Spektakuläre Pressekonferenz am 29. Juni 2023, am Podium fanden sich gleich fünf hochrangige Herren ein: Innenminister Karner, Franz Ruf, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner, der Leiter des Bundeskriminalamtes Andreas Holzer und der Leiter der Staatsanwaltschaft Ried, Alois Ebner. Sie verkünden einen großen Ermittlungserfolg, einen „Schlag gegen die rechtsextreme Rockerkriminalität“. „Wir nehmen den Kampf gegen die organisierte Kriminalität und extremistische Gruppierungen sehr ernst“, betonte Ruf, „[w]enn Rechtsextremismus und organisierte Kriminalität in einer kriminellen Vereinigung aufeinandertreffen, entsteht eine höchst verfassungsgefährdende Lage, in der die DSN konsequent einschreiten muss“, setzte Haijawi-Pirchner nach.
Sechs Personen wurden nach 13 Hausdurchsuchungen verhaftet, insgesamt liefen Ermittlungen gegen 34 Beschuldigte. (vgl. bmi.gv.at, 29.6.25) Im Mittelpunkt stand die Bikergruppe „Bandidos“, die sich, so in der Pressekonferenz, in Österreich ausbreiten wollte. Bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Hells Angels seien geplant gewesen. Ein „Rockerkrieg”, hieß es dann vielfach in den Medien. Die Vorwürfe reichten von Bildung einer kriminellen Organisation, Verstöße gegen das Waffen‑, Kriegsmaterial‑, Suchtmittel- bis zum Verbotsgesetz.
Nun, fast zwei Jahre später, ist es Zeit für eine Bilanz über die abgeschlossenen Verfahren und darüber, was aus den ursprünglichen Vorwürfen geworden ist. Anklagen gab es bisher nach dem Waffen‑, Suchtmittel- und Verbotsgesetz. Aus der bei der Pressekonferenz prominent betonten „organisierten Kriminalität“ (§ 278 bzw. 278a) scheint zumindest den Anklagen nach nichts mehr übrig geblieben zu sein.
Der Fall Null
Der deutsche Staatsbürger Dennis M. wollte am 25.11.22 von Österreich kommend den Grenzübergang Simbach passieren. Bei einer Zufallskontrolle fanden die Zollbeamten zahlreiche in Österreich erstandene Waffen. Nach der Verhaftung von M. wurde der ehemalige Co-Chef des neonazistischen „Objekt 21“ überwacht. M. wurde am 17.7.23 am Landgericht Landshut zu vier Jahren Haft verurteilt.
Manuel S. (I)
Die erste Anklage gegen Manuel S. („Speedy“) erfolgte nach dem Suchmittelgesetz (Vorbereitung zum Suchtgifthandel). Er wurde am 20.10.23 in Ried zu 18 Monaten unbedingt verurteilt. Das OLG Linz erhöhte die Strafe auf 24 Monate unbedingt.
Erwin H. (I)
Auch gegen Erwin H. erfolgte die erste Anklage nach dem Suchtmittelgesetz. Verurteilung am 9.11.23 in Ried zu 24 Monaten unbedingt. Ende Oktober 2024 bedingt entlassen und sofort wieder in U‑Haft genommen.
Michael K.
Am 7.2.24 musste sich Michael K. am Landesgericht Wels wegen Verstößen nach dem Verbots- und Waffengesetz verantworten. Er wurde zu einer bedingten Haftstrafe von zehn Monaten und einer unbedingten Geldstrafe über 1.440 Euro verurteilt.
Manuel Ö. (I)
Nach dem Verbotsgesetz (Versand von einschlägigem Bild- und Videomaterial) wurde Manuel Ö. am 15.4.24 in Ried zu zwölf Monaten bedingt verurteilt. Das OLG erhöhte auf 18 Monate.
Manuel S. (II)
Das bislang erstaunlichste Urteil fiel am 21.10.24 in Ried: Der Langzeit-Neonazi Manuel S. wurde vom Vorwurf der Wiederbetätigung freigesprochen.
Patrick. B., Haris D., Manuel Ö. (II), Peter P., Manuel S. (III)
Mit nur einem Urteil endete am 10.2.25 der Prozess in Ried gegen fünf Angeklagte. Peter P. wurde nach dem Waffen- und Suchtmittelgesetz zu neun Monaten unbedingt verurteilt. Für die weiteren vier nach dem Waffen- bzw. teilweise auch nach dem Suchtmittelgesetz Angeklagten geht der Prozess aufgrund einer Vertagung weiter.
Erwin H. (II)
Am 27.2.25 nahm Erwin H. erneut auf der Anklagebank in Ried Platz. Er wurde nach dem Verbotsgesetz zu zwei Jahren unbedingt verurteilt.
Beifänge
Nicole G.
Den Ermittlungen gegen ihren Lebensgefährten Manuel S. fiel auch Nicole G. zum Opfer. Sie wurde am 19.1.24 am Landesgericht Linz wegen Wiederbetätigung zu neun Monaten bedingter Haft verurteilt.
Hermann H.
Bei der Datenauswertung von Erwin H.s Handy tauchte auch Hermann H. als Chatpartner auf. Am 19.3.25 musste auch er einen unfreiwilligen Besuch beim Landesgericht Ried abstatten, konnte den Prozess nach dem Verbotsgesetz jedoch mit einem Freispruch verlassen.
Kein „Bandidos-Komplex”
Was sicher noch folgen wird, ist eine Art von Hauptprozess in diesem Komplex: jener nach dem Waffen- und Kriegsmaterialgesetz gegen Erwin H., der bereits als Waffendealer für das „Objekt 21“ fungiert hatte. Damals kam er straffrei davon. Das wird nun wohl kaum wieder der Fall sein.
Was klar ist: Der „Bandidos-Komplex” und ein geplanter „Rockerkrieg” spielten bei den bisherigen Verhandlungen keine Rolle. Es waren Waffen- und Suchtgift-Deals im organisierten Neonazismus mit einer unübersehbaren Kontinuität aus dem „Objekt 21”. Manche haben einfach weitergemacht. Das zeigt auch ein Waffen- und Sprengstofffund aus dem Februar 2025: Der Beschuldigte war eine der zentralen Figuren im „Objekt 21”.
Die Wahrscheinlichkeit, dass in dieser Causa noch weitere Prozesse stattgefunden haben, ist sehr groß. „Stoppt die Rechten“ verfügt dazu allerdings über keine Informationen.