Wochenschau KW 44–45/22 (Teil 1)

Zwei über 80-jährige Schwest­ern haben sich eine Anklage wegen Ver­het­zung einge­han­delt, weil sie in einem Freibad im Bur­gen­land eine Frau und deren Sohn mehrfach als „Zige­uner” dif­famiert haben sollen. Sehr jung hinge­gen waren ein Brau­nauer und ein Tirol­er, die bei­de nach dem Ver­bots­ge­setz verurteilt wur­den – der Tirol­er mit ein­er bemerkenswerten Lat­te an Delik­ten. Und als mit­te­lal­ter­lich ist der inzwis­chen nicht mehr unbekan­nte Ter­nitzer Ex-Wirt nicht nur auf­grund sein­er Leben­s­jahre zu beze­ich­nen, son­dern auch wegen sein­er Ansicht­en und Umgangs­for­men: Er kassierte eben­falls einen (nicht recht­skräfti­gen) Schuldspruch.

Brau­nau-Ried/OÖ: Brauner Chat in Braunau
Bez. Güssing/Eisenstadt: Gläu­big und verhetzend?
Oberland/Innsbruck: Nazi-Uni­form und „Sieg Heil“ als I‑Tüpferl
Ter­nitz-Wiener Neustadt/NÖ: Ex-Wirt mit Show-Auftritt vor Gericht
Ans­felden-Linz: Staats­feindlich­er Kassen­ver­wahrer vor Gericht
Straß-Spielfeld/Stmk: Anzeige nach Verfolgungsjagd
St. Veit an der Glan/K: Brauner Kurza­uftritt am Arbeitsplatz

Brau­nau-Ried/OÖ: Brauner Chat in Braunau

Wieder ein­mal Brau­nau, wieder ein­mal What­sApp und wieder ein­mal „Dummheit“ und Humor als Erk­lärungsver­such. Angeklagt war ein junger Brau­nauer wegen brauner Chat-Nachricht­en, die er im Früh­jahr 2021 ver­schickt hatte.

Der Beschuldigte zeigte sich reumütig geständig. (…) Die Geschwore­nen waren sich einig und sprachen den jun­gen Innviertler in allen vier Anklagepunk­ten ein­stim­mig schuldig. Der vor­sitzende Richter des Geschwore­nense­n­ats, Ste­fan Kiesl, verurteilte den Mann zu sechs Monat­en bed­ingter Haft. Der Richter­spruch ist bere­its recht­skräftig. (nachrichten.at, 3.11.22)

Bez. Güssing/Eisenstadt: Gläu­big und verhetzend?

Das ange­blich gold­ene Wiener­herz hat sich bei zwei Schwest­ern, bei­de jen­seits der 80 Jahre, wohl sehr gut ver­steckt. Die hat­ten im Som­mer 2021 und 2022 im Bezirk Güss­ing ein Freibad besucht und laut Anklage eine in Chile geborene Bur­gen­län­derin und deren Sohn beschimpft.

Dem­nach hät­ten „die Pen­sion­istin und ihre ältere Schwest­er sie und ihren Sohn als ‚Zige­uner‘ beze­ich­net (…) ‚Die Zige­uner wollen nur von uns stehlen‘, habe die Angeklagte gesagt. Den ganzen Nach­mit­tag lang sollen die Frauen sie als ‚Zige­uner‘ beze­ich­net haben. ‚Es war eine per­sön­liche Attacke‘, sagte die Zeu­g­in. (BVZ, 10.11.22, S. 31)

Bere­its 2021 seien die Schwest­ern aus­fäl­lig gewor­den und hät­ten die Frau und ihren Sohn als „schmutzige Zige­unertiere“ dif­famiert. Die Beteuerung der vor Gericht anwe­senden Schwest­er (die zweite in Deutsch­land lebende Schwest­er war nicht erschienen), sehr gläu­big zu sein und in der Fam­i­lie ein Zige­unerkind adop­tiert zu haben, half nicht vor der Verurteilung wegen Ver­het­zung: Es set­zte fünf Monate bed­ingt, die die Angeklagte annahm.

Oberland/Innsbruck: Nazi-Uni­form und „Sieg Heil“ als I‑Tüpferl

Eine selb­st­ge­bastelte SS-Uni­form, mit der ein Bun­desheerange­höriger spazieren gegan­gen war, war vor nicht allzu langer Zeit The­ma in allen öster­re­ichis­chen und auch in vie­len inter­na­tionalen Medi­en. Für so viel Aufre­gung sorgte ein 17-jähriger Ober­län­der nicht, der sich in ein­er selb­st gebastel­ten Nazi-Uni­form und aufge­mal­tem Hitler­bärtchen selb­st ablichtete, um das Foto dann über What­sApp-Grup­pen zu ver­schick­en. Dazu kamen noch zig weit­ere braune Chat­nachricht­en, eine Brief­marke mit Hak­enkreuz, ein Mofa mit SS-Runen auf dem Num­mern­schild plus „in ein­er Schre­ber­garten­sied­lung mehrmals ‚Sieg Heil‘ und ‚Scheißju­den‘ geschrien zu haben. Auch Hak­enkreuz-Schmier­ereien auf der Türe ein­er Wohnge­mein­schaft sollen auf sein Kon­to gehen.“ (Tirol­er Tageszeitung, 11.11.22, S. 5)

Er sei aber kein Nazi und teile die braune Ide­olo­gie nicht, erk­lärte der Jugendliche vor Gericht. „Seine Recht­fer­ti­gung: ‚Ich wollte cool sein und Aufmerk­samkeit erre­gen.‘ Mit seinen ‚Sieg Heil‘-Ausrufen und ‑Nachricht­en habe er ‚ein i‑Tüpfel draufhauen‘ wollen.“ (TT)

Der Tirol­er wurde schuldig gesprochen und erhielt nicht recht­skräftige sechs Monate bed­ingt mit ein­er gerichtlich ange­ord­neten Bewährung­shil­fe. Möge die ihm nach­haltig erk­lären, dass das Leben weit erstrebenswert­ere I‑Tüpferl bieten kann.

