Germania Ried: Kickls Lücken

Aus den Oberöster­re­ichis­chen Nachricht­en erfährt man mehr über die strafrechtlichen Ermit­tlun­gen zur pen­nalen Burschen­schaft „Ger­ma­nia Ried“ als durch eine par­la­men­tarische Anfrage an den Innen­min­is­ter. Das sollte eigentlich nicht so sein. Noch weniger allerd­ings, dass der Innen­min­is­ter in sein­er Anfrage­beant­wor­tung nicht die Wahrheit schreibt. Oder darf der Ver­fas­sungss­chutz gewisse Zeitun­gen nicht ein­mal lesen?

Der Rei­he nach: In ihrer Aus­gabe vom 17.10.18 bericht­en die Oberöster­re­ichis­chen Nachricht­en über den Stand der Ermit­tlun­gen zum Ver­dacht der Wieder­betä­ti­gung gegen die pen­nale Burschen­schaft Ger­ma­nia Ried. Das ist jene pen­nale Verbindung, in der der oberöster­re­ichis­che Lan­desrat Elmar Pod­gorschek „Alter Herr“ ist. Ein ander­er „Alter Herr“ der pen­nalen Ger­ma­nen, der Gat­te der Drit­ten Präsi­dentin des Nation­al­rats, Wolf­gang Kitzmüller, wird als Kon­tak­t­per­son zum Mailac­count [email protected] ange­führt. Mit genau dieser Mailadresse wurde zum Konz­ert mit dem Neon­azi-Bar­den Fyl­gien im Mai 2017 auf die Bude der Ger­ma­nia Ried ein­ge­laden. Geze­ich­net war die Ein­ladung vom Burschi J.B..

Das Netzradio Germania am 15. Mai 2017 über den Besuch bei der Germania Ried und in Braunau (Screenshot Facebook, 16.6.18)

Das Net­zra­dio Ger­ma­nia am 15. Mai 2017 über den Besuch bei der Ger­ma­nia Ried und in Brau­nau (Screen­shot Face­book, 16.6.18)

Die OÖN bericht­en über die Beant­wor­tung der par­la­men­tarischen Anfrage der Abge­ord­neten Schatz (SPÖ) durch den Innen­min­is­ter, die – so die OÖN – „kaum Antworten“ brachte. Auch die Abge­ord­nete Schatz ist nicht zufrieden:

Während es Innen­min­is­ter Her­bert Kickl bei Zeitungs­bericht­en über straf­fäl­lig gewor­dene Einzelper­so­n­en gar nicht detail­liert genug sein kann, sind die Beant­wor­tun­gen aus seinem Min­is­teri­um ober­fläch­lich und auswe­ichend.” (nachrichten.at, 16.10.18)

Der Innen­min­is­ter behauptet in sein­er Anfrage­beant­wor­tung näm­lich, dass es keine Ermit­tlun­gen gegen die Burschen­schaft Ger­ma­nia Ried gäbe, betont aber ander­er­seits bei den meis­ten Fra­gen, dass er sie nicht beant­worten könne, „um allfäl­lige Ermit­tlungsergeb­nisse nicht zu kon­terkari­eren“. Vielle­icht liegt’s auch daran, dass nach Ermit­tlun­gen des Bun­de­samtes für Ver­fas­sungss­chutz (BVT) gefragt wurde und nicht nach solchen des unter­ge­ord­neten Lan­desamtes für Ver­fas­sungss­chutz und Ter­ror­is­mus­bekämp­fung OÖ. Da scheint der Herr Min­is­ter genau, sehr genau zu sein.

Die OÖN haben jeden­falls wegen der Kickl’schen Infor­ma­tion­slück­en bei der zuständi­gen Staat­san­waltschaft nachge­fragt und die Auskun­ft erhal­ten, dass die Ermit­tlun­gen noch einige Wochen dauern wür­den. Der Sprech­er der Staat­san­waltschaft Ried: „Die Ermit­tlun­gen nach dem Ver­bots­ge­setz des Lan­desamts für Ver­fas­sungss­chutz gegen unbekan­nte Täter rund um ein Konz­ert bei der Ger­ma­nia Ried sind noch nicht abgeschlossen.

Daraufhin haben wir uns die Anfrage­beant­wor­tung von Kickl noch ein­mal vorgenom­men, um her­auszu­fil­tern, ob hin­ter den vie­len Antwortlück­en nicht doch noch eine geheime Botschaft ver­steckt ist – und wir haben sie gefun­den – in ein­er weit­eren Lücke!

