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Wochenrückblick KW 44–45/22 (Teil 2)

Eine alte Lie­be hat wie­der – auch öffent­lich aus­ge­lebt – zuein­an­der gefun­den: jene zwi­schen den Iden­ti­tä­ren, von denen nun eini­ge sat­te 8.000 Euro an die Wie­ner Lini­en ble­chen müs­sen, und der FPÖ. Die Gra­zer FPÖ ist inzwi­schen ziem­lich ein­sam gewor­den, zumin­dest im Gemein­de­rat: Da gibt’s nur mehr einen Blau­en, und die Ex-Blau­­en wol­len drauf­ge­kom­men sein, […]

16. Nov 2022

Wien: Patridioten müssen zahlen
Wien: FPÖ und Identitäre gemeinsam
Graz: Freiheitliche sehr einsam
Österreich: Täglich antisemitische Vorfälle

Wien: Patridioten müssen zahlen

Im März woll­ten als „Patrio­ten in Bewe­gung“ kos­tü­mier­te Iden­ti­tä­re früh­mor­gens ras­sis­ti­sche Fly­er in der U6 ver­tei­len, hat­ten aber nicht mit enga­gier­ten Fahr­gäs­ten in Bewe­gung gerech­net, die die Fly­er sofort wie­der ent­fern­ten. Mit den Wie­ner Lini­en hat­ten sie auch nicht gerech­net. Die lie­ßen näm­lich nicht nur die rest­li­chen Fly­er ein­sam­meln, son­dern wer­te­ten auch die Vide­os von den beweg­ten Iden­ti­tä­ren aus und über­ga­ben ihre Erkennt­nis­se den Ermitt­lungs­be­hör­den. Bingo!

Wie sich her­aus­stell­te, soll ein Ver­ur­sa­cher beim Bun­des­heer, kon­kret bei der Gar­de, tätig gewe­sen sein. Er ist Mit­glied der rechts­extre­men Iden­ti­tä­ren Bewe­gung. Das Dienst­ver­hält­nis mit dem jun­gen Mann wur­de auf­ge­löst. Aller­dings nicht auf­grund der Fly­er-Akti­on, wie es beim Bun­des­heer hieß. Man habe ihn schon davor unter Beob­ach­tung gehabt.
Schluss­end­lich konn­ten drei Ver­ur­sa­cher aus­ge­forscht wer­den. Ein Straf­ver­fah­ren gegen die Män­ner wur­de ein­ge­stellt, doch die Wie­ner Lini­en klag­ten auf dem Zivil­rechts­weg. Die Män­ner blie­ben den Ver­hand­lun­gen zwar fern, das Gericht sprach den Wie­ner Lini­en den­noch 8.000 Euro zu – als Kos­ten­er­satz für die ange­fal­le­nen Per­so­nal- und Rei­ni­gungs­kos­ten.
 (kurier.at, 2.11.2022)

Unse­ren Infor­ma­tio­nen nach wur­den vier Betei­lig­te aus­ge­forscht, alle vier sind nicht unbe­kannt und sehr regel­mä­ßig in Bewe­gung, wenn’s um Het­ze geht.

Ein Monat nach der miss­glück­ten Fly­er-Akti­on fie­len die Patridio­ten mit einer wei­te­ren und sehr bös­ar­ti­gen Akti­on auf. Am Dach des Ute-Bock-Hau­ses in Wien-Favo­ri­ten ent­roll­ten sie ein Ban­ner mit frem­den­feind­li­cher Paro­le, brüll­ten und zün­de­ten Rauch­bom­ben (um Geflüch­te­te in Furcht zu ver­set­zen) und sol­len zeit­wei­se auch den Ein­gangs­be­reich blo­ckiert haben. Unge­fähr 20 Per­so­nen waren an der Akti­on betei­ligt – die Staats­an­walt­schaft stell­te die Ermitt­lun­gen aller­dings ein. War­um eigentlich?

