Immer öfter müssen wir aus der Corona-Verschwörungsszene Berichte bringen, die mit Verhetzung oder Wiederbetätigung im Zusammenhang stehen. Diesmal: ein theaterreifer Prozess mit einem „Witz-Freispruch“, drei Anzeigen nach dem Verbotsgesetz und eine Einstellung eines Verfahrens. Auf das Camp der Klimaktivist*innen in der Lobau gab’s nun nach dem Brandanschlag im Winter eine Neonazi-Attacke. Und die Initiative „BanHate“ verzeichnet fürs letzte Jahr wieder eine sehr hohe Zahl an Meldungen von Hassnachrichten.
Wien: theaterreifer Auftritt – theaterreifer Freispruch
Graz: „Impfen macht frei”-Schildträger ausgeforscht und angezeigt
Bad Aussee/Stmk.: „Zeitkritisches Kunstprojekt“
Wien: Winken bei Corona-Demo
Wien: Neonazi-Attacke auf Lobau-Camp
Bez. Rohrbach/OÖ: Schuldige für Schmierereien ausgeforscht
OÖ: Presserat sieht Ethikverstöße beim „Wochenblick”
Graz: Meldungen von Hassnachrichten über „BanHate“ auch 2021 auf sehr hohem Niveau
Wien: theaterreifer Auftritt – theaterreifer Freispruch
Vorfall und darauffolgende Anzeige liegen bereits länger zurück: Am 5. September 2020 meinten Jennifer Klauninger, Manuel Mittas und ein dritter Mann, im Zuge einer Corona-Demo eine Regenbogenfahne zerreissen zu müssen, weil sie darin ein Pädophilensymbol witterten. Darauf folgten Distanzierungen, eine (kurzfristige) Spaltung der Bewegung und vor allem eine Anzeige wegen des Verdachts auf Verhetzung.
Der Prozess in Wien gegen die drei Beteiligten artete nun zu einem theaterreifen Spektakel aus, in dem schon die Frage, Maske rauf und wenn ja, wie, eine Rolle spielte. Klauninger wurde es nach einiger Zeit aufgrund der Maske „so schwindelig“, dass sie „gar nicht klar denken könne“ (derstandard.at, 2.3.22). Der selbsternannte Satanismus- und Kindesmissbrauchexperte Mittas verstieg sich zur Behauptung, auch für das Innenministerium tätig zu sein, was der Standard in einer Nachfrage im Ministerium allerdings nicht verifizieren konnte. Es folgten wortreiche Schwurbeleien über Definition und Deutung von Farben und Herzen.
Es geht um Farbwerte, die Zahl der Streifen und vor allen Dingen um das Herzsymbol in der Mitte. M. und Klauninger zitieren aus angeblich geleakten FBI-Informationen, wonach dieses Herz das Symbol sei, an dem sich Kinderschänder untereinander erkennen. Kurz darauf sagen sie allerdings wieder, dass diese Gruppe ihre Symbole ständig wechsle, um nicht enttarnt zu werden. (derstandard.at)
Letztlich waren die Angeklagten mit ihrer für Normalverbraucher*innen hanebüchen anmutenden Argumentation erfolgreich. Der Richter sprach alle Beteiligten vom Vorwurf der Verhetzung (nicht rechtskräftig) frei – im Zweifel. Der dürfte sich nicht nur bei uns eingestellt haben. Selbst „Österreich“ (3.3.22) betitelte dieses Urteil als „Witz-Freispruch“. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Graz: „Impfen macht frei”-Schildträger ausgeforscht und angezeigt
Für zwei Demo-Teilnehmer aus Graz hat das Zeigen von zwei Tafeln, auf denen ein KZ-Eingang mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“ als Vorlage dafür diente, daraus „Impfen macht frei“ zu machen und damit spazieren zu gehen.
