Rechtsextreme Zerreißer und Zerrissene

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Es war eine gespens­ti­sche Sze­ne, als bei der Kund­ge­bung der Corona-„Querdenker“ am 5. Sep­tem­ber in Wien auf offe­ner Büh­ne eine Regen­bo­gen­flag­ge zer­ris­sen wur­de – ver­bun­den mit dem Hin­weis, dass es sich um ein Sym­bol der Pädo­phi­len hand­le. Weni­ge Tage dar­auf durf­te die Frau, die dabei feder­füh­rend war, in einem eben­so gespens­tisch anmu­ten­den Pres­se­ge­spräch mit dem Prot­ago­nis­ten der rechts­extre­men „Coro­na-Quer­front“, Dr. Harald Schmidt, ihre Grün­de für das Zer­rei­ßen der Regen­bo­gen­flag­ge noch ein­mal dar­le­gen. Mitt­ler­wei­le hat es auch die „Quer­den­ker“ zerrissen.

Nach­dem bei der „Querdenken“-Demo ein Mann im Schot­ten­rock auf der Büh­ne die Regen­bo­gen­fah­ne geschwenkt hat, lei­tet „Mode­ra­tor“ Mar­tin Rut­ter die fol­gen­de Sze­ne mit den Wor­ten ein, es habe sich lei­der ein Feh­ler ein­ge­schli­chen. Jen­ni­fer Klau­nin­ger, die schon eini­ge Coro­na-Demos orga­ni­siert hat, erklär­te schrei­end, „Die­se Flag­ge kommt mir nicht auf die Büh­ne“, und gemein­sam mit dem selt­sa­men Sata­nis­mus-Exper­ten Manu­el Mit­tas und dem Schot­ten­rock-Men­schen wird die Regen­bo­gen­flag­ge, das Sym­bol der LGBTIQ-Bewe­gung, zer­ris­sen, weil sie in der Mit­te ein Herz ent­hält. Es ist zwar nur ein eben­falls in Regen­bo­gen­far­ben gehal­te­nes Herz, aber Klau­nin­ger („Ich kenn mich in Sym­bo­lik aus“) will ein Dop­pel­herz und damit ein Pädo­phi­len-Sym­bol erkannt haben: „Jeder, der so ein Sym­bol trägt, unter­stützt Kin­der­schän­der.“ Die übli­che dre­cki­ge reak­tio­nä­re Glei­chung: Homo­se­xua­li­tät = Pädophilie!

Der Mann im Schot­ten­rock stellt sich als Deut­scher von den Stutt­gar­ter „Quer­den­kern“ vor und darf Selbst­kri­tik üben. Kei­ne Ahnung habe er von die­ser Sym­bo­lik gehabt und fügt hin­zu: „Das sind kei­ne Men­schen.“ Dann ist der Sata­nis­mus-Exper­te Manu­el Mit­tas dran, der sei­ne Exper­ti­se in Sachen Pädo­phi­le gleich mit dem unge­heu­er­li­chen Vor­wurf gar­niert, er habe Hin­wei­se, dass es in einem (von ihm nament­lich genann­ten) Schloss­ho­tel im Süden von Wien ritu­el­len Kin­des­miss­brauch gäbe und dass er den Namen von einem in Öster­reich, der auch im Zusam­men­hang mit Pädo­phi­lie auf­ge­ar­bei­tet gehört, lei­der nicht sagen dür­fe. Nur „Sputnik“-News sei für sei­ne Recher­chen offen.

Für den rechts­extre­men und der FPÖ nahe­ste­hen­den „Wochen­blick“ ist Klau­nin­ger so etwas wie eine Hel­din. Unter dem Titel, „Sie hat die Fah­ne zer­ris­sen: Jetzt spricht die Akti­vis­tin“, wird Klau­nin­ger am 7. Sep­tem­ber brei­ter Raum zur Selbst­dar­stel­lung ein­ge­räumt. Auch das Her­zerl-Sym­bol, das anschei­nend aus einem ziem­lich alten Leit­fa­den des FBI zur „Pädo­phi­len-Erken­nung“ stammt, prä­sen­tiert der „Wochen­blick“.

FBI "Girl Lover"

FBI „Girl Lover”

Eskimo/Langnese-Herz

Eski­mo/Lang­ne­se-Herz

Damit ist klar, dass das FBI-Pädo­phi­len-Sym­bol weit­aus mehr mit dem „Eskimo“-Herz gemein­sam hat als mit dem von der Regen­bo­gen­flag­ge: eigent­lich deckungs­gleich, nur sei­ten­ver­kehrt. „Eskimo“-Werbung für Pädo­phi­lie? Alle „Eskimo“-Eisschlecker*innen – poten­zi­el­le Unter­stüt­zer? Gro­tesk! Aber Klau­nin­ger sagt: „Jeder, der so ein Sym­bol trägt, unter­stützt Kin­der­schän­der.“ (Und tat­säch­lich gibt es Pos­ter, die glau­ben, dass Eskimo/Langnese nicht zufäl­lig ein Dop­pel­herz als Logo haben und zu dem Coup mit der Fah­ne auch des­we­gen gratulieren.)

Eskimo/Langnese bei Corona-Leugnern unter Verdacht

Eskimo/Langnese bei Coro­na-Leug­nern unter Verdacht

Klau­nin­ger sieht sich trotz ihrer Het­ze in ers­ter Linie als Opfer. Sie habe auch Homo­se­xu­el­le in ihrem Freun­des­kreis. Die wür­den zu ihr ste­hen, anders als das deut­sche „Querdenken“-Bündnis, ver­rät sie dem „Wochen­blick“: „Mit den Quer­den­kern möch­te sie zukünf­tig daher nicht mehr zusam­men­ar­bei­ten, ver­riet sie Wochen­blick im exklu­si­ven Gespräch.“ Was sich in die­sem „Wochenblick“-Statement anbahnt, setzt sich im Ver­lauf des 7. Sep­tem­ber dann fort: der Bruch bei den „Quer­den­kern“.

