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Wochenrückblick KW 2/23

Mit völ­lig unter­schied­li­chen Urtei­len ende­ten zwei Pro­zes­se gegen Mit­glie­der des 2017 zer­schla­ge­nen „Staa­ten­bund Öster­reich“. War­um der eine Ange­klag­te (Tirol) eine teil­be­ding­te Haft- und hohe Geld­stra­fe aus­fass­te und die zwei­te Ange­klag­te (Vor­arl­berg) mit einer nied­ri­ge­ren beding­ten Haft- und Geld­stra­fe davon gekom­men ist, obwohl sie für mehr Delik­te schul­dig gespro­chen wur­de, kann zumin­dest von außen nicht nachvollzogen […]

16. Jan 2023

Wiener Neustadt: Unüberlegte Eiernockerl
Timelkam-Wels/OÖ: Zehn Jahre lang nichts dabei gedacht
Melk-St. Pölten: Freispruch wegen Alkkonsums
Innsbruck: Staatenbund I – unbedingte Haft- und hohe Geldstrafe
Feldkirch: Staatenbund II – bedingte Haft- und niedrige Geldstrafe
Wels-Land/OÖ: Sprayer von homophoben und islamfeindlichen Botschaften erwischt
Linz: Info-Direkt auf Neonazi-Kurs

Wiener Neustadt: Unüberlegte Eiernockerl

Der Besitz, Ver­sand und die Ver­brei­tung von Text- und Bild­nach­rich­ten mit NS-Bezug über eine Whats­App-Grup­pe wur­den dem 58-jäh­ri­gen Ange­klag­ten Rein­hard Z. am Lan­des­ge­richt Wie­ner Neu­stadt vor­ge­wor­fen. Unter den Nach­rich­ten waren Sujets, die Hit­ler glo­ri­fi­zier­ten und auch ein an Hit­lers Geburts­tag selbst­an­ge­fer­tig­tes Eiernockerl-Bild.

Auf die Spur des Man­nes und der Grup­pe gekom­men war man im Zuge von Ermitt­lun­gen zu Dro­gen­de­lik­ten, bei denen die Poli­zei nicht nur auf Chats, son­dern auch auf NS-Devo­tio­na­li­en gesto­ßen ist.

Der Ange­klag­te bekann­te sich schul­dig, er habe alles nur aus Spaß und unüber­legt gemacht. Am Ende hat­ten die Geschwo­re­nen über Schuld oder Unschuld in neun Fra­gen zu ent­schei­den und spra­chen den Ange­klag­ten schul­dig. Die 14 Mona­te bedingt auf drei Jah­re nahm der Ange­klag­te an, die Staats­an­walt­schaft gab kei­ne Erklä­rung ab. Daher ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Dan­ke an unse­re Prozessbeobachter*innen für den Bericht!

Timelkam-Wels/OÖ: Zehn Jahre lang nichts dabei gedacht

Der Tat­zeit­raum war unge­wöhn­lich lan­ge: Zwi­schen 2012 und 2022 hat­te der 47-jäh­ri­ge Timel­ka­mer NS-ver­herr­li­chen­de Nach­rich­ten an einen Freund geschickt – 70 Bil­der, Foto­mon­ta­gen und Sprü­che kamen zur Anklage.

[D]er Ange­klag­te (47) gestand alles. Dass er der Nazi-Ideo­lo­gie nahe ste­he, ver­nein­te er aber und bot auch an, sein Hemd abzu­le­gen, unter dem Tat­toos durch­schim­mer­ten, um zu bewei­sen, dass er kei­ne NS-Insi­gni­en auf der Haut trägt. Das war aber dann nicht nötig.„Ich hab’ mir nichts gedacht dabei“, sag­te der wegen ande­rer Delik­te mehr­fach Vor­be­straf­te. (krone.at, 12.1.22)

Die Stra­fe über zwölf Mona­te bedingt und eine unbe­ding­te Geld­stra­fe von 1.440 Euro sind bereits rechtskräftig.

