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Der Nazi-Waffendealer und die österreichischen „Bandidos“ in der Schweiz

Der rie­si­ge Waf­­fen- und Sucht­gift­fund samt NS-Devo­­tio­na­­li­en im Umfeld von Neo­na­zis und „Ban­di­dos“ MC hat in Ober­ös­ter­reich zu einem Sicher­heits­gip­fel mit fla­chen Ergeb­nis­sen geführt. Dabei gäbe es eini­ges zu bespre­chen. Etwa, war­um ein mehr­fach ver­ur­teil­ter Waf­fen­dea­ler unbe­merkt rie­si­ge Waf­fen­men­gen hor­ten und ver­klop­fen konn­te. Oder: War­um Öster­rei­cher in der Schweiz bei Stra­ßen­kämp­fen von Rocker­ban­den auf­tre­ten und […]

4. Okt 2023

Der flache Gipfel in Oberösterreich

Nach dem rie­si­gen Waf­fen­fund Ende Juni, der zu der öffent­li­chen Ein­sicht führ­te, dass sich eini­ge Neo­na­zis vom ehe­ma­li­gen Objekt 21 mit den „Ban­di­dos“ zusam­men­ge­tan haben, war natür­lich die Poli­tik, vor allem in Ober­ös­ter­reich, gefor­dert, durch auf­ge­reg­tes Flü­gel­schla­gen Akti­vi­tät zu mar­kie­ren. Ein Sicher­heits­gip­fel muss­te her.

Anfang Juli tra­fen sich die Sicher­heits­spre­cher der Par­tei­en, Ver­tre­ter der Blau­licht­or­ga­ni­sa­tio­nen und Lan­des­haupt­mann Stel­zer (ÖVP). Der FPÖ-Mann Haim­buch­ner war nicht dabei; er hat­te Wich­ti­ge­res zu tun. Im End­ef­fekt besorg­ten Stel­zer und auch Poli­zei­di­rek­tor Pilsl sein Geschäft: Es gebe kein beson­de­res Pro­blem mit dem Rechts­extre­mis­mus in OÖ (Stel­zer), es gehe eher um Kri­mi­na­li­tät als um Rechts­extre­mis­mus (Pilsl) und über­haupt: um Extre­mis­mus aus jeder Richtung.

Nach­dem das Pro­blem auf die­se Wei­se aus­rei­chend flach­ge­re­det wur­de, folg­ten noch eini­ge ganz tol­le Vor­schlä­ge: mehr Per­so­nal für die Poli­zei und mehr Über­wa­chungs­mög­lich­kei­ten. Der Lan­des­haupt­mann hat­te einen beson­ders muti­gen und ori­gi­nel­len Vor­schlag: Die Patches „der­ar­ti­ger Ban­den“ soll­ten über das Sym­bo­le­ge­setz ver­bo­ten wer­den. Das war’s mit der Sicher­heit in Ober­ös­ter­reich. Die FPÖ konn­te zufrie­den sein.

Verurteilungen des Waffendealers?

Den Dea­ler, der vor einem Jahr­zehnt schon die Neo­na­zis von Objekt 21 mit Waf­fen aus­ge­rüs­tet hat­te und des­halb auch Gegen­stand von poli­zei­li­chen Ermitt­lun­gen war, haben wir bereits vor­ge­stellt. Natür­lich haben uns auch wir gefragt: Wur­de Erwin. H. damals eigent­lich ange­klagt? Verurteilt?

Ange­klagt schon. Wegen des ille­ga­len Besit­zes von Waf­fen und Kriegs­ma­te­ri­al und wegen des ille­ga­len Ver­kaufs von Waf­fen an die Neo­na­zis von Objekt 21 stand H. 2014 vor Gericht – wur­de aber nicht ver­ur­teilt. Auf­hor­chen ließ uns aber der Bericht in den „OÖN“ (26.5.14) wegen die­ser Anmer­kun­gen: „Die zahl­rei­chen Vor­stra­fen, die letz­te vom Som­mer 2013, wegen ille­ga­len Waf­fen­be­sit­zes sind Beweis dafür, dass der Mann aus den Feh­lern der Ver­gan­gen­heit nicht viel gelernt hat. Der Mann gibt zwar zu, im Besitz von Waf­fen gewe­sen zu sein, ver­kauft habe er aber an nie­man­den etwas.“ Ille­ga­ler Waf­fen­be­sitz und ‑han­del: Das ist offen­bar so etwas wie leich­ter Schnup­fen. Kein Pro­blem, bit­te wei­ter­ge­hen, hier gibt’s nichts zu sehen!

Und was ist mit H.s Gesin­nung? Schließ­lich wur­den bei den Haus­durch­su­chun­gen nicht nur gro­ße Men­gen an Waf­fen und Sucht­gift, son­dern auch NS-Devo­tio­na­li­en gefun­den. Und vor sei­nem Eltern­haus bei Zwettl, das ihm als Neben­wohn­sitz und eben­falls als Waf­fen­la­ger gedient hat, befand sich eine vier Meter gro­ße Schwar­ze Son­ne. Übri­gens jah­re­lang. Wie ein Team des ARD-Maga­zins „Kon­tras­te“ vor Ort abfil­men konn­te, wur­de die „Schwar­ze Son­ne“ mitt­ler­wei­le ent­fernt. Bit­te wei­ter­ge­hen! Nicht nachfragen!

