Wochenschau KW 12/19

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Neben einem nicht rechts­kräf­ti­ger Schuld­spruch in der Cau­sa einer FPÖ-Ex-Gemein­de­rats­kan­di­da­tin, auf deren Face­book-Account „ein Volk ein Reich ein Füh­rer” als Lieb­lings­zi­tat pran­ger­te und der IGGÖ, die Vize­kanz­ler Stra­che wegen des Ver­dachts auf Ver­het­zung zur Anzei­ge brach­te, beschäf­ti­gen uns dies­mal meh­re­re Par­la­men­ta­ri­sche Anfra­gen, deren Ant­wor­ten aus dem Hau­se Moser und Kickl uns ver­blüfft haben.

Bezirk Oberpullendorf/Bgld.): ein­stim­mi­ger Schuld­spruch für EX-FPÖ-Gemeinderatskandidatin
Wien: IGGÖ zeigt Vize­kanz­ler Stra­che an
Par­la­men­ta­ri­sche Anfra­gen I: Moser und Kickl wis­sen nicht, wie vie­le Rechts­extre­me auf der Flucht sind
Par­la­men­ta­ri­sche Anfra­gen II: Neo­na­zi-Sän­ger bei der Ger­ma­nia Ried

Bezirk Oberpullendorf/Bgld.: ein­stim­mi­ger Schuld­spruch für EX-FPÖ-Gemeinderatskandidatin

Sie hat­te 2017 das Ziel, die FPÖ in ihrem Ort in den Gemein­de­rat zu brin­gen, was nicht gelang. Die Kan­di­da­tin hat­te jedoch kurz vor der Wahl auch an ande­rer Front zu kämp­fen, nach­dem öffent­lich gewor­den war, dass als „Lieb­lings­zi­tat“ auf ihrem  Face­book-Account „ein Volk ein Reich ein Füh­rer“ zu sehen war. Die ers­te Erklä­rung: Jemand habe ihr FB-Pro­fil gehackt. Die ange­kün­dig­te Anzei­ge bei der Poli­zei blieb dann aus, denn: „Sie wis­sen ja, wie schnell das geht, man mel­det sich nicht ab, ver­lässt kurz sei­nen Platz, da kann jeder etwas rein­schrei­ben.“ (derstandard.at, 28.9.17)

Lieblingszitate: "ein Volk ein Reich ein Führer" (Screenshot September 2017)

Lieb­lings­zi­ta­te: „ein Volk ein Reich ein Füh­rer” (Screen­shot Sep­tem­ber 2017)

Letz­te Woche, am 18.3., stand die geschei­ter­te Kan­di­da­tin in Eisen­stadt vor Gericht und wie­der­hol­te die Ver­si­on, eine ande­re Per­son habe das Zitat auf ihrem FB-Account plat­ziert. „Mit ihrem Han­dy sei sie leicht­fer­tig umge­gan­gen, habe es ohne Pass­wort-Schutz ande­ren über­las­sen.“ (bvz.at, 20.3.19)

Eben­falls vor Gericht sag­te jener Par­tei­kol­le­ge aus, der die Frau kon­tak­tier­te, als ihr merk­wür­di­ger Ein­trag öffent­lich wur­de: „‚Wenn man so etwas hör­te, schau­te man, dass die Per­son aus der Par­tei aus­ge­schlos­sen wird‘, berich­te­te jener FPÖ-Funk­tio­när, der Ende Sep­tem­ber 2017 die Ange­klag­te ver­stän­digt hat­te. Er ken­ne die ehe­ma­li­ge Gemein­de­rats-Kan­di­da­tin ‚als lie­be­vol­le Mut­ter und net­te Gretl‘ und traue ihr nicht zu, ‚dass sie so einen Blöd­sinn schreibt‘. Der Funk­tio­när führ­te wei­ter aus: ‚Wir haben ande­re Mit­glie­der, die lei­der das Hirn nicht ein­schal­ten. Es ist müh­sam, mit sol­chen Leu­ten zu agieren.’“

Die acht Geschwo­re­nen sahen die Ange­le­gen­heit offen­bar anders und spra­chen die Ange­klag­te ein­stim­mig schul­dig: Das nicht rechts­kräf­ti­ge Urteil; ein Jahr bedingt.

