Der flache Gipfel in Oberösterreich
Nach dem riesigen Waffenfund Ende Juni, der zu der öffentlichen Einsicht führte, dass sich einige Neonazis vom ehemaligen Objekt 21 mit den „Bandidos“ zusammengetan haben, war natürlich die Politik, vor allem in Oberösterreich, gefordert, durch aufgeregtes Flügelschlagen Aktivität zu markieren. Ein Sicherheitsgipfel musste her.
Anfang Juli trafen sich die Sicherheitssprecher der Parteien, Vertreter der Blaulichtorganisationen und Landeshauptmann Stelzer (ÖVP). Der FPÖ-Mann Haimbuchner war nicht dabei; er hatte Wichtigeres zu tun. Im Endeffekt besorgten Stelzer und auch Polizeidirektor Pilsl sein Geschäft: Es gebe kein besonderes Problem mit dem Rechtsextremismus in OÖ (Stelzer), es gehe eher um Kriminalität als um Rechtsextremismus (Pilsl) und überhaupt: um Extremismus aus jeder Richtung.
Nachdem das Problem auf diese Weise ausreichend flachgeredet wurde, folgten noch einige ganz tolle Vorschläge: mehr Personal für die Polizei und mehr Überwachungsmöglichkeiten. Der Landeshauptmann hatte einen besonders mutigen und originellen Vorschlag: Die Patches „derartiger Banden“ sollten über das Symbolegesetz verboten werden. Das war’s mit der Sicherheit in Oberösterreich. Die FPÖ konnte zufrieden sein.
Verurteilungen des Waffendealers?
Den Dealer, der vor einem Jahrzehnt schon die Neonazis von Objekt 21 mit Waffen ausgerüstet hatte und deshalb auch Gegenstand von polizeilichen Ermittlungen war, haben wir bereits vorgestellt. Natürlich haben uns auch wir gefragt: Wurde Erwin. H. damals eigentlich angeklagt? Verurteilt?
Angeklagt schon. Wegen des illegalen Besitzes von Waffen und Kriegsmaterial und wegen des illegalen Verkaufs von Waffen an die Neonazis von Objekt 21 stand H. 2014 vor Gericht – wurde aber nicht verurteilt. Aufhorchen ließ uns aber der Bericht in den „OÖN“ (26.5.14) wegen dieser Anmerkungen: „Die zahlreichen Vorstrafen, die letzte vom Sommer 2013, wegen illegalen Waffenbesitzes sind Beweis dafür, dass der Mann aus den Fehlern der Vergangenheit nicht viel gelernt hat. Der Mann gibt zwar zu, im Besitz von Waffen gewesen zu sein, verkauft habe er aber an niemanden etwas.“ Illegaler Waffenbesitz und ‑handel: Das ist offenbar so etwas wie leichter Schnupfen. Kein Problem, bitte weitergehen, hier gibt’s nichts zu sehen!
Und was ist mit H.s Gesinnung? Schließlich wurden bei den Hausdurchsuchungen nicht nur große Mengen an Waffen und Suchtgift, sondern auch NS-Devotionalien gefunden. Und vor seinem Elternhaus bei Zwettl, das ihm als Nebenwohnsitz und ebenfalls als Waffenlager gedient hat, befand sich eine vier Meter große Schwarze Sonne. Übrigens jahrelang. Wie ein Team des ARD-Magazins „Kontraste“ vor Ort abfilmen konnte, wurde die „Schwarze Sonne“ mittlerweile entfernt. Bitte weitergehen! Nicht nachfragen!
Österreichische Rocker schlägern sich in der Schweiz
Womit wir beim skurrilsten Part angelangt wären. „Stoppt die Rechten“ hat bereits zu Beginn der Recherchen Ende Juni auf die eigenartige Verbindung der „Bandidos“ und Neonazis aus dem Innviertel mit dem Chapter Thun der „Bandidos“ in der Schweiz hingewiesen. Warum es zu dieser länderübergreifenden Zuordnung zu einem Chapter, das immerhin mehr als 600 Kilometer vom Innvierteil entfernt liegt, gekommen ist, konnten wir uns jedoch nicht erklären.
Jetzt wissen wir etwas mehr. Michael „Mike“ K. ist in einer kleinen Hausruck-Gemeinde in Oberösterreich Pächter eines Gasthauses, aber war bis vor kurzem auch der präsumtive Chef der „Bandidos“ des Chapters Thun (CH). Damit es noch etwas verwirrender wird: Eigentlich war er Member des Chapters Malaga. Wie er zu seiner Rolle beim Aufbau des Chapters Thun gekommen ist und parallel dazu zum Betreiben eines Wirtshauses im Hausruck, in dem für die „jungen Gäste“ „hingebungsvoll“ ein „Odin-Teller“ kreiert wurde? Keine Ahnung. Im Gasthaus ist mittlerweile das Inferno ausgebrochen. Auf Facebook wird seit Monaten keine neue Wochenkarte gepostet, die Website ist down. Michael K. noch nicht.
Er ist zwar einer der Verdächtigten im Kapitel Waffen- und Suchtgiftfunde bei O 21 und Bandidos in Österreich, wurde aber deswegen nicht in U‑Haft genommen. Das verwundert insofern, weil er in der Schweiz im Vorjahr 42 Monate Haft und einen achtjährigen Landesverweis ausgefasst hat. (Das Urteil ist wegen Berufung nicht rechtskräftig)
K., der den Gasthaus-Betrieb in Oberösterreich von Frauen abwickeln ließ, war nämlich nicht nur mit dem Aufbau des Chapters Thun beschäftigt, sondern auch mit der Abwehr von Rockern, die eher den Abbau wollten. Namentlich waren das die Hells Angels und ihre Verbündeten vor Ort, die Broncos. 2019 lieferten sie sich in Belp einen Showdown mit den „Bandidos“, die dort gerade den Geburtstag von K. feiern wollten. Bei der Auseinandersetzung, an der zumindest 30 Personen beteiligt waren, wurden Messer, Pistolen und Schlagwaffen eingesetzt. Michael K., der einer der Hauptangeklagten im Berner Prozess im Vorjahr war, soll mit einem versteiften Elektrokabel und dann auch einem Schlagring wiederholt auf den Schädel eines Bronco eingeschlagen haben, bis der zu Boden ging. Dem Bronco wurde dann auch von einem anderen Bandido in den Rücken gestochen. (vgl. blick.ch, 4.7.23)
Wenn wir die Meldungen richtig interpretieren, hat Michael K. einen weiteren beteiligten Österreicher verdroschen. (vgl. blick.ch, 2.6.22) Der Bronco-Österreicher war Bordell-Betreiber im schweizerischen Emmental und hatte vier Wochen vor der Schlägerei in Belp 2019 selbst neun Monate bedingt wegen Nötigung und Freiheitsberaubung ausgefasst, weil er seinen Bordell-Co-Besitzer durch Einsperren zum Abtreten seiner Anteile zwingen wollte. Für die Beteiligung an der Schlägerei mit den Bandidos kassierte er noch einmal neun Monate und einen Landesverweis für fünf Jahre, der wegen Berufung ebenfalls noch nicht rechtskräftig ist.