Ried/OÖ: Freispruch wegen „anderswo“ und „unbekanntem Zeitpunkt“
Klagenfurt: „Ach, der Judenmord“
Kirchham-Wels/OÖ: Auch Nazi-Memes sind strafbar, selbst bestimmte Katzenfotos
Innsbruck: Jugendlicher IS-Sympathisant und Wiederbetätiger
Hörsching/OÖ: 13-Jährige schmierten Hakenkreuze
Ried/OÖ: Freispruch wegen „anderswo“ und „unbekanntem Zeitpunkt“
Im Verhandlungsspiegel des Landesgerichts Ried wird der Prozess wegen NS-Wiederbetätigung vom 19.3. mit dem Tatort „Pischelsdorf am Engelbach und anderswo“ angekündigt. Das spricht nicht unbedingt für Klarheit bei den Ermittlungen. Auch dass ein Teil der NS-Wiederbetätigungsdelikte „zu einem noch unbekannten Zeitpunkt“ vor dem 10.8.23 stattgefunden haben soll, irritiert. Da passt es gut dazu, dass der Angeklagte, Hermann H. (57), nicht aussagen will. Auch der Bruder und die Mutter des Angeklagten, beide als Zeugen geladen, entschlagen sich der Aussage. Das ist ihr gutes Recht, trägt im konkreten Fall, wo „anderswo“ und „unbekannter Zeitpunkt“ eine Rolle spielen, natürlich nicht zur Aufklärung bei.
Die Staatsanwaltschaft nimmt in ihren Erläuterungen zur Anklage zunächst einmal darauf Bezug, dass der Angeklagte zum Waffenlieferanten der Bandidos bzw. von Objekt 21, Erwin H., intensiven Kontakt hatte, obwohl der Zusammenhang mit den Bandidos heute nicht verhandelt würde. Die Nazi-Fotos bzw. ‑Memes, die zwischen dem Angeklagten und Erwin H. via WhatsApp gewechselt wurden, werden vorgestellt.
Was die Leidenschaft für Nazi-Kram betreffe, seien sich die beiden sehr ähnlich, erklärt der Staatsanwalt. Bei der Hausdurchsuchung in Pischelsdorf hat man nämlich eine Unmenge an Nazi-Devotionalien gefunden.
Es handelt sich um eine den Dachboden, teilweise die Garage und Nebenräume füllende Ansammlung diverser NS-Materialien von Hitlerfahnen, ‑büste, gerahmten Hitlerporträtfotos, Tresor mit NS-Aufklebern, Geschirr mit NS-Aufdruck, Liederbücher, Büchse mit Reichsmark, eine Menge an NS-Abzeichen, Bücher mit einschlägigem Inhalt, Kleidung eines NS-Marinesoldaten, Wehrmachtsuniformen, vor allem Schirmkappen, Banner aus der Volksabstimmung in Österreich, Gasmasken, Weinflaschen mit Führerbild und Spruch „Ein Reich, ein Volk, ein Führer“. (Prozessmitschrift)
Dazu ergänzt der Staatsanwalt noch, dass die bei der Verhandlung stumme Mutter des Angeklagten im Vorfeld angegeben habe, ihr Sohn habe mit dem Nazi-Kram ein NS-Museum habe einrichten wollen. Außerdem habe er Nazi-Partys veranstaltet, bei denen er in Wehrmachtsunform aufgetreten sei.
Die Verteidigung beschäftigt sich mit dem „Anderswo“. Der Angeklagte sei in der Sache geständig, aber nicht schuldig, weil er die Tatbestände eben „anderswo“, nämlich in Tschechien, gesetzt habe. Dort habe die Nazi-Party stattgefunden, die außerdem eine polizeilich angemeldete „militärhistorische Privatfeier“ in Budweis gewesen sei. Die Fotos, die zwischen ihm und dem Bandidos/Objekt 21-Waffenhändler Erwin H. gewechselt wurden, seien ebenfalls aus Tschechien abgeschickt worden, also nicht strafbar. Erwin H. ist alle Nachrichten, die er an den Pischelsdorfer geschickt hatte, einstimmig verurteilt worden.
Der Staatsanwalt weist in seinem Schlussplädoyer darauf hin, dass die Telefondaten nur sechs Monate archiviert werden, also keinen Beweis für das Entstehen der Aufnahmen in Tschechien hergeben würden. Die Verteidigung argumentiert damit, dass die Anklage die Schuld in jedem einzelnen Punkt beweisen müsse und nicht der Angeklagte seine Unschuld. Was den überbordenden Nazi-Kram in Pischelsdorf betrifft: Der H. sei eben ein Trödler und der Besitz allein nicht strafbar.
Das fanden auch die Geschworenen und sprachen den Angeklagten in allen Anklagepunkten frei. Es ist ein irritierendes Urteil, was den Besitz der NS-Devotionalien betrifft, andererseits auch ein Resultat von unzureichenden Ermittlungen.
Danke für die Prozessbeobachtung!