Als Klau­nin­ger, Mit­tas und Schmidt am Abend bei der Pro­test­kund­ge­bung „Dem Hass kei­nen Platz“ auf­tau­chen, wer­den sie damit kon­fron­tiert, dass sich „Quer­den­ken“ in einer öffent­li­chen Erklä­rung von den het­ze­ri­schen Aktio­nen distan­ziert und „für den skan­da­lö­sen Vor­fall“ ent­schul­digt hat. Der ers­ten Distan­zie­rung folgt dann spä­ter noch eine aus­führ­li­che­re, aktua­li­sier­te Vari­an­te, in der das Zer­rei­ßen der Flag­ge als Gewalt­tat cha­rak­te­ri­siert und der Staats­an­walt­schaft Koope­ra­ti­on bei der Auf­klä­rung, auch bei der nament­li­chen Beschul­di­gung eines Hotels in Zusam­men­hang mit ritu­el­lem Kin­des­miss­brauch, ange­bo­ten wird. Die Erklä­rung ist gezeich­net von „Quer­den­ken Öster­reich“ – die Exponent*innen der Wie­ner Abtei­lung „querdenken‑1.at“ waren da nicht mehr an Bord.

Am 9. Sep­tem­ber ver­an­stal­tet Harald Schmidt von der rechts­extre­men „Coro­na-Quer­front“ ein unter­ir­di­sches Pres­se­ge­spräch mit Jen­ni­fer Klau­nin­ger, bei dem sie einer­seits erklärt, „Ich habe genau rich­tig gehan­delt“, ande­rer­seits dar­auf beharrt, dass sie nicht die LGBTIQ-Com­mu­ni­ties, son­dern die Pädo­phi­len mit dem Zer­rei­ßen der Flag­ge gemeint haben will. Dazu passt aller­dings gar nicht, dass sie die „Com­mu­ni­ties von Homo- und Trans­se­xu­el­len“ mehr­mals auf­for­dert, sich von den Pädo­phi­len zu distan­zie­ren. Die Wider­sprüch­lich­kei­ten und Het­ze­rei­en von Klau­nin­ger sind das eine, das brau­ne Gerau­ne von Schmidt über die Ver­qui­ckun­gen des kapi­ta­lis­ti­schen Staa­tes in die Pädo­phi­lie das ande­re. QAnon lässt grü­ßen! Hoch­ran­gi­ge Orga­ne des Staa­tes, dar­un­ter auch Rich­ter und Staats­an­wäl­te sei­en dar­an betei­ligt: Unter­tags spre­chen sie Recht, in der Nacht gehen sie in das Haus. In wel­ches, ergibt sich aus dem Kontext.

Die Exponent*innen von „Querdenken‑1.at“ (also die Wie­ner Abtei­lung) haben mitt­ler­wei­le den Bruch voll­zo­gen. Nach­dem Han­nes Bre­jcha, der Spre­cher der Wie­ner „Quer­den­ker“ zunächst noch etwas gejam­mert hat, „bit­te lasst uns wei­ter­hin zusam­men­hal­ten“, ver­kün­det er jetzt die Spal­tung: „Um die Com­mu­ni­ty zu ret­ten muss­te Plan B her ! Wir las­sen Uns nicht mehr spal­ten ! Zulan­ge kämpf­te ich mit mei­nen Freun­den um den Zusam­men­schluss Aller Grup­pen ! Wir sind stark, Wir haben Kraft, Wir wer­den Sie­gen.

Brejcha verkündet Spaltung: von Querdenken zu Fairdenken

Bre­jcha ver­kün­det Spal­tung: von Quer­den­ken zu Fairdenken

Die Grup­pe um Bre­jcha, Klau­nin­ger, Mit­tas, Rut­ter und die offen Rechts­extre­men von der „Coro­na-Quer­front“ nen­nen sich jetzt „Fair­den­ken“ (statt „Quer­den­ken“) und mobi­li­sie­ren für die nächs­te Demo am 19.9., für die – wohl nicht zufäl­lig – auch Inge Rauscher von der rechts­extre­men Initia­ti­ve Hei­mat & Umwelt als Red­ne­rin ange­kün­digt ist. Im Ter­min­plan von „Quer­den­ken Öster­reich“ fehlt die­ser Termin.

Rauschers rech­te Trup­pe ruft schon seit Mona­ten zu einer „bun­des­wei­ten Groß­de­mons­tra­ti­on“ für Ende Sep­tem­ber auf, die wie­der­um von „Quer­den­ken“ bewor­ben wird und bei der – ent­ge­gen dem rea­len Trend – das „Ende der Plan­de­mie“ ver­kün­det wer­den soll. Da wer­den dann wohl trotz Spal­tung alle Coro­na-Initia­ti­ven wie­der dabei sein wol­len: Rechts­extre­me, Ver­schwö­rungs­hei­nis, Impf­geg­ner und die, die kein Pro­blem haben mit sol­chen Verbündeten.

Fairdenken-Demo mit Inge Rauscher

Fair­den­ken-Demo mit Inge Rauscher

"Querdenken" bewirbt Demo der rechtsextremen "Umwelt und Heimat"

„Quer­den­ken” bewirbt Demo der rechts­extre­men „Umwelt und Heimat”