Ter­nitz-Wiener Neustadt/NÖ: Ex-Wirt mit Show-Auftritt vor Gericht

Er dürfte eine etwas wirre Show vor dem Wiener Neustädter Lan­des­gericht abgeliefert haben: jen­er griechis­che Ex-Wirt aus Ter­nitz, bei dem jede Menge an Leuten, die rechts und/oder schwur­b­lerisch blinken aus- und einge­hen, und der sich auch regelmäßig über seinen Telegramkanal (der aber nicht sein­er ist, wenn’s um mögliche Ver­stöße gegen das Ver­bots­ge­setz oder auch um Ver­het­zung geht) über alles, was die staatliche Ver­wal­tung bet­rifft, meist ziem­lich unflätig aus­lässt. Damit dürfte er sich rund­herum nicht sehr beliebt gemacht haben.

Vor Gericht musste er antanzen, weil ihm vorge­wor­fen wird, unberechtigt Arbeit­slosen­geld kassiert zu haben und weil er ein Tele­fonat mit einem Mitar­beit­er der Bezirk­shaupt­mannschaft aufgeze­ich­net, den Mitschnitt ohne Ein­willi­gung in sozialen Medi­en veröf­fentlicht und die Behörde als ‚Ver­brech­er‘ beze­ich­net“ (kurier.at, 7.11.22) habe.

Seine Vertei­di­gungstak­tik – so er über­haupt eine hat­te – dürfte sich erratisch zwis­chen Auszuck­un­gen und trotzigem Schweigen bewegt haben.

„Ich stelle ab sofort alle Aus­sagen ein“, meinte der Mann plöt­zlich. „Keine Angabe“, lautete ab da seine Antwort auf jede Frage. Doch dann ver­lor er doch noch ein­mal die Fas­sung: Die Frage „Wie lange wollen Sie mich hier noch ver­arschen?“ brachte ihm 500 Euro Ord­nungsstrafe ein. Seine Reak­tion darauf: „Sie haben es nicht mehr alle.” Was weit­ere 500 Euro Strafe zur Folge hat­te. (kurier.at)

Am Ende dieses Prozess­es standen ein Schuld­spruch in allen Anklagepunk­ten und fre­undliche vier Monate Haft bed­ingt – nicht recht­skräftig, da der Mann Beru­fung ein­legte. Eines kann ziem­lich risiko­los vorherge­sagt wer­den: Es wird auch unab­hängig von der Beru­fung nicht der let­zte Aufen­thalt des Ex-Wirten vor Gericht gewe­sen sein.

Ans­felden-Linz: Staats­feindlich­er Kassen­ver­wahrer vor Gericht

Schmal fällt die Mel­dung der Kro­nen Zeitung (9.11.22, S.20) zu einem weit­eren Prozess gegen ein ehe­ma­liges Mit­glied der staats­feindlichen Vere­ini­gung „Staaten­bund Öster­re­ich“ aus. Der 55-jähriger Angeklagte aus Ans­felden soll

Urkun­den aus­gestellt und – als sich die Funk­tion­sebene aus­dün­nte – die Kasse ver­wahrt haben. Die ursprünglich angeklagte „ver­suchte Bes­tim­mung zum Miss­brauch der Amts­ge­walt und Erpres­sung“ waren beim Prozess am Dien­stag aber kein The­ma mehr. Übrig blieb nur die Mit­glied­schaft in ein­er staats­feindlichen Verbindung. Der 55-Jährige war dazu geständig. Er wurde vom Geschwore­nense­n­at zu zehn Monat­en bed­ingter Haft verurteilt; nicht recht­skräftig. (Kro­nen Zeitung)

Straß-Spielfeld/Stmk: Anzeige nach Verfolgungsjagd

Eine Polizeikon­trolle scheint den 26-jähri­gen Steir­er der­ar­tig aus der Fas­sung gebracht zu haben, dass er aufs Gaspedal stieg und sich mit der Polizei eine wilde Ver­fol­gungs­jagd lieferte. Nach­dem er laut Polizei mit Tem­po 100 durch Orts­ge­bi­ete gerast war, gelang es ihn anzuhal­ten. In der Folge wurde er als Verdächtiger für mehrere Straftat­en ermit­telt. Die Palette reicht von einem Ein­bruchs­dieb­stahl in einen Hofladen bis zu NS-Wieder­betä­ti­gung.“ (krone.at, 6.11.22)

St. Veit an der Glan/K: Brauner Kurza­uftritt am Arbeitsplatz

Ein in St. Veit/Glan beschäftigter slowenis­ch­er Staats­bürg­er traf am Sam­stag Abend in alko­holisiertem Zus­tand auf seinem Arbeit­splatz ein

und rief in der Pro­duk­tion­shalle vor mehreren anwe­senden Mitar­beit­ern mit erhoben­em rechtem Arm „Heil Hitler, alle Jugos sind Scheiße“. Danach begann er einzelne Mitar­beit­er einzeln zu beschimpfen und mit den Worten „Ich werde euch liq­ui­dieren“ zu bedro­hen. Danach stieg er in ein Taxi und ver­ließ seinen Arbeit­splatz in unbekan­nte Rich­tung. Der Mann wird auf freiem Fuß der Staat­san­waltschaft Kla­gen­furt zur Anzeige gebracht. (LPD Kärn­ten 12.11.22 zit. nach meinbezirk.at)