Den Angeklagten kennen wir schon seit geraumer Zeit. Er war neben Jürgen W., Drahtzieher und Boss der schwer kriminellen Neonazi-Gruppe „Objekt 21“, die vor rund 15 Jahren nicht nur auf ihrem Bauernhof in Windern 21 (darum O 21), sondern quer durch Österreich und durch die verschiedenen Strafrechtsdelikte ihr Unwesen getrieben hatte. Manuel S., nicht zufällig „Speedy“ genannt, war damals der Gründer und Vereinsobmann vom „Kulturverein Objekt 21“ und kassierte 2013 für sein bescheiden kulturelles, dafür höchst kriminelles und braunes Wirken fünf Jahre und elf Monate unbedingt – all inclusive.
Hat irgendjemand angenommen, dass der „Speedy“ geläutert die Haftanstalt verlassen würde? Vermutlich nicht einmal er selbst. 2021 kassierte er so nebenbei zwei Jahre bedingt – damals ausschließlich wegen NS-Wiederbetätigung. Die sanfte Ermahnung des Landesgerichts Ried wurde vom „Speedy“ allerdings eher als Freibrief verstanden. Als im Juni 2023 die kriminelle Mischung von Bandidos und Neonazis in Oberösterreich aufflog, war es daher keine Überraschung, dass der „Speedy“ mitten dabei war. Naja, ein bisschen überraschend war es schon: der „Speedy“ ein Rocker? Mit einer Harley? Eine schnelle Maschine wurde nicht gesichtet bei Manuel S., aber „Speed“ schon. Die „Bandidos“ sind eben fast so vielseitig wie die Kameraden vom früheren „Objekt 21“.
In der neuen ersten Runde machte das für den „Speedy“ zwei Jahre unbedingt wegen Suchtmittelhandels. Da war aber schon klar, dass es noch einen Nachschlag geben würde. Der erste wegen NS-Wiederbetätigung fand am 21. Oktober statt – wieder vor dem Landesgericht Ried im Innkreis. „Speedy“ wurde aus der Haft vorgeführt. Fast 44 Jahre ist er demnächst und hat von seinem Erwachsenenleben schon einige Jahre hinter Gittern verbracht. Dementsprechend trist gestalten sich auch die anderen Abschnitte seines Erwachsenenlebens. Wegen offener Schulden musste er das Haus seiner Eltern verkaufen, Kinder hat er „offiziell nicht“, dafür aber zwei Bandscheibenvorfälle. Mit der beabsichtigten Hochzeit ist auch nichts weitergegangen in den letzten Jahren. Seine Verlobte Nicole G., die im Jänner in Linz wegen Wiederbetätigung und Verstoßes gegen das Waffengesetz neun Monate bedingt (nicht rechtskräftig) ausgefasst hat, muss weiter warten.
Die als Zeugin bestellte Verlobte ist nicht zur Verhandlung erschienen, obwohl es in der Verhandlung um Tattoos ging, die sie ihrem Liebsten und einem anderen Nazi, dem „Krafti“ (Tino K.), gestochen hat. Ihr Nichterscheinen war aber das geringste Problem dieser Verhandlung. Nach einigen technischen Schwierigkeiten wurden Videoaufnahmen ihrer Einvernahme eingespielt.
Als wesentlich größeres Problem stellte sich der Umstand heraus, dass die Staatsanwältin zeitgleich zur Verhandlung auch noch den Journaldienst für die Staatsanwaltschaft Ried zu bewältigen hatte. Wie das? Urlaubs- und Krankheitsfälle in der ohnehin knapp besetzten Staatsanwaltschaft. Und wie geht das? Eigentlich gar nicht. Eine halbe Stunde nach Beginn der Verhandlung muss die Staatsanwältin zum ersten Mal ans Handy, geht raus, um kurz zu telefonieren. Um 11h18 folgte der nächste Anruf für den Journaldienst – kurze Unterbrechung, um 12h06 wieder ein Anruf (unsere Prozessbeobachtung protokolliert unerbittlich und exakt!)
Der Verhandlungsführung ist das ebenso wenig zuträglich wie der Beweisführung. Aber die leidet ohnehin an offensichtlich schlecht ermittelten Beweisen, die bestimmte Tattoos vom „Speedy“ betrafen. Wir breiten hier gnädig den Mantel des Schweigens über die Vorwürfe der Anklage, denen die Geschworenen in keinem Punkt (!) folgen wollten. Blöd war allerdings, dass die Verlobte wegen Tattoos, die sie ihrem Manuel und dem „Krafti“ gestochen hatte, verurteilt worden ist. Der „Speedy“ erhielt dagegen wegen dieser Tattoos einen glatten Freispruch. Ob die Staatsanwaltschaft eine Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt hat, wissen wir nicht. Ein weiterer Nachschlag wegen möglicher Verstöße gegen das Waffengesetz und das Kriegsmaterialgesetz ist noch in der Pipeline. Hoffentlich wird da besser ermittelt als für diesen Prozess – und hoffentlich gibt es dann nicht wieder parallel Journaldienst für den oder die zuständige Staatsanwalt/-anwältin!
Update 30.10.24: Da die Staatsanwaltschaft keine Rechtsmittel eingelegt hat, ist der Freispruch rechtskräftig.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!