Wien: IGGÖ zeigt Vize­kanz­ler Stra­che an

Es reicht, mein­te der Vor­sit­zen­de der Isla­mi­schen Glau­bens­ge­mein­schaft Öster­reich (IGGÖ), Ümit Vural, und zeig­te Vize­kanz­ler Heinz-Chris­ti­an Stra­che wegen des Ver­dachts auf Ver­het­zung an. Der Anlass: eine Buch­prä­sen­ta­ti­on mit dem ins Rechts­extre­me abge­rutsch­ten deut­schen Ex-SPD-Poli­ti­ker Thi­lo Sar­ra­zin, der von der FPÖ zur Islam­ex­per­tin geadel­ten Lai­la Mir­zo und Harald Vilims­ky, bei der Stra­che u.a. behaup­te­te, es gebe in Wien „150 und mehr isla­mi­sche Kin­der­gär­ten, wo dann, wie ja auch auf­ge­deckt wer­den konn­te, mit Hass­pre­dig­ten die Kin­der zu Mär­ty­rern erzo­gen wer­den sol­len, sich ver­klei­den als Sol­da­ten und für den ‚Isla­mi­schen Staat‘ als Kämp­fer auf­tre­ten sol­len, mit Maschi­nen­pis­to­len und Hand­gra­na­ten und Ver­herr­li­chung isla­mis­ti­scher Ter­ro­ris­ten. Das alles hat es an den Wie­ner Schu­len gege­ben“. Bele­ge dafür blieb Stra­che natur­ge­mäß schul­dig. Dafür setz­te Vilims­ky fort und orte­te in der kom­men­den Euro­pa­wahl „Mäch­te, die dort gegen einen antre­ten“, die „dunk­ler und stär­ker“ (diepresse.com, 15.3.19) sei­en als jene in Öster­reich. Wir ver­zich­ten auf eine Kommentierung.

Par­la­men­ta­ri­sche Anfra­gen I: Moser und Kickl wis­sen nicht, wie vie­le Rechts­extre­me auf der Flucht sind

Par­la­men­ta­ri­sche Anfra­gen sind ein belieb­tes Mit­tel der Oppo­si­ti­on, um zu bestimm­ten Sach­ver­hal­ten Auf­klä­rung zu erhal­ten. Manch­mal för­dern die Ant­wor­ten der Regie­rungs­mit­glie­der – sofern es wel­che gibt – auch Ver­blüf­fen­des zuta­ge. So gesche­hen bei der Anfra­ge der Abge­ord­ne­ten Alma Zadić (Lis­te Jetzt) an Innen­mi­nis­ter Her­bert Kickl und Jus­tiz­mi­nis­ter Moser. Zadić woll­te von den bei­den wis­sen, wie vie­le in Öster­reich zur Haft aus­ge­schrie­be­ne Rechts­extre­me flüch­tig sind. Die Ant­wort von Moser: „Die Anfra­ge­stel­ler begeh­ren mit Ihrer Anfra­ge Zah­len­ma­te­ri­al über Per­so­nen aus dem rechts­extre­men, rassistischen/fremdenfeindlichen und/oder anti­se­mi­ti­schen Milieu. Mir lie­gen dazu weder ein­schlä­gi­ge Infor­ma­tio­nen vor noch kann auf auto­ma­ti­ons­un­ter­stütz­tem Weg eine sol­che Aus­wer­tung erbracht werden.“

Ähn­lich die Ant­wort von Kickl: „Anfra­ge­be­zo­ge­ne Sta­tis­ti­ken wer­den nicht geführt.“

