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Vereinsmeier, Schwurbler, Reichsbürger & COVID-Wirtschaftshilfen

Wann genau der Tiro­ler Bus­un­ter­neh­mer aus Imst gekippt ist, kön­nen wir nicht sagen. Ein Tur­bo war wohl die Pan­de­mie, in der er nach reichs­bür­ger­li­chem Dreh­buch unzäh­li­ge Ver­ei­ne gegrün­det hat, um dort, wie er dekla­rier­te, sein gesam­tes Ver­mö­gen zu par­ken und Mitstreiter*innen gegen Bares in Form von Mit­glieds­bei­trä­gen zu ver­sam­meln. Zwei Raz­zi­en hat er hin­ter sich, […]

17. Nov 2022
Bus von T. in Wien polizeilich angehalten (Foto: Twitter @betonblau)
Bus von T. in Wien polizeilich angehalten (Foto: Twitter @betonblau)

Sei­ne Nazi-Chats, die er mit Mar­kus S. aus­ge­tauscht haben soll, stam­men bereits aus Vor-Coro­na-Zei­ten, näm­lich aus den Jah­ren 2016 bis 2020. Dafür und wegen der Zur­schau­stel­lung von Hit­lers „Mein Kampf“ muss sich A.T. nach dem Ver­bots­ge­setz vor Gericht verantworten.

Zusammenfassung der Anklage gegen T. lt. Verhandlungskalender LG Innsbruck
Zusam­men­fas­sung der Ankla­ge gegen T. lt. Ver­hand­lungs­ka­len­der LG Innsbruck

Dem hat er sich jedoch zwei Mal ent­zo­gen, indem er nicht zur Ver­hand­lung erschie­nen ist. Beim zwei­ten Pro­zess­ter­min, am 7. Okto­ber, sei T. poli­zei­lich gesucht, jedoch nicht auf­ge­fun­den wor­den, wur­de beim Pro­zess bekannt­ge­ge­ben. Nun hat­te die Staats­an­walt­schaft offen­bar genug, berich­ten die Tiro­ler Nach­rich­ten (3.11.22): „Wie das Lan­des­ge­richt ges­tern der TT auf Anfra­ge bestä­tig­te, wur­de des­halb am 20. Okto­ber Unter­su­chungs­haft über den Ober­län­der ver­hängt. ‚Wegen Flucht­ge­fahr.‘“ Am 2. Novem­ber wur­de zudem ein Kon­kurs­ver­fah­ren über T.s Unter­neh­men, ein Bus- und Taxi­un­ter­neh­men mit ange­schlos­se­nem Rei­se­bü­ro sowie Rei­fen­han­del und KFZ-Ser­vice, eröffnet.

Unter­neh­men und Vereine

Lan­ge zuvor hat­te T. kund­ge­tan, sein gesam­tes Ver­mö­gen auf Ver­ei­ne zu über­tra­gen, damit der Staat kei­nen Zugriff mehr dar­auf habe. Was nun an die laut T. 40 Ver­ei­ne, die er gegrün­det haben will, gegan­gen ist, wis­sen wir nicht; T. behaup­te­te, es sei­en die Betriebs­ge­bäu­de sowie sein Fuhr­park. In einem Video vom Juni 2022 beklag­te er sich jeden­falls bit­ter dar­über, dass die Poli­zei bei den zwei Raz­zi­en 2021 und 2022 in Ver­eins­räum­lich­kei­ten ein­ge­drun­gen sei und Ver­eins­be­sitz beschlag­nahmt habe.

Anmeldeformular für Busfahrt von T...-Institut zur Demo nach Wien: 65€ "Förderbeitrag“ + 20€ Vereinsmitgliedschaft
Anmel­de­for­mu­lar für Bus­fahrt von T…-Institut zur Demo nach Wien: 65€ „För­der­bei­trag“ + 20€ Vereinsmitgliedschaft

Tat­säch­lich sind Ver­eins­kon­struk­tio­nen ein belieb­tes Mit­tel von Staatsleugner*innen – der selbst­er­nann­te Reichsbürger-„König“ Peter Fit­zek hat das Modell in Deutsch­land vor­ex­er­ziert und gibt dazu auch Schu­lun­gen –, um schlicht­weg kei­ne Steu­ern zu bezah­len. Zumin­dest eine der Raz­zi­en bei T. fand laut Medi­en­be­rich­ten auch wegen des Ver­dachts auf Steu­er­hin­ter­zie­hung statt.