Nun wurden die beiden in Graz lebenden Männer ausgeforscht: Die beiden Russen – 48 und 65 Jahre alt – zeigten sich geständig, bestritten jedoch ideologische Absichten. Die Tafeln selbst hatte der 65-Jährige nach einer Recherche im Internet angefertigt, eine der Tafeln wurde auf der Demo dem 48-jährigen Bekannten übergeben. Beide Männer werden wegen des Verdachts der Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz angezeigt. (steiermark.orf.at, 11.3.22)
In Wien sind in der Vorwoche zwei Männer aufgrund des Tragens eines „Ungeimpft-Judenstern“ wegen Verharmlosung des Nationalsozialismus verurteilt worden.
Bad Aussee/Stmk.: „Zeitkritisches Kunstprojekt“
In der Steiermark ist seitens der Staatsanwaltschaft Leoben ein Verfahren eingestellt worden, bei dem es um die Zurschaustellung von die Impfung ablehnenden Plakaten mit NS-Vergleichen auf einem Fenster in Bad Aussee ging.
So prangte etwa der Schriftzug „Impfen macht frei“ auf einem Fenster – in ähnlichen Lettern wie der Spruch „Arbeit macht frei“ auf dem Tor des Vernichtungslagers Auschwitz. Auch Parallelen zur Judenverfolgung während der Nazi-Diktatur und den Corona-Maßnahmen wurden gezogen. Ein Bild mit Widerstandskämpferin Sophie Scholl wurde ebenfalls präsentiert. Daneben der Spruch: „Der größte Schaden entsteht durch die schweigende Mehrheit, die nur überleben will, sich fügt und alles mitmacht“. Gleich darunter: „Erschreckend, dass DU es zulässt, dass sich die Geschichte wiederholt.“ (Kleine Zeitung, 6.3.22, S. 36)
Der Beschuldigte hatte seine Aktion als „zeitkritisches Kunstprojekt“ tituliert, damit war für die Staatsanwaltschaft nicht mehr der Vorsatz, den Nationalsozialismus gröblich verharmlosen zu wollen, gegeben.
Verdacht auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz, @LPDWien. Wir ersuchen um entsprechende Verfolgung. #w1203 https://t.co/exovURFivy
— stopptdierechten.at (@stopptrechte) March 12, 2022
Ob die Polizei den Vorfall verfolgt, ist uns nicht bekannt. Sie hat auf Twitter nicht darauf reagiert.
Wien: Neonazi-Attacke auf Lobau-Camp
In der Nacht auf Donnerstag, 10. März, drangen Unbekannte auf das Gelände der Besetzung der LobauBleibt-Bewegung an der Hirschstettnerstraße 44 ein und beschmierten Holzbretter und Glasscheiben mit Hakenkreuzen und anderen nationalsozialistischen Symbolen und Codes wie „88“, „Heil Hitler“ und „Sieg Heil“. Unter anderem wurde mit Holzpflöcken ein zwei Meter großes Hakenkreuz auf dem Boden ausgelegt. Auf einer der Schmierereien war zu lesen: „Wir kommen wieder.“
Die LobauBleibt-Bewegung verurteilt diesen erschreckenden Angriff, der sich in eine Reihe von Angriffen und Drohungen der letzten Monate reiht aufs Schärfste. „Zu Silvester fand ein Brandanschlag statt, bei dem nur durch großes Glück niemand verletzt wurde. Nun wurde unser friedlicher Protest erneut angegriffen. Die verwendeten Symbole deuten darauf hin, dass es sich um Angriffe aus gewaltbereiten und rechtsextremistischen Kreisen handelt“, so Anna Kontriner, Sprecherin der LobauBleibt-Bewegung.
Zu den andauernden Morddrohungen gegen Lena Schilling, Sprecherin der LobauBleibt-Bewegung, kommt nun ein erneuter tätlicher Übergriff auf das Camp in der Hirschstettnerstraße. “Wir haben eine Anzeige gegen Unbekannt wegen Wiederbetätigung gemacht. Wir lassen uns von Nazis nicht einschüchtern, für eine klimagerechte Zukunft zu kämpfen” sagt Lena Schilling. Die Hakenkreuze und Parolen wurden von den Besetzer:innen übermalt.
