Wochenschau KW 9 und 10/22 (Teil 3)

Immer öfter müssen wir aus der Coro­na-Ver­schwörungsszene Berichte brin­gen, die mit Ver­het­zung oder Wieder­betä­ti­gung im Zusam­men­hang ste­hen. Dies­mal: ein the­ater­reifer Prozess mit einem „Witz-Freis­pruch“, drei Anzeigen nach dem Ver­bots­ge­setz und eine Ein­stel­lung eines Ver­fahrens. Auf das Camp der Klimaktivist*innen in der Lobau gab’s nun nach dem Bran­dan­schlag im Win­ter eine Neon­azi-Attacke. Und die Ini­tia­tive „Ban­Hate“ verze­ich­net fürs let­zte Jahr wieder eine sehr hohe Zahl an Mel­dun­gen von Hassnachrichten.

Wien: the­ater­reifer Auftritt – the­ater­reifer Freispruch
Graz: „Impfen macht frei”-Schildträger aus­ge­forscht und angezeigt
Bad Aussee/Stmk.: „Zeitkri­tis­ches Kunstprojekt“
Wien: Winken bei Corona-Demo
Wien: Neon­azi-Attacke auf Lobau-Camp
Bez. Rohrbach/OÖ: Schuldige für Schmier­ereien ausgeforscht
OÖ: Presser­at sieht Ethikver­stöße beim „Wochen­blick”
Graz: Mel­dun­gen von Has­s­nachricht­en über „Ban­Hate“ auch 2021 auf sehr hohem Niveau

Wien: the­ater­reifer Auftritt – the­ater­reifer Freispruch

Vor­fall und darauf­fol­gende Anzeige liegen bere­its länger zurück: Am 5. Sep­tem­ber 2020 mein­ten Jen­nifer Klauninger, Manuel Mit­tas und ein drit­ter Mann, im Zuge ein­er Coro­na-Demo eine Regen­bo­gen­fahne zer­reis­sen zu müssen, weil sie darin ein Pädophilen­sym­bol wit­terten. Darauf fol­gten Dis­tanzierun­gen, eine (kurzfristige) Spal­tung der Bewe­gung und vor allem eine Anzeige wegen des Ver­dachts auf Ver­het­zung. 

Der Prozess in Wien gegen die drei Beteiligten artete nun zu einem the­ater­reifen Spek­takel aus, in dem schon die Frage, Maske rauf und wenn ja, wie, eine Rolle spielte. Klauninger wurde es nach einiger Zeit auf­grund der Maske „so schwindelig“, dass sie „gar nicht klar denken könne“ (derstandard.at, 2.3.22). Der selb­ster­nan­nte Satanis­mus- und Kindesmiss­brauch­ex­perte Mit­tas ver­stieg sich zur Behaup­tung, auch für das Innen­min­is­teri­um tätig zu sein, was der Stan­dard in ein­er Nach­frage im Min­is­teri­um allerd­ings nicht ver­i­fizieren kon­nte. Es fol­gten wortre­iche Schwurbeleien über Def­i­n­i­tion und Deu­tung von Far­ben und Herzen.

Es geht um Farb­w­erte, die Zahl der Streifen und vor allen Din­gen um das Herzsym­bol in der Mitte. M. und Klauninger zitieren aus ange­blich geleak­ten FBI-Infor­ma­tio­nen, wonach dieses Herz das Sym­bol sei, an dem sich Kinder­schän­der untere­inan­der erken­nen. Kurz darauf sagen sie allerd­ings wieder, dass diese Gruppe ihre Sym­bole ständig wech­sle, um nicht ent­tarnt zu wer­den. (derstandard.at)

Let­ztlich waren die Angeklagten mit ihrer für Normalverbraucher*innen hanebüchen anmu­ten­den Argu­men­ta­tion erfol­gre­ich. Der Richter sprach alle Beteiligten vom Vor­wurf der Ver­het­zung (nicht recht­skräftig) frei – im Zweifel. Der dürfte sich nicht nur bei uns eingestellt haben. Selb­st „Öster­re­ich“ (3.3.22) betitelte dieses Urteil als „Witz-Freis­pruch“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Graz: „Impfen macht frei”-Schildträger aus­ge­forscht und angezeigt

Für zwei Demo-Teil­nehmer aus Graz hat das Zeigen von zwei Tafeln, auf denen ein KZ-Ein­gang mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“ als Vor­lage dafür diente, daraus „Impfen macht frei“ zu machen und damit spazieren zu gehen.