12 Vereine des A.T.
12 Ver­ei­ne des A.T.

In den Semi­na­ren, die T. anbie­tet, ler­ne man Hil­fe zur Selbst­hil­fe – etwa, wie man sein KFZ in T.s Werk­statt als Ver­eins­mit­glied selbst repa­rie­ren kön­ne. Es braucht nicht viel Phan­ta­sie, um zu erah­nen, dass Ver­eins­mit­glieds­bei­trä­ge und Spen­den den bei nor­ma­len Geschäfts­tä­tig­kei­ten übli­chen Preis erset­zen könn­ten, ohne dass für die dar­aus erziel­ten Ein­nah­men Abga­ben zu bezah­len wären. Außer­dem geht’s um Punk­te, die bei „nor­ma­len” Ver­ei­nen kei­ne Rol­le spie­len, jedoch für sol­che, die aus staats­feind­li­chen Inter­es­sen gebil­det wer­den, durch­aus: Poli­zei­kon­trol­len, Finanz­amt, Gerichtstermine.

Vereinslehrgang von T: Themen u.a. Richtiges Verhalten im Umgang mit Polizeikontrollen, Finanzamt, bei Gerichtsterminen ... (Screenshot Website T....-Institut)
Ver­eins­lehr­gang von T: The­men u.a. Rich­ti­ges Ver­hal­ten im Umgang mit Poli­zei­kon­trol­len, Finanz­amt, bei Gerichts­ter­mi­nen … (Screen­shot Web­site T.…-Institut)

T. hat­te groß­spu­rig ange­kün­digt, auch sein Eltern­haus in eine Ver­eins- und For­schungs­sta­ti­on aus­bau­en zu wol­len. Erforscht wür­den etwa diver­se gesund­heit­li­che Aspek­te. Dafür sol­len in T.s Insti­tut eige­ne Zer­ti­fi­ka­te wie Mas­ken­be­frei­ungs­at­tes­te aus­ge­stellt wor­den sein, um den Inhaber*innen etwa­ige Stra­fen bei Ver­stö­ßen gegen die COVID-Schutz­ma­ßen zu erspa­ren. Die ver­meint­li­chen For­schungs­ak­ti­vi­tä­ten dreh­ten sich natür­lich auch um die Impf­plicht: „Es besteht die Mög­lich­keit frei­wil­lig For­schungs­teil­neh­mer zu wer­den! Die geplan­ten Maß­nah­men (Impf­pflicht) der Behör­den sind somit nicht wirk­sam! FREIHEIT“, ist auf T.s Insti­tuts­web­site zu lesen.

T: "Bei einem Verein schafft man sich einen eigenen Rechtsraum selber!" (Screenshot Video WeltTV)
T: „Bei einem Ver­ein schafft man sich den Rechts­raum sel­ber!” (Screen­shot Video WeltTV)

T.s Ver­eins­grün­dun­gen hat­ten also mut­maß­lich zwei Zie­le: der Abga­ben­pflicht für unter­neh­me­ri­sche Tätig­kei­ten zu ent­kom­men und die COVID-Schutz­maß­nah­men legal, wie T. behaup­te­te, zu umge­hen. Von zwei­te­rem hat­ten auch jene Demoteilnehmer*innen Gebrauch gemacht, die T. mit sei­nen Bus­sen zu den Schwur­bel­de­mos nach Wien und Inns­bruck chauf­fiert hatte.

Kei­ne unter­neh­me­ri­schen Tätig­kei­ten, aber COVID-Wirtschaftshilfen?

