Die Fähigkeit, nicht allzu viel zu reden, gehört zweifellos zu jenen Eigenschaften, die bei diskreten – will heißen: illegalen – Geschäften notwendig ist. Darin scheint der 58-jährige Erwin H. geübt zu sein. Daher war es nicht überraschend, dass er sich während der gestrigen Verhandlung am Landesgericht Ried äußerst schweigsam gab und auf die Fragen des Richters keine relevanten Antworten gab – auch keine, die ihn entlasten hätten können. Aber vielleicht ist da auch nichts Entlastendes, obwohl der Verteidiger Lorenz Kirschner monierte, es gäbe keine Hinweise, dass H. die 700 Gramm Kokain, die bei ihm im Zuge der Hausdurchsuchungen am 26. Juni an seinen Domizilen in Feldkirchen bei Mattighofen und in Zwettl gefunden wurden, tatsächlich verticken hätte wollen, wie ihm die Anklage (Vorbereitung zum Suchtgifthandel, § 28, SMG), vorgeworfen hatte.
Mit sieben Vorstrafen und noch mehr Verurteilungen im Gepäck ging H. in den gestrigen Prozess: Eine Verurteilung über bemerkenswerte siebeneinhalb Jahre Haft gab’s bereits 1998 vom Landgericht Koblenz wegen unerlaubten bandenmäßigen Handels mit Suchtgiften. Eine zweite Strafe nach dem Suchtmittelgesetz wurde in Salzburg im Jahr 2009 verhängt. Dazu gesellen sich Verurteilungen wegen Körperverletzung, Betrugs, Sachbeschädigung und natürlich nach dem Waffengesetz. Als Waffendealer des neonazistischen „Objekt 21“ war H. im Jahr 2014 allerdings äußerst glimpflich davongekommen: freundliche drei Monate bedingt hatte er erhalten.
Ob H. das als Motivation empfunden hat weiterzumachen, weiß wohl vorrangig er selbst – abschreckend dürften die drei Monate jedenfalls nicht gewirkt haben. Bei den Hausdurchsuchungen sind nicht nur Waffenberge, „NS-Devotionalien. Kistenweise angeblich“ (kurier.at, 9.11.23) gefunden worden, sondern eben auch Kokain „in extrem hohen Reinheitsgrad“*, eine Drogenwaage und Plastiksäckchen – eines sei bereits mit Kokain verkaufsbereit abgefüllt gewesen.
Erwähnt wurden im Prozess ebenfalls unzählige Konten bei diversen Bankinstituten, die auf H. laufen und über die teilweise eine Vielzahl an Überweisungen, einige davon im Zuge von Autover- und ‑ankäufen, getätigt wurden. Die kommentierte der Richter Josef Lautner so:
Ja, Herr H., man sieht also, dass auf den Konten ganz schöne Bewegungen waren. Man sieht Autoverkäufe, man hat versucht hier Zusammenhänge zu finden, mit allfälligen Suchtmittelgeschäften. Wollen Sie da etwas sagen dazu? Da sieht man schon (…) Bewegungen, Eingänge, Ausgänge. Haben sie da einen Handel betrieben, mit Autos, oder …?
H.: Ich möchte mich dazu nicht äußern.
Es sei „lebensfremd“, war zu hören, dass die „exorbitante Menge“ an dem aufgefundenen Kokain ausschließlich zum Eigenkonsum gedacht war. Nicht gerade entlastend wirkte noch die Aussage des in diesem Komplex ebenfalls beschuldigten Bandido Michael K., an den Kokain in geringen Mengen weitergegeben worden sein soll. Eine „übereinstimmende Substanz“ war zwar bei K. aufgefunden worden, aber der wollte nicht nur mit dem Kokain nichts zu haben, sondern, laut des im Gericht vorgetragenen Einvernahmeprotokolls, auch nicht mit H.: „Ich kenne die Person nicht persönlich, kann nur sagen, dass Manuel S. öfter von einem Erwin sprach. Jetzt mit den Medienberichten kann ich mir vorstellen, dass er Erwin H. meinte. Aber ich kann über die Verbindungen nichts sagen.“ Die diesbezüglichen Ermittlungen gegen K. wurden eingestellt.
Am Ende des knapp mehr als einstündigen Prozesses standen ein Schuldspruch und eine unbedingte Haftstrafe von 24 Monaten, was der Richter angesichts einer Höchststrafe von fünf Jahren als angemessen bezeichnete. Damit ist H. weniger günstig davongekommen als Manuel „Speedy” S., der am 20. Oktober nur 18 Monate bedingt erhalten hatte. Sowohl H.s Verteidiger als auch die Staatsanwältin meldeten noch im Gerichtssaal Berufung an, womit das Urteil nicht rechtskräftig ist.
Während sich nun das Oberlandesgericht Linz mit dem Fall zu beschäftigen hat, laufen die Ermittlungen zu den restlichen Vorwürfen weiter. Es ist anzunehmen, dass es nicht H.s letzter Besuch am Landesgericht Ried gewesen sein wird. Auch nicht der unserer Prozessbeobachter*innen von prozess.report, denen wir für ihre Tätigkeit danken!
* Die Zitate sind dem Prozessprotokoll entnommen.