Muraunberg-Klagenfurt: Reichskriegsflagge gehisst
Feldkirch/Vbg: Glatter Freispruch für eine „Swastika“
Ebenthal/K: Polizist im Visier der Behörden
OÖ/NÖ: Dünne Suppe nach Schlag gegen Bandidos-Neonazi-Gruppe
Wien: FPÖ-Nationalräte klagen den „Standard”
Amsterdam/NL: Regelrechte Hetzjagden auf jüdische Personen
Muraunberg-Klagenfurt: Reichskriegsflagge gehisst
Ein 42-jähriger Mann stand am 6. November vor Gericht, weil er auf seinem Grundstück in Muraunberg eine Reichskriegsflagge gehisst, NS-Devotionalien gesammelt und einschlägige Nachrichten mit Gleichgesinnten ausgetauscht hatte. Auf Anraten seines Anwalts zeigte er sich geständig und bezeichnete sein Verhalten als „Blödsinn“.
Der Kärntner wurde von den Geschworenen zu einem Jahr bedingter Haft, einer Geldstrafe von 3.600 Euro, Bewährungshilfe und einem Anti-Faschismustraining verurteilt, um ihm rechtes Gedankengut abzugewöhnen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Quelle: krone.at, 7.11.24)
Einen Freispruch vom Geschworenengericht gab’s für einen 32-jährigen Angeklagten zum Vorwurf der Wiederbetätigung. Der Mann hatte eine Tätowierung in der Handinnenfläche, die von der Polizei als Hakenkreuz interpretiert wurde.
Die Geschworenen entschieden jedoch einstimmig, dass es sich dabei um eine buddhistische Swastika handelte. Der Angeklagte hatte angegeben, ihm habe ein Mönch ihm das Tattoo während eines Urlaubs in Thailand gestochen. Bei einer Hausdurchsuchung wurden keine NS-Materialien, sondern ein Altar mit Buddhafiguren gefunden. Ein ähnliches Ermittlungsverfahren in Deutschland sei zuvor eingestellt worden, und auch in Österreich habe es bei Amtshandlungen der Polizei bisher keine Probleme wegen des Tattoos gegeben, führte die Verteidigerin an.
Der Angeklagte wurde jedoch wegen gefährlicher Drohung verurteilt. Er hatte einem Security-Mitarbeiter in der Feldkircher Innenstadt damit gedroht, ihn abzustechen, nachdem er aus einem Lokal verwiesen worden war. Die Geschworenen werteten die Drohung als Körperverletzungsdrohung und nicht als Todesdrohung, was eine geringere Strafandrohung nach sich zieht. Der Mann, der bereits sechs Vorstrafen hat, wurde zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, von denen zwei Monate zu verbüßen sind. Die restlichen sechs Monate wurden auf eine Bewährungszeit von drei Jahren ausgesetzt. Das Urteil ist rechtskräftig, da sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft die Entscheidung akzeptierten. (Quelle: neue.at, 10.11.2024)
Über zwei weitere Prozesse nach dem Verbotsgesetz, die in der letzten Woche am Landesgericht Feldkirch stattgefunden haben, gibt es leider keine Medienberichte.
In der Gemeinde Ebenthal in Kärnten kam es zu einem bemerkenswerten Vorfall, bei dem ein pensionierter Polizist im Fokus der Ermittlungen des Landesamts für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) steht. Der ehemalige Beamte hatte an seine Gemeinde Schreiben gesandt, die darauf hindeuteten, dass er aus der Staatsverweigerer- oder Reichsbürgerszene kommt, die für ihren „Papierterrorismus“ bekannt ist.
Ein Anwalt der Gemeinde im Bezirk Klagenfurt-Land meldete die Vorfälle, woraufhin die Staatsschützer zu einer präventiven Rechtsaufklärung vor Ort erschienen. Das Gespräch verlief jedoch anders als erwartet, da der Ex-Polizist mehrfach äußerte, die Maßnahmen während der Corona-Pandemie seien mit denen des Holocausts gleichzusetzen, was einen Verstoß gegen das Verbotsgesetz darstellen könnte. Zudem wurde festgestellt, dass die registrierte Waffe des Mannes nicht ordnungsgemäß aufbewahrt war, was einen weiteren Gesetzesverstoß darstellt. Mario Nemetz, Sprecher der Landespolizeidirektion Kärnten, bestätigte die Ermittlungen, die noch andauern.