Wir hal­ten fest: Wir wis­sen, wie vie­le Per­so­nen auf­grund wel­cher rechts­extrem moti­vier­ten Delik­te ange­zeigt wer­den. Wir wis­sen auch, wie vie­le davon auf­grund wel­cher Delik­te vor Gericht lan­den und wie vie­le davon ver­ur­teilt wer­den. Aber Moser und Kickl wis­sen angeb­lich nicht, wie vie­le von den – nicht all­zu vie­len – zu einer Haft Ver­ur­teil­ten auf der Flucht sind? Kickl gibt an, es wer­de der­zeit im Wege des Schen­ge­ner Infor­ma­ti­ons­sys­tems nach ins­ge­samt 1.154 Per­so­nen gefahn­det. Das ist eine über­sicht­li­che Zahl. Dass es hier nicht mög­lich ist, die­je­ni­gen raus­zu­fil­tern, gegen die etwa wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ein Haft­be­fehl vor­liegt, ist ent­we­der einem erstaun­li­chen Des­in­ter­es­se geschul­det oder der Ver­wei­ge­rung, ent­spre­chen­de Anga­ben der Abge­ord­ne­ten Zadić zur Ver­fü­gung zu stellen.

Aus­ge­löst wur­de die Anfra­ge von Zadić wohl durch einen Bericht aus Deutsch­land, wonach Abge­ord­ne­te aus der Frak­ti­on „Die Lin­ke“ in einer sehr detail­lier­ten „klei­nen Anfra­ge“ u.a. wis­sen woll­ten: „Gegen wie vie­le Neo­na­zis lagen zum Zeit­punkt der letz­ten Erfas­sung (bit­te Datum ange­ben) wie vie­le nicht voll­streck­te Haft­be­feh­le vor?“ und: „Wie vie­le Per­so­nen, gegen die seit mehr als einem hal­ben Jahr ein Haft- befehl vor­liegt, befin­den sich nach Erkennt­nis­sen der Sicher­heits­be­hör­den län­ger­fris­tig im Aus­land, und inwie­fern ist ihr Auf­ent­halts­land bekannt (ggf. bit­te nach den fünf wich­tigs­ten Län­dern aufgliedern)?“

Die Beant­wor­tung der Anfra­ge umfasst ins­ge­samt 30 Sei­ten, wir erfah­ren dar­aus nicht nur die Anzahl der flüch­ti­gen Neo­na­zis („PMK – poli­tisch moti­vier­te Kri­mi­na­li­tät – rechts“), son­dern auch, wel­che sich von ihnen mut­maß­lich im Aus­land auf­hal­ten, näm­lich 6 in Österreich.

Es ist nun nicht neu, dass Neo­na­zis meist ver­netzt sind, auch über das Hei­mat­land hin­aus. Deut­sche Neo­na­zis unter­hal­ten tra­di­tio­nell Bezie­hun­gen zu Öster­reich und umge­kehrt. Erst vor weni­gen Mona­ten haben wir von den Ver­bin­dun­gen eines aus der Haft geflüch­te­ten Mör­ders berich­tet, der in einem Neo­na­zi-Bau­ern­hof in Sach­sen-Anhalt auf­ge­grif­fen wurde.

Das heißt, dass eine Suche nach flüch­ti­gen Neo­na­zis ziel­ge­rich­tet bei ande­ren Neo­na­zis im In- und Aus­land erfol­gen soll­te. Dazu müss­ten die Behör­den aller­dings wis­sen, wel­chem poli­ti­schem Milieu die­je­ni­gen zuzu­ord­nen sind, gegen die ein Haft­be­fehl vor­liegt. „Zadić for­dert nun eine Umstel­lung des Sys­tems und eine Wie­der­auf­nah­me der jähr­li­chen Rechts­extre­mis­mus­be­rich­te. Für die Sicher­heits­spre­che­rin von Jetzt ist es ‚gera­de ange­sichts der kürz­lich auf­ge­deck­ten gewalt­be­rei­ten rechts­extre­men Netz­wer­ke bedenk­lich, dass hier offen­sicht­lich kei­ne ent­spre­chen­den Daten­ban­ken geführt wer­den‘.“ (derstandard.at, 20.3.19) Übri­gens: In Deutsch­land wer­den die­se Zah­len bereits seit 2012 erfasst. Wir gehen stark davon aus, dass es dafür einen guten Grund gibt.