Kickl antwortet auf die Frage, wann das Neon­azi-Konz­ert mit Fyl­gien, das am 13. Mai 2017 stattge­fun­den hat, näm­lich Folgendes:

Das Bun­de­samt für Ver­fas­sungss­chutz und Ter­ror­is­mus­bekämp­fung und das Lan­desamt Ver­fas­sungss­chutz und Ter­ror­is­mus­bekämp­fung Oberöster­re­ich erlangten erst durch einen Presseartikel vom 3. Juli 2018 Ken­nt­nis davon, dass es am 13. Mai 2017 zu einem Auftritt des deutschen recht­sex­tremen Lie­der­ma­ch­ers ‚FYLGIEN’ im Ger­ma­nen­haus bei der Rieder Mit­telschul­verbindung Ger­ma­nia (AcSV Ger­ma­nia zu Ried im Innkreis) gekom­men sein soll.“

Eine Antwort vom Fein­sten, ein echter Kickl! Was küm­mert es den Innen­min­is­ter, dass er bzw. sein Ver­fas­sungss­chutz mehr als ein Jahr lang keine Ahnung haben, dass ein deutsch­er Neon­azi, begleit­et von einem Neon­azi-Radio, auf ein­er Burschen­schafter-Bude in Ried im Innkreis seine Nazi-Lied­chen trällert und sich dann von den Burschis zu Hitlers Geburtshaus in Brau­nau führen lässt, um dort für ein Erin­nerungs­fo­to zu posieren? Und dann müssen sie das aus ein­er Zeitung erfahren, am 3. Juli 2018.

Moment, da war schon vorher was! Nein, nicht die Razz­ia im BVT, wo natür­lich Akten „in Ver­stoß“ ger­at­en sein kon­nten. Es ist das Datum: der 3. Juli 2018: Über den Auftritt von „Fyl­gien“ bei den Rieder Ger­ma­nen wurde näm­lich erst­mals im Fal­ter berichtet – Aus­gabe vom 27.6.18. Am gle­ichen Tag auch auf Stoppt­dierecht­en und – zuallererst – natür­lich auf dem Blog von Thomas Ram­mer­stor­fer, der die ganze Geschichte angestoßen hat. Am 28.6.18 erschien dann ein Bericht im Stan­dard.

Es han­delt sich bei Fal­ter und Stan­dard um Medi­en, bei denen von Kickls Min­is­teri­um den Polizei­di­en­st­stellen eine Infor­ma­tion­sein­schränkung vorgeschla­gen wurde. Vielle­icht gilt diese Infor­ma­tion­sein­schränkung auch für die umgekehrte Rich­tung? Blöd halt nur, dass am 28.6. auch heute über das Neon­azi-Konz­ert bei den Ger­ma­nen berichtete. Am 27. Juni gab es übri­gens neben den Medi­en­bericht­en auch schon die ersten Presseerk­lärun­gen von Grü­nen und der SPÖ.

Am 3.7.18 erschien dann ein Bericht in den OÖN. Der Artikel, von dem laut Kickl der Ver­fas­sungss­chutz erfahren haben will, dass es ein Jahr zuvor ein Neon­azi-Konz­ert bei der Burschen­schaft gab, bei der auch Kickls Parteikam­er­aden Pod­gorschek und Kitzmüller kor­pori­ert sind, existiert also wirk­lich. Allerd­ings erschien der erst eine Woche, nach­dem die braune Affäre bei den Rieder Ger­ma­nen aufge­flo­gen ist.

Germania Ried: Lüge oder Lücke? (1.2.2018): ad Causa Landbauer: Für die Germania Ried schließe ich solche Vorkommnisse sicher aus (Interview mit Christoph Mösenbacher von der Germania Ried)

Ger­ma­nia Ried: Lüge oder Lücke? (1.2.2018)

Wenn Kickl mit seinen Angaben die Arbeit des Ver­fas­sungss­chutzes desavouieren wollte, dann war das jeden­falls ein weit­er­er Anlauf. Oder Kickl gibt nicht nur eine weit­ere Lücke zu, son­dern eine Lüge zum Besten?

Aus dem Verfassungsschutzbericht Brandenburg zu Fylgien (https://verfassungsschutz.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.602314.de): Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet

Aus dem Ver­fas­sungss­chutzbericht Bran­den­burg zu Fyl­gien (https://verfassungsschutz.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.602314.de)