Ehe 1 mit Blood & Honour-Neonazi
Nicole G. (42) hat mit ihren Männern ziemlich Pech. Der Ex-Mann ist der wegen eines äußerst brutalen Mordes an einer wohnungslosen Person verurteilte, aus dem Blood & Honour-Milieu stammende Neonazi Jürgen K.. Den hatte sie erst kennengelernt, als er bereits inhaftiert war. Im August 2016 folgte die Hochzeit. 2019 erschien ihr Buch über den angeblichen Justizirrtum, der K. getroffen hätte. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist gescheitert.
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Mittlerweile ist ihr Lebensgefährte (den sie bald heiraten will) aber ein anderer, nämlich Manuel S. alias „Speedy“ – ein Kapo von „Objekt 21“ (O 21), der verbrecherischen Neonazi-Truppe aus Desselbrunn (OÖ). Der ist im Vorjahr wieder einmal aufgeschlagen, weil er maßgeblich in die O 21-Bandidos-Affäre verwickelt ist. Erst vor wenigen Tagen hat das Oberlandesgericht Linz seine Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz aus dem Vorjahr auf zwei Jahre unbedingt erhöht. Weitere Ermittlungen laufen noch, die nächste Anklage gegen Manuel S. wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz ist bereits eingebracht. Es ist also davon auszugehen, dass Nicole G. ihren potenziellen zukünftigen Mann noch eine Weile nicht in Freiheit sehen wird. Aber damit hat sie ja schon Erfahrung und könnte die Zeit auch nutzen, um ein weiteres Buch zu schreiben.
Anscheinend hat sie jedoch andere Pläne. Nach Jahren der Arbeitslosigkeit absolvierte G. einen Lehrgang zum Piercen und Tätowieren. Die Praxis fehlt weitgehend, weil sie ohne das Auto des einsitzenden Lebensgefährten nicht zur Kundschaft kommt.
„Krafti“ mit Auschwitz-T-Shirt, Hakenkreuz und Hitlerportrait
Abhilfe kam von einem weiteren Neonazi, dem „Krafti“ aka Tino K.. „Krafti“ ist für uns ein alter Bekannter aus den Zeiten von O 21. Damals sollte er dessen „Escort-Service“ aufbauen. Hat nicht wirklich geklappt, aber „Krafti“ blieb Österreich treu, obwohl er eigentlich auf einem Bauernhof in Görschen (Sachsen-Anhalt) zuhause ist. Mit den deutschen Behörden hat Tino K. anscheinend mehr Scherereien als mit den österreichischen. Jedenfalls lebt „Krafti“ viel in Österreich, auch in Hörsching. Das ist nicht weit weg von Nicoles Wohnung. Aus Übungsgründen versuchte sich Nicole an ihm. Mit einem Hitlerkopf, den er als Tattoo am Körper trägt, hat sie begonnen.
Mit Fotos von Tino K. hat alles angefangen. Nicole G. hatte Aufnahmen an ihren Lebensgefährten Manuel S., (den sie bald ehelichen will) weitergeleitet. Deswegen musste sich G. vor Gericht einfinden. Auf mehreren Fotos ist „Krafti“ im Auschwitz-T-Shirt inklusive einschlägiger Tattoos zu bewundern: ein Hakenkreuz am rechten Oberschenkel, sowie ein Hitlerporträt am rechten Schienbein. Warum ausgerechnet sie die Fotos weitergeleitet hatte, wurde in der Verhandlung nicht klar, ist aber für die Beurteilung der Verdachtslage ohnehin unerheblich.
Nicole G. als „Beifang“
Als dann „Speedy“ mit den Bandidos und einigen seiner Neonazi-Kameraden von O 21 im Vorjahr aufgeflogen ist, ergab die Sichtung seines Handys und die Hausdurchsuchung die diversen Tatbestände, die jetzt Nicole G. zur Last gelegt wurden. Da wären einmal die Nazi-Fotos von „Krafti“ und anderen, dann ein „Speedy“ Foto mit der „Schwarzen Sonne“ als Tattoo und schließlich ein Schlagring, der den Verstoß gegen das Waffengesetz begründet.
Die Verteidigungslinie war nicht gerade überzeugend: Die Fotos habe sie blitzartig weitergeleitet, mit Nazis habe sie nichts zu tun gehabt, die „Schwarze Sonne“ habe sie nicht als NS-Symbol erkannt. Das dazu passende Zitat von Nicole G.: „Wie gesagt, wir reden über sowas nicht, weil uns das nicht irgendwie interessiert.“ Die Richter*innen waren durch diese Unschuldsbeteuerungen nicht überzeugt, bohrten immer wieder nach, was die Angeklagte etwas nervös und unwirsch machte.
Novelle des Verbotsgesetzes brachte milderes Strafmaß
Nach der Beratung der Geschworenen wurde klar: Auch die schenkten der Angeklagten keinen Glauben. In allen drei Hauptfragen entschieden sie einstimmig auf Schuld. Das Urteil wurde nach den geänderten strafrechtlichen Bestimmungen des Verbotsgesetzes auf neun Monate bedingter Haft festgesetzt. Hätte sie ihren Prozess nur wenige Wochen früher gehabt, wäre das Strafmaß höher ausgefallen. Verteidigung und Staatsanwaltschaft gaben noch keine Erklärung zum Urteil ab, das daher noch nicht rechtskräftig ist.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!