Die Verhandlung fand am 12. Februar vor dem Landesgericht Graz statt. Angeklagt war der südoststeirische Unteroffizier des Bundesheers, Rene A. (48). Zur Last wird ihm in der Anklage gelegt: das Delikt der NS-Wiederbetätigung nach § 3g Verbotsgesetz und ein unerlaubter Waffenbesitz. Die Sache mit dem unerlaubten Waffenbesitz ist fast nebensächlich, fürs Urteil spielt sie aber dann eine Rolle: Es geht um einen Schlagring, in den Hakenkreuz und Reichsadler eingraviert sind.
Viel wesentlicher sollte der Rest der Anklage sein. Die „Krone“ (12.2.25) zählt auf:
Laut Anklage hat sich der Mann (49) im Haus seiner Frau einen eigenen Raum eingerichtet, in dem er über hundert Nazi-Devotionalien sammelte. Darunter zwei mit Nazi-Uniformen bekleidete Kleiderpuppen, einen Altar mit Adolf Hitler-Bild darüber, zahlreiche einschlägige Bilder und Langwaffen an den Wänden, Vitrinen mit Urkunden, Abzeichen, Stahlhelme und dergleichen. Zusätzlich soll er unter falschem Namen eine Garage angemietet und auch darin die verbotenen Utensilien zum Verkauf angeboten haben. Aufgeflogen ist das Depot, weil der Vermieter die Garage nach Mietrückständen öffnete. Außerdem verschickte er Bilder per WhatsApp. Besonders verstörend: Darunter ist auch eines seines unmündigen Sohnes, der einen Stahlkappenhelm mit Hakenkreuz trägt und stramm salutiert.
Beim Alter legt die „Krone“ ein bisschen drauf, aber sonst stimmt alles in der Aufzählung – und ist trotzdem nicht ausreichend. Dank Prozessbeobachtung wissen wir etwas mehr. Als ihm der Richter die WhatsApp-Nachricht „Des Soldaten Ehre ist seine Treue“ vorhält, weiß der Herr Unteroffizier sofort, dass der Wahrspruch der SS („Meine Ehre heißt Treue“) damit nichts zu tun habe, ganz anders gehe. Dass sein Spruch mit des Soldaten Ehre jener ist, der auf der Nazi-Pilgerstätte Ulrichsberg (Kärnten) zu finden ist, bleibt unerwähnt.
Keine Erinnerung
Der Richter bohrt weiter: Von wem er den Spruch, „Ich vergesse, ich vergaß, ich vergaste“, erhalten habe? Das wisse er nicht, sagt der Angeklagte, um dann rotzfrech zu antworten: Das hätten die Sachverständigen rausfinden sollen. So geht es weiter: Von wem er seine Nazi-Bilder erhalten habe, an wen er sie weitergeschickt habe, das ist ihm fast immer nicht mehr erinnerlich.
Das Problem mit der fehlenden Erinnerung plagt nicht nur ihn, sondern auch fast alle Zeugen. Die meisten sind wegen der Nazi-Devotionalien mit ihm in Kontakt getreten. Wollten sie etwas kaufen, haben sie etwas gekauft? Das wissen sie nicht mehr, ist ihnen nicht erinnerlich. Was sie aber wissen, ist, dass sie sich damit selbst belasten könnten? Unter den Zeugen fällt einer wegen seines Nachnamens auf, der nicht nur der von der bekannten deutschen Schauspielerin Anke E., sondern auch der von dem alten NDP-Nazi Harald E. ist. Der alte Nazi ist es nicht, sondern der junge Niklas, der aber wegen plötzlicher Erkrankung vor Gericht nicht erscheinen kann. Seine Aussage wird verlesen. Er wurde auf den Angeklagten über eine Handy-Nummer aufmerksam, nahm Kontakt auf und erhielt von ihm etliches Bild-Material mit NS-Bezug. Er habe sich dann kundig gemacht und von einem Kauf Abstand genommen, weil er herausgefunden habe, dass es sich teilweise um illegales Material gehandelt habe. Der Zeuge konnte nicht befragt werden, der Angeklagte aber schon. Es ging auch um einen Ring oder mehrere. Mit den Initialen A.H..
Dazu entspann sich folgender Dialog zwischen Richter und Angeklagtem:
Richter: Was bedeutet die Abkürzung A.H.?
Angeklagter: Ich weiß es nicht, dazu muss ich das Foto sehen.
Richter: Adolf Hitler kann es nicht gewesen sein?
Angeklagter: Ich weiß es nicht.
Dem Angeklagten kann man diese angesichts seiner zahlreichen Hitler-Memorabilia absurde Antwort nicht vorwerfen. Als Angeklagter darf er auch lügen oder die Aussage verweigern – von letzterem machte übrigens seine Frau Gebrauch. Sie wird wissen, warum.
Neben den vielen Zeugen, die mit ihrer Erinnerung kämpften, war einer, der sein Gedächtnis nicht verloren hatte. Er ist ein Rom, der den Angeklagten schon lange kennt und ihm bestätigt, dass er „immer Freund“ und nie in rechtsextremen Kreisen unterwegs war.
Freispruch für „NS-Museum”
Die Geschworenen, die die Fakten zu beurteilen hatten, erhielten sieben Hauptfragen, von denen sie nur die Frage nach dem Waffenbesitz (der Schlagring, aber ohne die Bewertung vom Hakenkreuz) und die nach dem Versand von NS-Bildern und ‑Texten positiv, also mit Schuld des Angeklagten, beantworten. In drei Fragen zu den NS-Devotionalien stimmten die Geschworenen mit vier zu vier, was einen Freispruch bedeutete, in der Frage zur Lagerung der Devotionalien war der Freispruch mit zwei zu sechs noch klarer.
Das verhängte Strafmaß des noch nicht rechtskräftigen Urteils fiel entsprechend niedrig aus: 180 Tagessätze zu zehn Euro und drei Monate bedingt. „Aufgrund seines Verfahrens ist er aktuell nicht für das österreichische Bundesheer tätig“, schreibt die „Kronen Zeitung“. Das bleibt hoffentlich so!
Wir danken prozess.report für die Prozessbeobachtung!