Par­la­men­ta­ri­sche Anfra­gen II: Neo­na­zi-Sän­ger bei der Ger­ma­nia Ried

Der Lie­der­abend mit dem Neo­na­zi Fyl­gi­en in der Bude der Ger­ma­nia zu Ried hat­te – sen­si­bi­li­siert durch die Lie­der­buch-Affä­ren in der Ger­ma­nia Wie­ner Neu­stadt und Bru­na Sude­tia im letz­ten Jahr für Wir­bel gesorgt, der zu einer Sach­ver­halts­dar­stel­lung an die Staats­an­walt­schaft Ried und danach zu einer Par­la­men­ta­ri­schen Anfra­ge mit etwas unbe­frie­di­gen­den Ant­wor­ten durch Her­bert Kickl führ­te. Damals berief sich Kickl noch auf die lau­fen­den Ermitt­lun­gen, die ihn dar­an gehin­dert haben, nähe­re Aus­künf­te zu erteilen.

Die SPÖ-Abge­ord­ne­te Sabi­ne Schatz setz­te nach Ein­stel­lung der Ermitt­lun­gen nach und woll­te von Innen­mi­nis­ter Kickl und Jus­tiz­mi­nis­ter Moser Genaue­res zum Ablauf der Ermitt­lun­gen wissen.

In Mosers und Kick­ls Ant­wort erfah­ren wir, wann Karl Öllin­ger sei­ne Sach­ver­halts­dar­stel­lung an die Staats­an­walt­schaft Ried über­mit­telt hat. Wir erfah­ren zudem, dass nur zwei Per­so­nen, bei­de Mit­glied der belas­te­ten Bur­schen­schaft, ver­nom­men wur­den. Es waren, so inter­pre­tie­ren wir aus den Anfra­ge­be­ant­wor­tun­gen, kei­ne Bur­schen, die mit der zu unter­su­chen­den Cau­sa und dem Vor­wurf der Wie­der­be­tä­ti­gung zu tun hat­ten. Wei­ters wird dar­über infor­miert, dass es bei der Bur­schen­schaft auch kei­ne Haus­durch­su­chung gege­ben hat, „weil auf­grund der Sach­la­ge kein Anlass für eine sol­che Ermitt­lungs­maß­nah­me vor­lag“ (Moser). 

Die wohl ori­gi­nells­te Ant­wort folg­te auf die Fra­ge „Gab es nach­träg­lich einen Bericht zu dem rechts­extre­men Musi­ker ‚Fyl­gi­en‘ durch die Staats­an­walt­schaft? a) Wenn nein, war­um nicht?“: 
„Nein. Nach dem Abschluss­be­richt und dem Zwi­schen­be­richt des Lan­des­amts für Ver­fas­sungs­schutz und Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung Ober­ös­ter­reich wur­den am besag­ten Lie­der­abend kei­ne rechts­extre­men bzw. natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Lie­der gesun­gen.“ 

Zusam­men­fas­send: Es wer­den aus­schließ­lich zwei Per­so­nen aus der ver­däch­tig­ten Bur­schen­schaft befragt, die ange­ben, der Nazis­än­ger habe kei­ne Nazi­lie­der gesun­gen, und das war es offen­bar. Gab es kei­ne Befra­gung, wer denn den Nazis­än­ger samt den ihn beglei­ten­den Kame­ra­den vom Netz­ra­dio Ger­ma­nia zur Füh­rung nach Brau­nau vors Hit­ler-Haus beglei­tet hat?

Das Netzradio Germania am 15. Mai 2017 über den Besuch bei der Germania Ried und in Braunau (Screenshot Facebook, 16.6.18)

Das Netz­ra­dio Ger­ma­nia am 15. Mai 2017 über den Besuch bei der Ger­ma­nia Ried und in Brau­nau (Screen­shot Face­book, 16.6.18)

Wur­den nicht jene zwei Per­so­nen befragt, die mut­maß­lich mit der gehei­men Ein­la­dung zum angeb­lich so harm­lo­sen Bal­la­den­abend direkt oder indi­rekt zu tun hat­ten, näm­lich der Ehe­mann der Drit­ten Natio­nal­rats­prä­si­den­tin Wolf­gang Kitz­mül­ler, der als Kon­takt für die im Ein­la­dungs­schrei­ben ange­ge­be­nen Mail­adres­se fun­gie­ren soll und J.B., der das Schrei­ben gezeich­net hat? Ganz ehr­lich: Über die­se Ermitt­lun­gen darf man sich doch sehr wundern.