Dem Mann, der bereits während seiner Dienstzeit eindeutig als Coronagegner aufgetreten sein soll, droht im schlimmsten Fall sogar der Verlust seiner Beamtenpension. „Disziplinarbehördlich wird geprüft, ob es eine gröbliche Dienstrechtsverletzung gab“, erklärt Nemetz. Denn ein Polizist müsse sich auch im Ruhestand so verhalten, wie es von ihm im aktiven Dienst erwartet werde. Die Konsequenzen könnten von einem Verweis bis eben hin zum Verlust der Beamtenpension reichen. (Salzburger Nachrichten, 6.11.24, S. 14)
➡️ Chronik der rechtsextremen Vorfälle bei der Polizei ab Herbst 2020
Nach langen Ermittlungen gegen Mitglieder des Motorrad- und Rockerclubs Bandidos in Österreich „bleibt die Suppe eher dünn“, wie es der Journalist Thomas Streif in den Oberösterreichischen Nachrichten (5.11.24) ausdrückt. Bislang konnten die Behauptungen, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung und einen möglichen „Rockerkrieg“ zwischen den Bandidos und den Hells Angels gehandelt habe, nicht bestätigt werden.
Bei einer groß inszenierten Pressekonferenz Ende Juni 2023 in Wien, an der der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Franz Ruf, der Leiter des Bundeskriminalamtes Andreas Holzer, DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner und der Leiter der Staatsanwaltschaft Ried, Alois Ebener, teilgenommen hatten, wurde noch von einem bedeutenden Schlag gegen die organisierte Rockerkriminalität gesprochen, nachdem bei zahlreichen Hausdurchsuchungen in Ober- und Niederösterreich massenhaft Waffen, Bargeld, NS-Devotionalien und Drogen sichergestellt wurden.
Seither sind rund eineinhalb Jahre vergangen, im Landesgericht Ried mussten sich mehrere Bandidos gerichtlich, vor allem wegen Drogenhandels und Wiederbetätigung, verantworten. Es gab etliche Schuldsprüche mit der Verhängung von Haftstrafen, aber auch Freisprüche.
Große organisierte Bandenkriminalität konnte dabei (bisher) noch nicht nachgewiesen werden, daran wird sich aller Voraussicht nach nichts mehr ändern. Harald Korp, Rechtsanwalt aus Andorf (Bezirk Schärding), der mehrere Bandidos als Verteidiger vertrat und vertritt, sagte schon im November 2023 im Gespräch mit den OÖNachrichten, er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, „dass sich eine Anklage wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung ausgeht”. (nachrichten.at, 5.11.24)
Ein Fall steht noch aus: jener des 59-jährigen Mannes, der schon an das neonazistische „Objekt 21“ Waffen geliefert hatte und bei dem auch im letzten Jahr ein Großteil der sichergestellten Waffen gefunden wurde. Erwin H., vermutlich kein Bandido-Mitglied, wurde in der aktuellen Causa wegen Drogenhandels bereits im November 2023 zu zwei Jahren unbedingter Haft verurteilt. Nun liegt eine Anklage wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz und Besitz von Falschgeld vor.
Dem Angeklagten wird nun zur Last gelegt, seit dem Jahr 2015 mit seinem Mobiltelefon wiederholt Bilder und Videos, welche den Nationalsozialismus und dessen Ziele verherrlichen, als zeitgemäß darstellen und dessen Gräueltaten verharmlosen, über einen Messenger-Dienst an mehrere Personen übermittelt zu haben. Bis zum Zeitpunkt seiner Festnahme im Juni 2023 hat er zudem eine Vielzahl an NS-Devotionalien mit dem Ziel gesammelt und besessen, diese in einem „NS-Museum“ in Zwettl in Niederösterreich zu Propagandazwecken öffentlich zur Schau zu stellen. Ihm wird weiters zur Last gelegt, nachgemachte Euro-Banknoten mit dem Vorsatz besessen zu haben, diese als echt und unverfälscht auszugeben. (Pressemitteilung Staatsanwaltschaft Ried, 8.11.24)
Ob die Anklage bereits rechtskräftig ist, geht aus der Information der Staatsanwaltschaft nicht hervor. Und die Ermittlungen wegen der Waffenberge, die bei H. gefunden wurden, dauern noch an.
Vielleicht bleibt am Ende übrig, dass eine Gruppe von Neonazis über Jahre hinweg schlichtweg das gemacht hat, was sie schon zuvor in „Objekt 21”-Zeiten betrieben hat: vernetzter Neonazismus mit Waffen- und Drogenhandel.