Nun wur­den die bei­den in Graz leben­den Män­ner aus­ge­forscht: Die bei­den Russen – 48 und 65 Jahre alt – zeigten sich geständig, bestrit­ten jedoch ide­ol­o­gis­che Absicht­en. Die Tafeln selb­st hat­te der 65-Jährige nach ein­er Recherche im Inter­net ange­fer­tigt, eine der Tafeln wurde auf der Demo dem 48-jähri­gen Bekan­nten übergeben. Bei­de Män­ner wer­den wegen des Ver­dachts der Wieder­betä­ti­gung nach dem Ver­bots­ge­setz angezeigt. (steiermark.orf.at, 11.3.22)

In Wien sind in der Vor­woche zwei Män­ner auf­grund des Tra­gens eines „Ungeimpft-Juden­stern“ wegen Ver­harm­lo­sung des Nation­al­sozial­is­mus verurteilt worden.

Bad Aussee/Stmk.: „Zeitkri­tis­ches Kunstprojekt“

In der Steier­mark ist seit­ens der Staat­san­waltschaft Leoben ein Ver­fahren eingestellt wor­den, bei dem es um die Zurschaustel­lung von die Imp­fung ablehnen­den Plakat­en mit NS-Ver­gle­ichen auf einem Fen­ster in Bad Aussee ging.

So prangte etwa der Schriftzug „Impfen macht frei“ auf einem Fen­ster – in ähn­lichen Let­tern wie der Spruch „Arbeit macht frei“ auf dem Tor des Ver­nich­tungslagers Auschwitz. Auch Par­al­le­len zur Juden­ver­fol­gung während der Nazi-Dik­tatur und den Coro­na-Maß­nah­men wur­den gezo­gen. Ein Bild mit Wider­stand­skämpferin Sophie Scholl wurde eben­falls präsen­tiert. Daneben der Spruch: „Der größte Schaden entste­ht durch die schweigende Mehrheit, die nur über­leben will, sich fügt und alles mit­macht“. Gle­ich darunter: „Erschreck­end, dass DU es zulässt, dass sich die Geschichte wieder­holt.“ (Kleine Zeitung, 6.3.22, S. 36)

Der Beschuldigte hat­te seine Aktion als „zeitkri­tis­ches Kun­st­pro­jekt“ tit­uliert, damit war für die Staat­san­waltschaft nicht mehr der Vor­satz, den  Nation­al­sozial­is­mus gröblich ver­harm­losen zu wollen, gegeben.

Wien: Winken bei Corona-Demo

Ob die Polizei den Vor­fall ver­fol­gt, ist uns nicht bekan­nt. Sie hat auf Twit­ter nicht darauf reagiert.

Wien: Neon­azi-Attacke auf Lobau-Camp

In der Nacht auf Don­ner­stag, 10. März, drangen Unbekan­nte auf das Gelände der Beset­zung der LobauBleibt-Bewe­gung an der Hirschstet­tner­straße 44 ein und beschmierten Holzbret­ter und Glass­cheiben mit Hak­enkreuzen und anderen nation­al­sozial­is­tis­chen Sym­bol­en und Codes wie „88“, „Heil Hitler“ und „Sieg Heil“. Unter anderem wurde mit Holzpflöck­en ein zwei Meter großes Hak­enkreuz auf dem Boden aus­gelegt. Auf ein­er der Schmier­ereien war zu lesen: „Wir kom­men wieder.“

Die LobauBleibt-Bewe­gung verurteilt diesen erschreck­enden Angriff, der sich in eine Rei­he von Angrif­f­en und Dro­hun­gen der let­zten Monate rei­ht aufs Schärf­ste. „Zu Sil­vester fand ein Bran­dan­schlag statt, bei dem nur durch großes Glück nie­mand ver­let­zt wurde. Nun wurde unser friedlich­er Protest erneut ange­grif­f­en. Die ver­wen­de­ten Sym­bole deuten darauf hin, dass es sich um Angriffe aus gewalt­bere­it­en und recht­sex­trem­istis­chen Kreisen han­delt“, so Anna Kon­triner, Sprecherin der LobauBleibt-Bewegung.

Zu den andauern­den Mord­dro­hun­gen gegen Lena Schilling, Sprecherin der LobauBleibt-Bewe­gung, kommt nun ein erneuter tätlich­er Über­griff auf das Camp in der Hirschstet­tner­straße. “Wir haben eine Anzeige gegen Unbekan­nt wegen Wieder­betä­ti­gung gemacht. Wir lassen uns von Nazis nicht ein­schüchtern, für eine klim­agerechte Zukun­ft zu kämpfen” sagt Lena Schilling. Die Hak­enkreuze und Parolen wur­den von den Besetzer:innen übermalt.