"Schwarze Sonne" bei Erwin H. – mittlerweile entfernt (untere Aufnahme Screenshot aus "Kontraste")
„Schwar­ze Son­ne” bei Erwin H. – mitt­ler­wei­le ent­fernt (unte­re Auf­nah­me Screen­shot aus „Kon­tras­te”)

Österreichische Rocker schlägern sich in der Schweiz

Womit wir beim skur­rils­ten Part ange­langt wären. „Stoppt die Rech­ten“ hat bereits zu Beginn der Recher­chen Ende Juni auf die eigen­ar­ti­ge Ver­bin­dung der „Ban­di­dos“ und Neo­na­zis aus dem Inn­vier­tel mit dem Chap­ter Thun der „Ban­di­dos“ in der Schweiz hin­ge­wie­sen. War­um es zu die­ser län­der­über­grei­fen­den Zuord­nung zu einem Chap­ter, das immer­hin mehr als 600 Kilo­me­ter vom Inn­vier­teil ent­fernt liegt, gekom­men ist, konn­ten wir uns jedoch nicht erklären.

Jetzt wis­sen wir etwas mehr. Micha­el „Mike“ K. ist in einer klei­nen Haus­ruck-Gemein­de in Ober­ös­ter­reich Päch­ter eines Gast­hau­ses, aber war bis vor kur­zem auch der prä­sum­ti­ve Chef der „Ban­di­dos“ des Chap­ters Thun (CH). Damit es noch etwas ver­wir­ren­der wird: Eigent­lich war er Mem­ber des Chap­ters Mala­ga. Wie er zu sei­ner Rol­le beim Auf­bau des Chap­ters Thun gekom­men ist und par­al­lel dazu zum Betrei­ben eines Wirts­hau­ses im Haus­ruck, in dem für die „jun­gen Gäs­te“ „hin­ge­bungs­voll“ ein „Odin-Tel­ler“ kre­iert wur­de? Kei­ne Ahnung. Im Gast­haus ist mitt­ler­wei­le das Infer­no aus­ge­bro­chen. Auf Face­book wird seit Mona­ten kei­ne neue Wochen­kar­te gepos­tet, die Web­site ist down. Micha­el K. noch nicht.

Bandido Michael "Mike" K. (Chapter Malaga und Thun; Screenshot FB-Profil K.)
Ban­di­do Micha­el „Mike” K. (Chap­ter Mala­ga und Thun; Screen­shot FB-Pro­fil K.)

Er ist zwar einer der Ver­däch­tig­ten im Kapi­tel Waf­fen- und Sucht­gift­fun­de bei O 21 und Ban­di­dos in Öster­reich, wur­de aber des­we­gen nicht in U‑Haft genom­men. Das ver­wun­dert inso­fern, weil er in der Schweiz im Vor­jahr 42 Mona­te Haft und einen acht­jäh­ri­gen Lan­des­ver­weis aus­ge­fasst hat. (Das Urteil ist wegen Beru­fung nicht rechtskräftig)

K., der den Gast­haus-Betrieb in Ober­ös­ter­reich von Frau­en abwi­ckeln ließ, war näm­lich nicht nur mit dem Auf­bau des Chap­ters Thun beschäf­tigt, son­dern auch mit der Abwehr von Rockern, die eher den Abbau woll­ten. Nament­lich waren das die Hells Angels und ihre Ver­bün­de­ten vor Ort, die Bron­cos. 2019 lie­fer­ten sie sich in Belp einen Show­down mit den „Ban­di­dos“, die dort gera­de den Geburts­tag von K. fei­ern woll­ten. Bei der Aus­ein­an­der­set­zung, an der zumin­dest 30 Per­so­nen betei­ligt waren, wur­den Mes­ser, Pis­to­len und Schlag­waf­fen ein­ge­setzt. Micha­el K., der einer der Haupt­an­ge­klag­ten im Ber­ner Pro­zess im Vor­jahr war, soll mit einem ver­steif­ten Elek­tro­ka­bel und dann auch einem Schlag­ring wie­der­holt auf den Schä­del eines Bron­co ein­ge­schla­gen haben, bis der zu Boden ging. Dem Bron­co wur­de dann auch von einem ande­ren Ban­di­do in den Rücken gesto­chen. (vgl. blick.ch, 4.7.23)

Wenn wir die Mel­dun­gen rich­tig inter­pre­tie­ren, hat Micha­el K. einen wei­te­ren betei­lig­ten Öster­rei­cher ver­dro­schen. (vgl. blick.ch, 2.6.22) Der Bron­co-Öster­rei­cher war Bor­dell-Betrei­ber im schwei­ze­ri­schen Emmen­tal und hat­te vier Wochen vor der Schlä­ge­rei in Belp 2019 selbst neun Mona­te bedingt wegen Nöti­gung und Frei­heits­be­rau­bung aus­ge­fasst, weil er sei­nen Bor­dell-Co-Besit­zer durch Ein­sper­ren zum Abtre­ten sei­ner Antei­le zwin­gen woll­te. Für die Betei­li­gung an der Schlä­ge­rei mit den Ban­di­dos kas­sier­te er noch ein­mal neun Mona­te und einen Lan­des­ver­weis für fünf Jah­re, der wegen Beru­fung eben­falls noch nicht rechts­kräf­tig ist.