Wochenrückblick KW 35/22

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Wäh­rend sich ein Coro­na-Leug­ner aus dem Staub gemacht hat und nicht zu sei­nem Pro­zess erschie­nen ist, haben es alle ande­ren, die sich in der letz­ten Woche nach dem Ver­bots­ge­setz ver­ant­wor­ten muss­ten, gar nicht so gemeint. Alko­hol­kon­sum war genau­so im Erklä­rungs­re­per­toire wie angeb­li­ches Unwis­sen über den Natio­nal­so­zia­lis­mus. Und in Vil­lach wur­de ein Waf­fen­ar­se­nal aus­ge­ho­ben; dabei war auch eine Haken­kreuz-Arm­bin­de. Das ist in die­ser Kom­bi­na­ti­on der drit­te Vor­fall in Vil­lach inner­halb von zehn Monaten.

Maria Enzersdorf-Wiener Neustadt/NÖ: Eiernockerl und angebliche Wissenslücken
Klagenfurt: Bedingte Haftstrafe für 17-Jährigen
Brunn am Gebirge-Wiener Neustadt/NÖ: Auf die braune Spur geraten
Puchenau-Linz: Angeklagter verschollen
Villach/K: Waffen und Hakenkreuz-Armbinde

Maria Enzersdorf-Wiener Neustadt/NÖ: Eiernockerl und angebliche Wissenslücken

Er habe sich nichts gedacht beim Wei­ter­lei­ten von Vide­os und Fotos mit Hit­ler und Haken­kreuz­fah­nen als Motiv und auch nicht bei der Fra­ge an den mit den Nach­rich­ten beglück­ten Freund am 20. April, also Hit­lers Geburts­tag, ob er bereits Eier­no­ckerl mit grü­nem Salat geges­sen habe.

Der Ver­tei­di­ger des Ange­klag­ten wies dar­auf­hin, dass der Mann zwar all die Nach­rich­ten ver­schickt habe, „aber sicher nicht mit dem Vor­satz der Wie­der­be­tä­ti­gung“. Der Mann gab an, dass ihm im Zusam­men­hang mit Adolf Hit­ler nur der Krieg ein­fal­le. Die Rich­te­rin frag­te nach: „Sagen Ihnen Juden­ver­fol­gung oder Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger etwas?“ „Nein.“ Die Rich­te­rin leg­te nach: „Wenn Sie sich gar nicht aus­ken­nen, wie­so wis­sen Sie dann, was Hit­ler ger­ne geges­sen hat?“ Der Ange­klag­te erwi­der­te: „Ich weiß, dass Eier­no­ckerl sei­ne Leib­spei­se waren.“ Die Rich­te­rin: „Das wis­sen Sie, aber die Juden­ver­fol­gung nicht? Wie­so?“ Der Mann dar­auf: „Das weiß ich nicht.“ (noen.at, 31.8.22)

Sehr glaub­wür­dig dürf­te der aus Maria Enzers­dorf stam­men­de 62-jäh­ri­ge pen­sio­nier­te Ange­klag­te nicht gewe­sen sein, er ern­te­te nach sei­ner Vor­stel­lung 13 Mona­te bedingt – nicht rechtskräftig.

Klagenfurt: Bedingte Haftstrafe für 17-Jährigen

Eine Raz­zia in Deutsch­land wur­de einem erst 17-jäh­ri­gen Kärnt­ner Jugend­li­chen „aus gutem fami­liä­ren Ver­hält­nis­sen“ (kaernten.orf.at, 31.8.22) zum Ver­häng­nis. Denn dabei stieß man auf die Tele­fon­num­mer des Kärnt­ners, der sich in einer Grup­pe beim Aus­tausch von NS-Inhal­ten betei­ligt hatte.

Der 17-Jäh­ri­ge beton­te glaub­wür­dig vor dem vor­sit­zen­den Rich­ter, Uwe Dum­pel­nik, dass er zwar gepos­tet, aber nichts mit Rechts­extre­mis­mus zu tun habe. Die Fol­gen von natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Wie­der­be­tä­ti­gung sei­en in der Schu­le nicht bespro­chen wor­den. Er bat um ein Urteil, das ihm das künf­ti­ge Leben nicht zer­stört, er will Astro­phy­sik stu­die­ren. (kaernten.orf.at)

Ganz glaub­wür­dig, wie im Bericht steht, kann der Auf­tritt des Jugend­li­chen nicht gewe­sen sein, denn er wur­de schul­dig gespro­chen und erhielt nicht rechts­kräf­tig sechs Mona­te bedingt und eine ver­pflich­ten­de Schu­lung beim Pro­gramm „Dia­log gegen Hass“ des Ver­eins Neu­start. Viel­leicht bekommt er dort den Tipp, sich neben Astro­phy­sik auch mit Geschich­te und dem Ver­bots­ge­setz zu beschäftigen.

Brunn am Gebirge-Wiener Neustadt/NÖ: Auf die braune Spur geraten

Die ein­schlä­gi­gen Chat­nach­rich­ten in einer Grup­pe sind gewis­ser­ma­ßen ein Neben­pro­dukt von Ermitt­lun­gen nach dem Sucht­mit­tel­ge­setz, im Zuge derer man auch auf 55 ein­schlä­gi­ge Nach­rich­ten des 53-jäh­ri­gen Ange­klag­ten aus Brunn am Gebir­ge gesto­ßen ist. Und dann gab’s auch noch eine Wein­fla­sche mit Hit­ler-Kon­ter­fei am Eti­kett und dem Spruch „Blut und Ehre”; die wur­de dann aber aus­ge­schie­den, weil nicht geklärt wer­den konn­te, wo die Fla­sche für wen sicht­bar war.

