Der 39-jährige Angeklagte gilt als (ehemaliger) Chef der österreichischen „Bandidos“, die sich unter anderem beim Neonazi Manuel S. getroffen hatten. Im Prozess ging es um Gruppenchats auf Telegram und WhatsApp. K. hinterließ in der Gruppe „The Mexican AT“ zwei Hakenkreuze, administrierte die Gruppe „Just Good Old Boys“ für dessen Gruppenlogo ausgerechnet zwei SS-Runen gewählt wurden. Dort war auch der Neonazi Manuel S. Mitglied; der Angeklagte behauptete, sich mittlerweile von seinem früheren Nachbarn distanziert zu haben.
Die raue Bandido-Vergangenheit
Michael „Mike“ K. ist kein unbeschriebenes Blatt. Zwei Vorstrafen hat er in Österreich kassiert: 2013 und 2016 wegen Vergehen nach dem Waffen- und dem Suchtmittelgesetz. Ob er sich im aktuellen Komplex noch wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz verantworten muss, ist aktuell nicht klar. Sicher ist allerdings, dass Michael K. in der Schweiz noch ein Berufungsverfahren vor sich hat. 2022 war er in Bern erstinstanzlich wegen versuchter schwerer Körperverletzung zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren und einem Landesverweis für acht Jahre verurteilt worden. Er soll mit einem versteiften Elektrokabel 15-mal auf den Kopf eines Rivalen der „Hells Angels“ eingeschlagen haben. Dabei soll er auch einen Schlagring verwendet haben, bis sein Opfer zu Boden ging.
Kirtagsklumpert-Schlagring
Die Schweizer Episode war in Wels kein Thema, aber um einen sichergestellten Schlagring ging es auch dort. Den schilderte Michael K. jedoch als „Kirtagsklumpert“, mit dem man sich eher selbst verletzen könne. Vor seinem schlagkräftigen Wirken in der Schweiz war Michael K. übrigens in Spanien aktiv – beim Chapter Malaga der „Bandidos“.
Im Vorfeld seiner Verhandlung gab sich K. durch und durch unschuldig. In einem Interview mit den „Oberösterreichischen Nachrichten“ (20.10.23) beteuerten die beiden Bandidos „Joe“ und „Mike“, dass sie den Waffendealer Erwin H. nicht kennen würden, mit Waffen(handel) nichts zu tun hätten, mit Suchtgifthandel sowieso nicht. Die Bezeichnung „Rechtsrocker“ wiesen die beiden Männer ebenso entrüstet zurück wie den Vorwurf des Rechtsextremismus. Einen Höhepunkt der Litigation-PR stellte die Antwort auf die Frage, ob es denn Mitglieder mit NS-Tattoos gebe, da: „Das ist bei uns nicht erlaubt. Wenn jemand so etwas hat, muss es übertätowiert werden.”
NS-Kampfrune im Gesicht
Supersauber also? Nicht ganz. Michael K. ist mit einer Tyr-Rune – im NS als Kampfrune bezeichnet – beim Prozess aufgetaucht. Das scheint niemandem aufgefallen zu sein und war auch zuvor kein Gegenstand der Ermittlungen, obwohl die Rune in seinem Gesicht deutlich zu erkennen ist. Die acht sichergestellten Nazi-Bücher seien bloß Überbleibsel vom Großvater, der mittlerweile in einem anderen Teil des Hauses lebt. Nachdem nur die zwei Ausgaben von „Mein Kampf“ explizit in der Anklageschrift aufgeführt waren und man sich für die anderen Fundstücke weniger interessierte, wurden letztendlich auch nur diese angeklagt. Hinzu kam trotz eines aufrechten Waffenverbots der Besitz einer Pistole und eines Revolvers, also zwei Schusswaffen der Kategorie B. Nicht angeklagt, aber kurz thematisiert, wurden auch weitere Fundstücke im Keller des Angeklagten: unter anderem eine Reichskriegsflagge, ein Foto eines Unbekannten mit Hitlergruß sowie unzählige Songs der Neonazi-Bands „Stahlgewitter“ und Sturmgewehr“.
Die jüngste Reform des Verbotsgesetzes sorgte auch in diesem Fall für einen geringeren Strafrahmen. Der Prozess endete mit einer nicht rechtskräftigen Verurteilung zu zehn Monaten bedingt und einer unbedingten Geldstrafe von 1.440 Euro. Nur für den Besitz der beiden Ausgaben von Hitlers „Mein Kampf“ erfolgte ein Freispruch.
Von der Bildung einer kriminellen Vereinigung, über die im Nachfeld der Hausdurchsuchungen im Sommer 2023 seitens der Behörden gesprochen wurde (hochgefährliches Zusammenspiel von Rockern und Neonazis), war in den bisherigen Prozessen nicht die Rede – auch nicht im Fall von Michael K..
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!