Melk-St. Pölten: Freispruch wegen Alkkonsums

Mit einem Frei­spruch ende­te am Lan­des­ge­richt St.Pölten ein Pro­zess gegen eine 38-jäh­ri­ge Nie­der­ös­ter­rei­che­rin, die am Bahn­hof Melk

im April ver­gan­ge­nen Jah­res eine Grup­pe Jugend­li­cher beschimpf­te und unter ande­rem dabei schrie: „Der Hit­ler gehört wie­der her!” Dar­über hin­aus bezeich­ne­te sie sich selbst als „Nazi” und „rechts­ra­di­kal” und äußer­te, dass „es so eine schlim­me Jugend wie heu­te unter Hit­ler nicht gege­ben hät­te, aber die Kin­der ja nichts dafür kön­nen, dass sie so sind, weil ja der Hit­ler nicht mehr ist“. (meinbezirk.at, 13.1.22)

Weil die Jugend­li­chen das Geschrei der Frau nicht ernst genom­men hat­ten und die Frau stark alko­ho­li­siert gewe­sen sei, gab’s einen Frei­spruch. Ob der bereits rechts­kräf­tig ist, geht aus dem Zei­tungs­be­richt nicht hervor.

Innsbruck: Staatenbund I – unbedingte Haft- und hohe Geldstrafe

Wegen der Orga­ni­sa­ti­on von Stamm­ti­schen und Wer­bung von Mit­glie­dern für den staats­feind­li­chen „Staa­ten­bund Öster­reich“ muss­te ein 41-jäh­ri­ger Zil­ler­ta­ler am Lan­des­ge­richt Inns­bruck auf­mar­schie­ren. Er habe sich am Anfang nur des­halb betei­ligt, weil ver­spro­chen wur­de, dass er sich mit der Los­sa­gung von der Repu­blik Öster­reich Steu­ern spa­ren könnte.

Sei­ne Auf­ga­be sei es gewe­sen, soge­nann­te „Leben­der­klä­run­gen“ ent­ge­gen­zu­neh­men, mit denen ein Zugriff auf ein – frei­lich nicht exis­ten­tes – Mil­li­ar­den­ver­mö­gen mög­lich sein hät­te sol­len und Diplo­ma­ten­päs­se für den Fan­ta­sie­staat Tirol zu verscherbeln.

Ein biss­chen dürf­te der ges­tern scho­ckie­rend unre­flek­tier­te Mann damals den­noch ver­stan­den haben. So hat­te er in der Pra­xis weder Diplo­ma­ten­pass noch das Auto­kenn­zei­chen „T Tirola1” ver­wen­det. Staats­feind­li­che Agi­ta­ti­on sahen die Geschwo­re­nen den­noch ein­stim­mig. Zwei Jah­re Haft, davon 18 Mona­te beding­te Haft und 7200 Euro Geld­stra­fe, nahm der Ver­ur­teil­te an und bat um Raten. (Tiro­ler Tages­zei­tung, 12.1.23, S. 5)

Feldkirch: Staatenbund II – bedingte Haft- und niedrige Geldstrafe

Sie sei die „Finanz­mi­nis­te­rin“ der Vor­arl­ber­ger Abtei­lung des Staa­ten­bund Öster­reich gewe­sen und habe sich auch an Erpres­sungs­ak­tio­nen betei­ligt. Fünf Jah­re nach der Zer­schla­gung der bis­lang mäch­tigs­ten staats­feind­li­chen Ver­bin­dung in Öster­reich und nach mitt­ler­wei­le unzäh­li­gen Pro­zes­sen muss­te sich nun auch eine 68-jäh­ri­ge Unter­län­de­rin vor Gericht ver­ant­wor­ten. Sehr gesprä­chig scheint sie aller­dings nicht gewe­sen zu sein.