Nun erstaunt es, dass T. bei den staat­li­chen COVID-19-Wirt­schafts­hil­fen trotz der von T. behaup­te­ten Ein­stel­lung sei­ner Geschäfts­tä­tig­kei­ten und trotz des bereits 2021 bestehen­den Ver­dachts, gegen die COVID-Ver­ord­nun­gen ver­sto­ßen zu haben, ordent­lich zugrei­fen konn­te: Wäh­rend T. 2020 „nur“ 10.564,36 Euro aus den COVID-Hil­fen lukrie­ren konn­te, stei­ger­te sich 2021, also im Jahr der ers­ten Raz­zia, die För­der­sum­me auf sat­te 177.807,85 Euro, und in die­sem Jahr hat T.s Fir­ma bis­lang (Stand 3.11.22) 94.138,41 Euro vom öster­rei­chi­schen Staat, des­sen Exis­tenz er als Staats­ver­wei­ge­rer aller­dings leug­net, abkas­siert. Die Tiro­ler Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Bar­ba­ra Neß­ler (Grü­ne) hat nun an den Finanz­mi­nis­ter eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge gerich­tet, in der sie nach­fragt, wie es zur Aus­zah­lung die­ser För­de­run­gen kom­men konn­te und ob Rück­for­de­run­gen ange­dacht sind.

Förderungen aus COVID-19-Wirtschaftshilfen für T. (Screenshot Transparenzportal)
För­de­run­gen aus COVID-19-Wirt­schafts­hil­fen für T. (Screen­shot Transparenzportal)

Im lau­fen­den Kon­kurs­ver­fah­ren sol­len Gläu­bi­ger ihre Ansprü­che bis 7. Dezem­ber gel­tend machen. Es ist anzu­neh­men, dass es wohl auch um die Ver­ei­ne gehen wird, auf die T. sein Ver­mö­gen über­tra­gen haben will. Aber viel­leicht hat T. dort nichts oder nur wenig geparkt und sei­ne peku­niä­ren Schäf­chen anders­wo ins Tro­cke­ne gebracht? Immer­hin sei er wegen Flucht­ge­fahr in Unter­su­chungs­haft genom­men wor­den. Es ist anzu­neh­men, dass die Staats­an­walt­schaft gute Grün­de für die­sen Schritt haben wird.

Insolvenz von T.s Firma (Screenshot Kreditschutzverband)
Insol­venz von T.s Fir­ma (Screen­shot Kreditschutzverband)

Mora­li­sche Hil­fe von Rechtsaußen

Bei T.s Geschich­te ist es nicht ver­wun­der­lich, dass schnell Schüt­zen­hil­fe von Rechts­au­ßen kam. Die ein­schlä­gi­ge Sym­pa­thie zeigt sich schon an den ers­ten drei Face­book-Freun­den, die uns beim Blick auf T.s Account ange­zeigt wer­den: der Info-Direkt-Betrei­ber Micha­el Scharf­mül­ler, ein ober­ös­ter­rei­chi­scher mehr­fach ver­ur­teil­ter Hard­core-Neo­na­zi und ein eben­falls wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ver­ur­teil­ter ehe­ma­li­ger Ims­ter FPÖ-Poli­ti­ker. Auch das rechts­extre­me Inter­net-TV „AUF1“ nahm sich im Juni des „schwe­ren” Schick­sals von T. an und mein­te, die Staats­ge­walt“ habe auf T.s „regie­rungs­kri­ti­sche“ Akti­vi­tä­ten „mit äußers­ter Bru­ta­li­tät“ reagiert.

