det Tod von Hans Berger

Die Staats­an­walt­schaft Wien bestä­tigt, dass es auch nach dem Tod von Ber­ger noch Ermitt­lun­gen gegen wei­te­re sie­ben öster­rei­chi­sche EA-Ver­däch­ti­ge gibt. Eini­ge von die­sen haben wir benannt, aber Ber­ger selbst hat zu Leb­zei­ten in sei­nen (abge­hör­ten) Gesprä­chen noch ganz ande­re erwähnt, berich­te­te im März 18 die „Frank­fur­ter Rund­schau“„Kon­kret äußer­te er vor rech­ten Kame­ra­den Anschlags­plä­ne gegen öster­rei­chi­sche Poli­ti­ker. Zu die­sem Zweck habe er bereits schlag­kräf­ti­ge Ein­hei­ten von „jun­gen Kame­ra­den“ in Wels, Wien, Inns­bruck und Kärn­ten rekru­tiert, soll er bei die­sen Gele­gen­hei­ten gesagt haben.“

zu Teil 1