Wien: FPÖ und Identitäre gemeinsam

Als am Sonn­tag, 6. Novem­ber, früh­mor­gens Iden­ti­tä­re, dies­mal in der Ver­klei­dung als „Die Öster­rei­cher“, beim Ver­such schei­ter­ten, am Bal­kon des Innen­mi­nis­te­ri­ums ein Trans­pa­rent auf­zu­hän­gen, auf dem unter ande­rem die Ver­haf­tung von Poli­ti­kern gefor­dert wur­de, war der Gene­ral­se­kre­tär der FPÖ, Micha­el Schned­litz, nicht dabei. Die Iden­ti­tä­ren hat­ten wie­der Glück und wur­den – ent­ge­gen ihrer eige­nen Paro­le – nicht ein­ge­sperrt, son­dern nur auf ihre Iden­ti­tät über­prüft und konn­ten so am Nach­mit­tag an einer Kund­ge­bung teil­neh­men, bei der

etwa ein Ver­tre­ter der Iden­ti­tä­ren-Grup­pe „Die Öster­rei­cher“ sowie Coro­na-Demo-Orga­ni­sa­tor Mar­tin Rut­ter auf­tra­ten. Mit Gene­ral­se­kre­tär Micha­el Schned­litz ergriff auch ein pro­mi­nen­ter Frei­heit­li­cher das Wort. Hun­dert Mal lie­ber rede er hier zum Bei­spiel nach einem Mar­tin Rut­ter als im Par­la­ment vor einer Sig­rid Mau­rer oder sonst jeman­dem, mein­te er dabei bei­spiels­wei­se.“ (derstandard.at, 6.11.22)

In einer Pres­se­kon­fe­renz am 8. Novem­ber prä­sen­tier­te Schned­litz übri­gens einen von den Jung­frei­heit­li­chen erstell­ten „Remi­gra­ti­ons­be­richt“ und stell­te ein Dash­board vor, das unter dem rechts­extre­men Ter­mi­nus „Bevöl­ke­rungs­aus­tausch“ läuft. (vgl. kurier.at, 8.11.22). Kurz: Zwi­schen FPÖ und Iden­ti­tä­ren ist die alte Lie­be wie­der ein­ge­kehrt und wird nun auch wie­der öffent­lich gut sicht­bar ausgelebt.

Graz: Freiheitliche sehr einsam

Von fünf blau­en Man­da­ta­ren ver­bleibt der FPÖ Graz aktu­ell nur mehr einer im Gemein­de­rat. Die ande­ren vier haben sich im „Gra­zer (Kor­rup­ti­ons-) Frei­en Gemein­de­rats­klub“ neu for­miert und in den alten Buch­hal­tungs­un­ter­la­gen gewühlt:

Bei die­sen Gra­bungs­ar­bei­ten sind die Ex-Blau­en auf wei­te­re Zah­lun­gen gesto­ßen: Einen Tag nach den Wah­len im Sep­tem­ber 2021 soll die Lan­des-FPÖ den Gra­zern einen Kre­dit von 100.000 Euro gewährt haben, ohne Dekla­rie­rung wofür. Zuvor gin­gen in zwei Tran­chen ins­ge­samt 49.000 Euro auf ein Kon­to der Par­tei ein, ohne den Spen­der zu nen­nen.“ (Kurier, 5.11.22, S. 18).

Die Lan­des­par­tei kon­tert mit der Dro­hung von recht­li­chen Schrit­ten „hin­sicht­lich man­geln­der Auf­klä­rungs­schrit­te sei­tens der Lan­des­par­tei und ande­rer halt­lo­ser Vor­wür­fe“. Wird span­nend, weil der abge­spal­te­ne Klub auch noch den Vor­wurf der ille­ga­len Quer­fi­nan­zie­rung erhebt: „118.000 Euro an Klub­för­der­mit­teln sei­en dem­nach 2021 für den Gemein­de­rats­wahl­kampf der FPÖ ver­wen­det wor­den.“ Die­sen Vor­wurf erhob die eben­falls aus der FPÖ aus­ge­schlos­se­ne Stadt­rä­tin Clau­dia Schönbacher.