Der Wochen­blick hypt T. in meh­re­ren Bei­trä­gen zum als vom „Staats-Ter­ror“ gequäl­ten „Mut-Bus­fah­rer“, der Anfang Sep­tem­ber eine andau­ern­de nerv­li­che Erkran­kung, die sich in schwe­ren Schmerz­schü­ben äußert (…) als Fol­ge einer posttraumatische[n] Belas­tung (…), die in Ver­bin­dung mit der stän­di­gen Repres­si­on steht“ erlit­ten habe. Daher habe er auch nicht sei­nem Pro­zess bei­woh­nen kön­nen. „Lei­den, die er erdul­det, wäh­rend er sich den­noch um Fir­men- und Ver­eins­an­ge­le­gen­hei­ten küm­mern muss“, weiß der Wochen­blick. Und auch, dass die Staats­an­walt­schaft T. vor­ge­wor­fen habe, sich nach Ungarn abset­zen zu wol­len. Das, empört sich der Wochen­blick, stim­me nicht, aber selbst eine Fahrt ins nahe EU-Aus­land, etwa zum Hosen­kauf am Bren­ner, [sei] frei­lich noch kein Indiz für ‚Flucht­ge­fahr‘ unbe­schol­te­ner Bür­ger“. Wer weiß: Viel­leicht muss­te der trau­ma­ti­sier­te, schmerz­ge­plag­te T. gera­de zum Zeit­punkt des zwei­ten Pro­zess­ter­mi­nes irgend­wo eine Hose kau­fen? Was der Wochen­blick offen­bar nicht berich­ten will: dass T. nach dem Ver­bots­ge­setz ange­klagt ist und dass bereits im Juli der ers­te Pro­zess­ter­min war oder dass T. vom Staat Wirt­schafts­hil­fen über fast 300.000 Euro bezo­gen hat. Aber Details die­ser Art wür­den nicht so gut ins Opfer­n­ar­ra­tiv von T. und dem Wochen­blick passen.

Wochenblick: "Mut-Busfahrer"
Wochen­blick: „Mut-Bus­fah­rer”

Der „Schöp­fungs­quell”

Knapp vor sei­ner Ver­haf­tung teil­te T. auf sei­nem Face­book-Account noch eine „Pro­kla­ma­ti­on“, in der in A4-Län­ge ver­packt ist, was wohl auch in Tirol als Schmar­ren zu bezeich­nen ist: Da ist zu lesen, dass wir uns bei Befol­gung von COVID-Schutz­maß­nah­men der poten­ti­el­len Gefahr aus­set­zen, uns zu „ERFÜLLUNGSGEHILFIN/EN — einer rein ‚poli­tisch-ideo­lo­gisch‘ gelenk­ten, aber ‚unwis­sen­schaft­li­chen‘ und EMRK-wid­ri­gen/­Ver­fas­sungs­wid­ri­gen ANWEISUNG/WEISUNG/BEFEHL/AUFFORDERUNG/VERORDNUNG/ANORDNUNG‘, zu machen. SIE sind dann selbst in der HAFTUNG!“ [Feh­ler im Original] 

T. teil Schwurbel"proklamation" des Vereins "SchöpfungsQUELL"
T. teil Schwurbel„proklamation” des Ver­eins „Schöp­fungs­QUELL”

Hier geht es natür­lich um das Tra­gen von Mas­ken, das Tes­ten etc.. Das Pam­phlet stammt von einem prak­ti­zie­ren­den All­ge­mein­me­di­zi­ner aus dem Bezirk Schwaz mit Affi­ni­tä­ten zu aller­lei Eso­te­rik­kram und „alter­na­ti­ven“, also rech­ten und ver­schwö­rungs­ideo­lo­gi­schen Medi­en, zu denen der Arzt auf sei­ner Pra­xis­web­site ver­linkt. Um mit die­sen kru­den Ansich­ten wirk­sa­mer zu wer­den, hat Herr Dok­tor – was denn sonst? – einen Ver­ein gegrün­det. „Schöp­fungs­QUELL“ nennt sich der. Ob T. von dort auch sein Krank­heits­at­test geschöpft hat?

Schwurbelarzt Alois D. verlinkt auf Praxiswebsite zu rechten Medien
Schwur­bel­arzt Alo­is D. ver­linkt auf Pra­xis­web­site zu rech­ten Medien

➡️ 1 Schwur­be­l­in­sti­tut, zig Ver­ei­ne und brau­ne Umtriebe