“Angesichts der andauernden Drohungen gegen die Lobau-Bewegung und gegen mich als Person ist die Wiener Stadtregierung nochmals aufgerufen, klar Position zu beziehen. Dass demokratischer Protest von antidemokratischen Kräften bedroht wird, muss auch für die SPÖ ein Problem sein”, so Schilling.
Die Aktivist:innen fordern eine vollumfängliche und rasche Aufklärung der Ereignisse in der vergangen Nacht und aller Vorfälle in den letzten Monaten. “Wir werden von demokratiefeindlichen, gewaltbereiten Gruppen bedroht und angegriffen. Aber wir werden unseren Protest fortsetzen und lassen uns nicht einschüchtern.”, so Schilling abschließend. (lobaubleibt.at, 10.3.22)
Bez. Rohrbach/OÖ: Schuldige für Schmierereien ausgeforscht
Jene Täter, die Anfang Februar u.a. zahlreiche Hakenkreuzschmierereien in diversen Ortschaften im Bezirk Rohrbach hinterlassen hatten, wurden ausgeforscht. „Sechs Burschen (15 bis 25) aus dem Bezirk Rohrbach konnten nach intensiven Ermittlungen der Polizeiinspektion Lembach als Sprayer-Bande ausgeforscht werden. Ihnen werden 14 zum Teil schwere Sachbeschädigungen samt Verbrechen nach dem Verbotsgesetz zugeordnet.” (Oberösterreichisches Volksblatt, 1.3.22)
OÖ: Presserat sieht Ethikverstöße beim „Wochenblick”
Der österreichische Presserat hat sich zu vier Artikeln aus dem rechtsextremen „Wochenblick“ geäußert und darin zahlreiche Ethikverstöße festgestellt. Hier ging es um das Zitieren von unwissenschaftlichen Quellen, um falsche Zahlen und um eine „bewusst manipulative“ Vorgangsweise.
In allen vier Fällen gelangte der Senat 2 zu dem Ergebnis, dass die Informationen in den Artikeln nicht gewissenhaft und korrekt recherchiert bzw. wiedergegeben wurden (Punkt 2.1 des Ehrenkodex). Bei den Beiträgen über Natascha Kampusch und die Nebenwirkungen bei Babys stellte der Senat zusätzlich einen Verstoß gegen Punkt 5 des Ehrenkodex fest (Persönlichkeitsschutz). Die Medieninhaberin von „wochenblick.at“ nahm nicht an den Verfahren vor dem Presserat teil. Sie wird dennoch vom Senat 2 aufgefordert, die Entscheidungen freiwillig zu veröffentlichen oder darüber zu berichten. (ots.at, 11.3.22)
Graz: Meldungen von Hassnachrichten über „BanHate“ auch 2021 auf sehr hohem Niveau
Die in Graz beheimatete Initiative „BanHate“, bei der über eine App Hasspostings wie auch Verstöße nach dem Verbotsgesetz gemeldet werden können, hat ihre jährliche Statistik präsentiert.
Insgesamt gingen im vergangenen Jahr 2817 Meldungen über die BanHate-App ein. Nach dem Negativrekord im Jahr 2020 mit 3215 Meldungen liegt man damit noch immer um 66 Prozent über den Zahlen vor Ausbruch der Pandemie.
Wie die Auswertungen der aktuellen BanHate-Statistik im Detail zeigt (Mehrfachnennungen möglich), richtet sich der Hass der Menschen zum überwiegenden Teil gegen die Covid-19-Maßnahmen (61 Prozent) oder hat Verschwörungstheorien (42 Prozent) sowie nationalsozialistische Parolen bzw. Wiederbetätigung (36 Prozent) als Grundlage. (…) [Es] wurden 1589 Meldungen an die zuständigen Stellen in Österreich und Deutschland weitergeleitet bzw. zur Anzeige gebracht. (ots.at, 28.2.2022)