Martin Graf, Norbert Nemeth und Harald Stefan haben den „Standard“ nach dem Bericht zur Beerdigung des Olympen Walter Sucher wegen übler Nachrede geklagt, weil das dort zweifellos abgesungene Lied „Wenn alle untreu werden“ als „SS-Treuelied“ bezeichnet wurde.
Bereits zuvor hatten die Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen Anzeige wegen NS-Wiederbetätigung gegen die genannten Politiker sowie den ebenfalls anwesenden Ex-FPÖ-Politiker Johann Gudenus erstattet. Die Staatsanwaltschaft Wien hat einen Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft übermittelt. Noch ist nicht bekannt, wie das „Vorhaben“ der Staatsanwaltschaft – Anklage oder Einstellung des Verfahrens – aussieht.
Das Lied, dessen Text ursprünglich 1814 von Max von Schenkendorf mit einer Widmung an den Antisemiten Ludwig Jahn verfasst wurde, ist ein Bekenntnis zur deutschen Heimat und in vielen Burschenschafts-Kommersbüchern enthalten. Die SS adaptierte es mit einer Strophe weniger und änderte den Text geringfügig, um es als ihr „Treuelied“ zu nutzen. Bei Suchers Begräbnis behaupten die FPÖ-Politiker, die ursprüngliche Version mit „Reue“ statt „Treue“ gesungen zu haben, was auf den Videoaufnahmen allerdings nicht eindeutig zu hören ist. (Quelle: derstandard.at, 8.11.24)
Wie „Stoppt die Rechten“ bereits kurz nach dem Begräbnis recherchierte, hatte das Justizministerium in einem Weisungsbericht aus dem Jahr 2014 in einem Verfahren gegen den ehemaligen Pressesprecher der FPÖ Wien festgehalten:
Einen unzweifelhaften Bezug zum nationalsozialistischen Gedankengut weist das Zitat „Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu“ auf. Dieses in der rechtsnationalen Szene als Treuelied der SS bekannte Lied wurde in der Zeit des Nationalsozialismus als Treuelied der Schutzstaffel der NSDAP verwendet und war auch im Liederbuch der SS enthalten. (Weisungsbericht 2009–14, S. 136)
Amsterdam/NL: Regelrechte Hetzjagden auf jüdische Personen
Feststeht: Nach einem Fußballspiel zwischen Ajax Amsterdam und Maccabi Tel Aviv ist es in Amsterdam zu organisierten Gewaltausbrüchen gegen israelische Fans gekommen. Die Vorfälle, die durch offizielle Stellungnahmen, Medienberichte und Videos rekonstruiert wurden, zeigen rohe Gewalt gegen Juden und Jüdinnen.
In Videos ist zu sehen, wie israelische Fans nach einem Fußballspiel von propalästinensischen Demonstrierenden durch die Stadt gejagt werden. In Telegram-Gruppen war nach Angaben der Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema dazu aufgerufen worden, ‘‘Juden zu jagen‘‘.
Andere Videos aus der Nacht zuvor zeigen, dass israelische Fans Hass geschürt haben, etwa indem sie Palästina-Fahnen von Häusern rissen. Auch sollen sie Freude über den Tod von Palästinensern im Gazastreifen gezeigt haben.
Nach einem Bericht des TV-Senders NOS hatten Palästina-Unterstützer zuerst versucht, eine Blockade der Polizei zu durchbrechen und in das Stadion, die Johan-Cruijff-Arena, zu gelangen. Nach dem Spiel hätten Palästina-Unterstützer den israelischen Fans dann an mehreren Orten in der Stadt aufgelauert.
Laut Bürgermeisterin und Polizei wurden die Attacken auf die israelischen Fußballfans gezielt geplant.
Unklar ist, wann diese Planung begann und ob die vorige Gewalt vonseiten israelischer Fußballfans dabei eine Rolle spielte.
Am Nachmittag vor dem Spiel hatte es außerdem im Zentrum von Amsterdam Zusammenstöße zwischen israelischen Fans und Sicherheitskräften gegeben. Dabei wurden nach Polizeiangaben auch etwa zehn israelische Fans wegen Störung der öffentlichen Ordnung und des verbotenen Besitzes von Feuerwerkskörpern festgenommen.
Zusammenfassungen der Vorfälle:
➡️ juedische-allgemeine.de (8.11.24): Was über die Gewalt in Amsterdam bekannt ist
➡️ profil.at (8.11.24): Wie es zur Hetzjagd auf israelische Hooligans in Amsterdam kam
➡️ zeit.de (10.11.24; Paywall): Was wir über die antisemitischen Attacken in Amsterdam wissen
Statements der Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema und des niederländischen Ministerpräsidenten Dick Schoof