Klagenfurt: „Ach, der Judenmord“
Kevin O. (32) sitzt derzeit 22 Monate Haft wegen räuberischen Diebstahls ab. Neun Vorstrafen hat er bereits, und am 18.3.stand er vor dem Landesgericht Klagenfurt wegen des Verdachts der NS-Wiederbetätigung, um sich wohl eine neue Haftstrafe abzuholen. Denn die „Kronen Zeitung“ (19.3.25) vermutet, dass er sich die neue Haft quasi bestellt hat. Sie zitiert ihn mit dem tristen Satz: „Ich will nicht wieder obdachlos sein. Ich habe keine Arbeit. Ich habe nichts. Im Knast habe ich ein Bett.“
Ob das schon ausreichend erklärt, warum der Angeklagte in der Haft begann, Hakenkreuze und NS-Symbole an die Wand seines Haftraums und auf seine Hand zu malen? Offensichtlich schon – irgendwie, denn auf die Frage der vorsitzenden Richterin, ob er sich eine längere Haftstrafe wünsche, antwortete er mit einem schlichten „Ja“.
Auf der anderen Seite sind seine von der „Krone“ zitierten Äußerungen über den Nationalsozialismus nicht nur extrem abstoßend, sondern zeugen auch von einer bestimmten Kenntnis und verfestigten Haltung:
Vor rund 120 staunenden Schülern schilderte der Angeklagte sichtlich gelangweilt seine krude Sicht auf den Holocaust, nach der ihn Richterin Ute Lambauer geduldig fragt: „Ach, der Judenmord“, meint er lapidar, „der hat schon gepasst, der wird schon seinen Grund gehabt haben.“ Zudem sei Adolf Hitler lediglich ein Künstler gewesen und überhaupt wäre die NS-Zeit mit Millionen Toten insgesamt „so interessant“ und „cool“.
Zurechnungsfähig sei er, konstatierte der Gutachter, und so kassierte Kevin O. 30 Monate unbedingt, die er sofort akzeptierte.
Kirchham-Wels/OÖ: Auch Nazi-Memes sind strafbar, selbst bestimmte Katzenfotos
Kirchham ist eine kleine Gemeinde im Bezirk Gmunden. Der Alltag ist dort sicher wenig aufregend. Aber braucht man deshalb dümmliche Nazi-Memes, um sich sein Leben etwas prickelnder zu gestalten? Etwa durch eine Haftstrafe? 28 Bild- und Textnachrichten hat der Angeklagte via WhatsApp verschickt, darunter die vielfach beliebte Katze mit Hitlerbart und passender „Frisur“. Text dazu: „Wenn du die Katze nicht rauslassen kannst, weil sie möglicherweise Polen überfällt.“
Die Anklage hat sich aber nicht nur auf die Nazi-Memes gestützt, die der Kirchhamer (57) verschickt hatte, sondern auch auf Dateien, die eine Hitler-Rede enthalten haben. Da ist dann endgültig Schluss mit Lustig und den abgestandenen Ausreden, es ginge doch nur um Humor.
„Heute“ (21.3.25) berichtet nicht nur von entsprechenden entschuldigenden Debatten in seinem Forum, sondern auch vom Urteil: acht Monate bedingt, noch nicht rechtskräftig.
Innsbruck: Jugendlicher IS-Sympathisant und Wiederbetätiger
Die Latte der Anklagepunkte ist für einen, der zur Tatzeit erst 14 Jahre alt war, erschreckend lang und vielfältig. Dem mittlerweile 16-Jährigen wurden das Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b, Abs. 2 StGB, das Verbrechen der kriminellen Organisation nach § 278a StGB, das Verbrechen der NS-Wiederbetätigung nach § 3g, Absatz 1 Verbotsgesetz und Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a StGB vorgeworfen. Die Tatzeit erstreckte sich laut Anklage auf Frühling 2023 bis zum Zeitpunkt seiner Festnahme am 7.10.23, just an jenem Tag, als der mörderische Terrorangriff der Hamas auf Israel erfolgte.
Auf Antrag der Verteidigung wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Es liegt daher nur das dürre Ergebnis der Beratungen des Geschworenengerichts vor: „Die Geschworenen berieten und verhängten nicht rechtskräftig ein Jahr bedingte Haft samt Weisungen und Bewährungshilfe.“ (Tiroler Tageszeitung Imst, 22.3.25, S. 5)
Hörsching/OÖ: 13-Jährige schmierten Hakenkreuze
Zwei Buben im Alter von 13 Jahren wurden als die möglichen Täter ausgeforscht, „die seit Dezember die Außen- und Innenseite des Fahrradabstellplatzes der Mittelschule Hörsching, eine Bushaltestelle und einen Grünschnittcontainer mit drei bis vier Hakenkreuzen und dem Schriftzug Adolf Hitler „verziert“ haben sollen“, ist einem Artikel der „Kronen Zeitung“ (28.3.25) zu entnehmen. Am 17.325 zeigte die Schule die Schmierereien an. Schulleitung und Lehrer*innenteam veröffentlichten auf Facebook eine Stellungnahme. Diese Schmiererei fügt sich in eine Serie aus der letzten Zeit mit jungen Tätern – etwa in Fehring und Villach.