Der Ange­klag­te prä­sen­tier­te sich vor Gericht mit vie­len per­sön­li­chen Pro­ble­men behaf­tet, behaup­te­te, sowohl Lap­top als auch Han­dy, auf denen brau­ne Fotos und Vide­os gefun­den wur­den, sei­en ihm von Freun­den über­las­sen wor­den. Da nicht klar war, ob das Pro­blem­ma­te­ri­al nun tat­säch­lich qua­si ver­erbt war, wur­de auch die­ser Ankla­ge­punkt ausgeschieden.

Damit blie­ben die Nach­rich­ten: jede Men­ge Hit­ler, nack­te Frau­en mit NS-Sym­bo­len etc.. Es sei der Lock­down sehr belas­tend gewe­sen, dar­um hät­te sich eine Grup­pe von Per­so­nen pri­vat getrof­fen – viel Alko­hol­kon­sum inklu­si­ve. An man­che Nach­rich­ten kön­ne er sich daher nicht mehr erin­nern, mein­te der ansons­ten gestän­di­ge Nie­der­ös­ter­rei­cher. Klas­si­ker also!

Obwohl mit dem Ange­klag­ten bekann­te Zeug*innen zu des­sen Guns­ten aus­ge­sagt hat­ten, beharr­te die Staats­an­wäl­tin im Schluss­plä­doy­er dar­auf, dass eine inten­dier­te NS-Pro­pa­gan­da ein­deu­tig erkenn­bar wäre. Der Ver­tei­di­ger erklär­te die Nach­rich­ten mit den man­nig­fa­chen Pro­ble­men des Man­nes, dass er ein aus der Spur gera­te­ner Mit­läu­fer in einer Grup­pe war, der so etwas nie wie­der machen wür­de. Ganz erfolg­reich war die Ver­tei­di­gungs­stra­te­gie nicht: Der Nie­der­ös­ter­rei­cher erhielt 20 Mona­te bedingt – nicht rechtskräftig.

Dan­ke an prozess.report für die Beob­ach­tung des Prozesses!

Puchenau-Linz: Angeklagter verschollen

Der für den 31.8. am Lan­des­ge­richt Linz anbe­raum­te Pro­zess gegen Flo­ri­an O. muss­te ver­tagt wer­den. Nach­dem O. schon um 9 Uhr früh nicht erschie­nen war, wur­de nach ihm gesucht. Auch der zwei­te Ver­such, den Pro­zess ab 13 Uhr durch­zu­füh­ren, schei­ter­te, da O. nicht auf­find­bar war.

„Der Ange­klag­te soll auf Tele­gram und in einem You­Tube-Video die Impf­pflicht und die Aus­gangs­be­schrän­kun­gen mit der Juden­ver­fol­gung ver­gli­chen haben. Bis­her leug­ne­te der Ober­ös­ter­rei­cher eine Wie­der­be­tä­ti­gung.” (ooe.orf.at, 31.8.22)

Villach/K: Waffen und Hakenkreuz-Armbinde

Bei einem 26-jäh­ri­gen Vil­la­cher wur­den im Rah­men einer Haus­durch­su­chung Waf­fen und eine Haken­kreuz-Arm­bin­de gefunden.

Der 26-Jäh­ri­ge wer­de ver­däch­tigt, rech­tes Gedan­ken­gut zu ver­brei­ten, heißt es auf Nach­fra­ge aus dem Stadt­po­li­zei­kom­man­do. Des­halb habe die Staats­an­walt­schaft auch eine Haus­durch­su­chung bei dem Mann ange­ord­net. Die­se fand am Don­ners­tag­vor­mit­tag in Vil­lach statt und för­der­te zahl­rei­che Waf­fen zuta­ge. Neben ver­bo­te­nen Waf­fen wie soge­nann­ten Tot­schlä­gern und Wurf­mes­sern wur­den auch ande­re Waf­fen, wie eine Gas­pis­to­le, zwei Samu­rai-Schwer­ter und Mes­ser sicher­ge­stellt. (kaernten.orf.at, 1.9.22)

Sichergestellte Waffen in Villach (Foto: SPK Villach)

Sicher­ge­stell­te Waf­fen in Vil­lach (Foto: SPK Villach)

Vor Kur­zem soll der Mann wegen eines nicht genann­ten Delikts bereits zu acht Mona­ten Haft ver­ur­teilt wor­den sein. Jetzt gibt’s eine Anzei­ge nach dem Waf­fen- und Ver­bots­ge­setz. Ob wei­te­re Per­so­nen invol­viert sind, soll die Aus­wer­tung des beschlag­nahm­ten Han­dys und Com­pu­ters zeigen.

In der letz­ten Zeit schei­nen sich ein­schlä­gi­ge Fun­de – NS-Devo­tio­na­li­en und Waf­fen – in Vil­lach zu häu­fen, wie Mel­dun­gen aus dem Novem­ber 2021 und Dezem­ber 2021 zeigen.