Die Ange­klag­te bekann­te sich in allen Punk­ten schul­dig. Die Frau sag­te aller­dings nur zu Beginn der Ver­hand­lung aus, dass ihr alles sehr leid tue. Sie habe sich ideo­lo­gisch ver­rannt. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren habe sie sich von der Staats­ver­wei­ge­rer-Sze­ne distan­ziert. Außer­dem beton­te sie unter Trä­nen, dass sie mit ihren Taten nie­man­den ver­let­zen habe wol­len. Im wei­te­ren Pro­zess­ver­lauf nahm die 68-Jäh­ri­ge dann nicht mehr Stel­lung, auch nicht zur Fra­ge des Motivs für ihre Hand­lun­gen. (vorarlberg.orf.at, 13.1.23)

Aber immer­hin war im Pro­zess von ihr zu erfah­ren, dass sie ver­sucht habe, sich bei Beam­ten der Bezirks­haupt­mann­schaf­ten Dorn­birn und Feld­kirch, denen sie Droh­schrei­ben zuge­schickt hat­te, mit einer Schach­tel Mon Ché­ri zu ent­schul­di­gen, was die­se abge­lehnt hätten.

Die Vor­arl­ber­ge­rin wird im Sin­ne sämt­li­cher Ankla­ge­punk­te (Ver­bre­chen der Bestim­mung zum Amts­miss­brauch, Erpres­sung und Ver­bre­chen der Staa­ten­feind­li­chen Ver­bin­dung) schul­dig gespro­chen. Das Urteil lau­tet: neun Mona­te Gefäng­nis auf Bewäh­rung und eine unbe­ding­te Geld­stra­fe in der Höhe von 1440 Euro. Es ist rechts­kräf­tig. (vol.at, 13.1.23)

Wels-Land/OÖ: Sprayer von homophoben und islamfeindlichen Botschaften erwischt

Jener Spray­er, der im Raum Linz, Linz Umge­bung und Wels zahl­rei­che homo­pho­be und islam­feind­li­che Schmie­re­rei­en hin­ter­las­sen und die mit Vide­os auf You­Tube auch noch für die Öffent­lich­keit doku­men­tiert hat­te, ist nun erwischt wor­den. Der Drang nach Selbst­dar­stel­lung dürf­te dem Täter nun zum Ver­häng­nis gewor­den sein. In einer Haus­durch­su­chung bei einem 37-Jäh­ri­gen aus dem Bezirk Wels-Land wur­de zahl­rei­ches belas­ten­des Mate­ri­al sichergestellt.

Dem 37-Jäh­ri­gen wer­den min­des­tens 125 Schmie­re­rei­en in Unter­füh­run­gen, Hal­te­stel­len, an Haus­wän­den und ande­ren Orten ange­las­tet– vie­le davon in Wels und Linz, sowie im Umland der bei­den Städ­te. Die genaue Scha­dens­sum­me ist aktu­ell noch unklar, dürf­te aber etli­che zehn­tau­send Euro über­stei­gen. (…) Der Mann ist laut Poli­zei gestän­dig, jedoch nicht reu­mü­tig. (meinbezirk.at, 3.1.23)

Neben Sach­be­schä­di­gung könn­te es auch zu einer Ankla­ge wegen Ver­het­zung und Her­ab­wür­di­gung reli­giö­ser Leh­ren kommen.

Linz: Info-Direkt auf Neonazi-Kurs

In „Neu­es von ganz rechts“ berich­tet das DÖW Neu­es vom Scharf­mül­ler-Medi­um „Info-Direkt:

Die in Linz erschei­nen­de rechts­extre­me Zeit­schrift Info-DIREKT lässt mit einem Bekennt­nis zu ihren neo­na­zis­ti­schen Wur­zeln auf­hor­chen. In einer neu­en Video-Rei­he lässt sie „Patrio­ten“ ihren poli­ti­schen Lebens­weg erzäh­len. Man wol­le damit „eine Alter­na­ti­ve zu jenen Por­traits schaf­fen, die uns die eta­blier­ten Medi­en tag­täg­lich vor­set­zen. Dar­in wer­den näm­lich fast aus­schließ­lich Gut­men­schen mit meist frag­wür­di­gem Lebens­stil als tol­le Vor­bil­der verkauft.“

➡️ wei­ter zu „Natio­na­le Nost­al­gie bei rechts­extre­mem Generationentreffen“