“Angesichts der andauern­den Dro­hun­gen gegen die Lobau-Bewe­gung und gegen mich als Per­son ist die Wiener Stadtregierung nochmals aufgerufen, klar Posi­tion zu beziehen. Dass demokratis­ch­er Protest von anti­demokratis­chen Kräften bedro­ht wird, muss auch für die SPÖ ein Prob­lem sein”, so Schilling.

Die Aktivist:innen fordern eine vol­lum­fängliche und rasche Aufk­lärung der Ereignisse in der ver­gan­gen Nacht und aller Vor­fälle in den let­zten Monat­en. “Wir wer­den von demokratiefeindlichen, gewalt­bere­it­en Grup­pen bedro­ht und ange­grif­f­en. Aber wir wer­den unseren Protest fort­set­zen und lassen uns nicht ein­schüchtern.”, so Schilling abschließend. (lobaubleibt.at, 10.3.22)

Bez. Rohrbach/OÖ: Schuldige für Schmier­ereien ausgeforscht

Jene Täter, die Anfang Feb­ru­ar u.a. zahlre­iche Hak­enkreuzschmier­ereien in diversen Ortschaften im Bezirk Rohrbach hin­ter­lassen hat­ten, wur­den aus­ge­forscht. „Sechs Burschen (15 bis 25) aus dem Bezirk Rohrbach kon­nten nach inten­siv­en Ermit­tlun­gen der Polizei­in­spek­tion Lem­bach als Sprayer-Bande aus­ge­forscht wer­den. Ihnen wer­den 14 zum Teil schwere Sachbeschädi­gun­gen samt Ver­brechen nach dem Ver­bots­ge­setz zuge­ord­net.” (Oberöster­re­ichis­ches Volks­blatt, 1.3.22)

OÖ: Presser­at sieht Ethikver­stöße beim „Wochen­blick”

Der öster­re­ichis­che Presser­at hat sich zu vier Artikeln aus dem recht­sex­tremen „Wochen­blick“ geäußert und darin zahlre­iche Ethikver­stöße fest­gestellt. Hier ging es um das Zitieren von unwis­senschaftlichen Quellen, um falsche Zahlen und um eine „bewusst manip­u­la­tive“ Vorgangsweise.

In allen vier Fällen gelangte der Sen­at 2 zu dem Ergeb­nis, dass die Infor­ma­tio­nen in den Artikeln nicht gewis­senhaft und kor­rekt recher­chiert bzw. wiedergegeben wur­den (Punkt 2.1 des Ehrenkodex). Bei den Beiträ­gen über Natascha Kam­pusch und die Neben­wirkun­gen bei Babys stellte der Sen­at zusät­zlich einen Ver­stoß gegen Punkt 5 des Ehrenkodex fest (Per­sön­lichkeitss­chutz). Die Medi­en­in­hab­erin von „wochenblick.at“ nahm nicht an den Ver­fahren vor dem Presser­at teil. Sie wird den­noch vom Sen­at 2 aufge­fordert, die Entschei­dun­gen frei­willig zu veröf­fentlichen oder darüber zu bericht­en. (ots.at, 11.3.22)

Graz: Mel­dun­gen von Has­s­nachricht­en über „Ban­Hate“ auch 2021 auf sehr hohem Niveau

Die in Graz behei­matete Ini­tia­tive „Ban­Hate“, bei der über eine App Has­s­post­ings wie auch Ver­stöße nach dem Ver­bots­ge­setz gemeldet wer­den kön­nen, hat ihre jährliche Sta­tis­tik präsen­tiert. 

Ins­ge­samt gin­gen im ver­gan­genen Jahr 2817 Mel­dun­gen über die Ban­Hate-App ein. Nach dem Neg­a­tivreko­rd im Jahr 2020 mit 3215 Mel­dun­gen liegt man damit noch immer um 66 Prozent über den Zahlen vor Aus­bruch der Pandemie.
Wie die Auswer­tun­gen der aktuellen Ban­Hate-Sta­tis­tik im Detail zeigt (Mehrfach­nen­nun­gen möglich), richtet sich der Hass der Men­schen zum über­wiegen­den Teil gegen die Covid-19-Maß­nah­men (61 Prozent) oder hat Ver­schwörungs­the­o­rien (42 Prozent) sowie nation­al­sozial­is­tis­che Parolen bzw. Wieder­betä­ti­gung (36 Prozent) als Grund­lage. (…) [Es] wur­den 1589 Mel­dun­gen an die zuständi­gen Stellen in Öster­re­ich und Deutsch­land weit­ergeleit­et bzw. zur Anzeige gebracht. (ots.at, 28.2.2022)