Das alles wird ver­mut­lich auch die Staats­an­walt­schaft Kla­gen­furt beschäf­ti­gen, die gegen sechs Beschul­dig­te in die­ser Cau­sa ermit­telt. Bis­her waren erst vier bekannt: „Ex-Vize­bür­ger­meis­ter Mario Eustac­chio, Ex-Klub­ob­mann Armin Sip­pel, Ex-Klub­di­rek­tor und Finanz­re­fe­rent Mat­thi­as Eder und Ex-Gemein­de­rat Roland Lohr [Lohr ist noch Gemein­de­rat; Anmk. SdR] – sind seit län­ge­rem bekannt.“ (grazer.at, 6.11.22)

Der „Gra­zer” ließ sich jetzt den Namen des fünf­ten Beschul­dig­ten von der Staats­an­walt­schaft bestä­ti­gen: es ist Mari­os Bru­der, Claudio.

Der Künst­ler und Kunst­er­zie­her an einem Gra­zer Gym­na­si­um wur­de bis zur Neu­be­stel­lung Ende ver­gan­ge­nen Jah­res von der FPÖ in die Auf­sichts­rä­te von Graz Muse­um und Uni­ver­sal­mu­se­um Joan­ne­um sowie das Kura­to­ri­um des Künst­ler­hau­ses ent­sandt. Beim sechs­ten Beschul­dig­ten han­delt es sich um einen ehe­ma­li­gen Büro­mit­ar­bei­ter des Vize­bür­ger­meis­ters (Name der Redak­ti­on bekannt), nicht um den Büro­lei­ter, wie ein Gerücht die Run­de gemacht hat­te. (grazer.at)

Österreich: Täglich antisemitische Vorfälle

Die Anti­se­mi­tis­mus-Mel­de­stel­le der Israe­li­ti­schen Kul­tus­ge­mein­de (IKG) leg­te kürz­lich ihren Bericht für das ers­te Halb­jahr 2022 vor. Dem­nach war die Zahl der gemel­de­ten anti­se­mi­ti­schen Vor­fäl­le, die 2021 regel­recht explo­diert ist, im ers­ten Halb­jahr 22 zwar rück­läu­fig, aber ist nach wie vor uner­träg­lich hoch: Im Durch­schnitt wer­den täg­lich zwei Vor­fäl­le gemel­det. Die tat­säch­li­che Zahl der Vor­fäl­le wird weit höher sein.

Vom 1. Jän­ner bis 30. Juni 2022 wur­den der Anti­se­mi­tis­mus-Mel­de­stel­le der Israe­li­ti­schen Kul­tus­ge­mein­de Wien (IKG) 381 anti­se­mi­ti­sche Vor­fäl­le gemel­det – 32 Pro­zent weni­ger als im Ver­gleichs­zeit­raum des Vor­jahrs (562). Ins­ge­samt wur­den 2021 965 anti­se­mi­ti­sche Vor­fäl­le gemel­det.“ (derstandard.at, 3.11.22)

Anzahl gemeldeter antisem. Vorfälle 1. Halbjahr 22 und 21 (Quelle: Antisemitismusberichte IKG)
Anzahl gemel­de­ter anti­sem. Vor­fäl­le 1. Halb­jahr 22 und 21 (Quel­le: Anti­se­mi­tis­mus­be­rich­te IKG)

Die extrem hohen Wer­te für 2021 waren auf Aktio­nen von Coro­na-Leug­nern (gel­be David­ster­ne) und von anti­se­mi­ti­schen Akteu­ren rund um Rake­ten­an­grif­fe auf Isra­el zurück­zu­füh­ren. Nach Ansicht der Mel­de­stel­le hat die ver­schärf­te straf­recht­li­che Repres­si­on gegen die Rela­ti­vie­rung des Holo­caust und der Rück­gang der Pan­de­mie zu den nied­ri­ge­ren Zah­len im ers­ten Halb­jahr 22 beigetragen.

Der Anti­se­mi­tis­mus­be­richt ord­net die Mehr­zahl der Über­grif­fe auf Juden und Jüdin­nen im ers­ten Halb­jahr 2022 auch ideo­lo­gisch zu. Dem­nach hat­ten die meis­ten Vor­fäl­le (201) einen rechts­extre­men Hin­ter­grund, gefolgt von lin­ken (81) und mus­li­mi­schen (34) Moti­ven. Bei 65 Vor­fäl­len war kei­ne Zuord­nung mög­lich. (derstandard.at)