Wochenschau KW 17/22

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Rück­blick auf die letz­te Woche mit eini­gen Pro­zes­sen und Nazi-Schmie­re­rei­en: Ein Salz­bur­ger Arzt wegen Wie­der­be­tä­ti­gung vor Gericht und in Wien ein 18-fach Vor­be­straf­ter, zwei Gar­ten­par­tys – eine in der Stei­er­mark, eine ande­re in Kärn­ten – mit brau­nen Umtrie­ben, die an den Gerich­ten ver­han­delt wur­den und der Ex-Chef der Salz­bur­ger Frei­heit­li­chen Jugend, der in Wien vor dem Kadi stand, dazu Haken­kreuz­schmie­re­rei­en in Nie­der- und Oberösterreich.

Salzburg: Arzt als Antisemit und NS-Fan
Wien: 18 Vorstrafen und ein Hakenkreuztattoo
Graz/Oststmk: Jede Menge „Dummheiten“
St. Paul/Klagenfurt: Prozess ohne Berichterstattung
Wien: Ex-Chef der Freiheitlichen Jugend Salzburg vor Gericht
Perg/OÖ: 16-jähriger Hakenkreuzsprüher aufgeflogen
Wiener Neustadt: Hakenkreuz in Bahnunterführung

Salzburg: Arzt als Antisemit und NS-Fan

Ein Salz­bur­ger Arzt muss­te sich am 21. April vor dem Lan­des­ge­richt wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ver­ant­wor­tet. Belas­tet hat ihn sei­ne eige­ne inzwi­schen Ex-Frau, die im Zuge des Schei­dungs­ver­fah­rens das Gesin­nungs­le­ben ihres Gat­ten offen­ge­legt hat.

Unter ande­rem hat­te er, so die Ankla­ge der Staats­an­walt­schaft Salz­burg, zwi­schen Febru­ar 2018 und Mai 2021 gegen­über sei­ner inzwi­schen ehe­ma­li­gen Gat­tin immer wie­der Äuße­run­gen getä­tigt, in denen er „den Natio­nal­so­zia­lis­mus und des­sen Ziel­set­zun­gen pro­pa­giert oder Adolf Hit­ler als des­sen Füh­rer ver­herr­licht“ habe. Vor allem soll er dabei gegen das Juden­tum – als das vor­ran­gi­ge Feind­bild des Natio­nal­so­zia­lis­mus – auf gera­de­zu scho­ckie­ren­de und ekel­haf­te Art und Wei­se gewet­tert haben. (Salz­bur­ger Nach­rich­ten, 26.4.22, S. 4)

Der Arzt soll in einem Notiz­buch anti­se­mi­ti­sche Äuße­run­gen gesam­melt haben, Nazi-Pro­gan­da­schrif­ten für sei­ne Kin­der gesam­melt und NS-Devo­tio­na­li­en gehor­tet haben. Inwie­weit die Äuße­run­gen des Arz­tes straf­bar waren, indem sie über den engen pri­va­ten Rah­men hin­aus getä­tigt oder Devo­tio­na­li­en zur Schau gestellt wur­den, geht aus dem Bericht der SN nicht her­vor. Den­noch gab’s einen ein­stim­mi­gen Schuld­spruch und eine Stra­fe über 15 Mona­te bedingt – nicht rechtskräftig.

Wien: 18 Vorstrafen und ein Hakenkreuztattoo

Der Bericht des „Stan­dard“ liest sich wie eine Epi­so­de aus dem hei­te­ren Bezirks­ge­richt, der Hin­ter­grund ist aller­dings bit­ter­ernst. Der 18-fach Vor­be­straf­te Win­fried S. muss­te wegen eines Haken­kreuz-Tat­toos auf sei­nem Unter­arm nun bereits zum zwei­ten Mal im Gericht antan­zen. Sei­ne kri­mi­nel­le Kar­rie­re habe er bereits 1981 als Vier­zehn­jäh­ri­ger begon­nen. 1993, als 27-Jäh­ri­ger hat­te er sei­ne Ex-Freun­din so geschla­gen und getre­ten, dass sie an den Ver­let­zun­gen ver­starb. S. kas­sier­te dafür zwölf Jah­re Haft. Danach folg­ten Raub­über­fäl­le, 

die jüngs­ten Vor­ver­ur­tei­lun­gen sind aus den Jah­ren (sic!) 2020. Bei einer wur­de bean­tragt, ihn wegen Haft­un­fä­hig­keit auf frei­en Fuß zu las­sen. „Angeb­lich, weil Sie Lun­gen­krebs hat­ten. Da wur­de dann ein Gut­ach­ten ein­ge­holt, das hat über­haupt nicht gestimmt!”, stellt Böhm zum Unmut des Ange­klag­ten fest. Auch die bis­her letz­te Vor­stra­fe muss­te S. nicht antre­ten, da er eine Ent­zugs­the­ra­pie [wegen Dro­gen­ab­hän­gig­keit; Anmk. SdR] absol­viert. (derstandard.at)

Die Haken­kreuz­tä­to­wie­rung habe er bereits im Alter von 14 bekom­men, im betrun­ke­nen Zustand und ohne zu wis­sen, was im gesto­chen wird, führ­te S. aus. Nach 37 Jah­ren, im Jahr 2018, ver­sprach er vor Gericht die Ent­fer­nung, „nur ver­säum­te er die Ter­mi­ne immer, da er sich in Straf- oder Unter­su­chungs­haft befun­den habe“. 

Nach eini­gem Hin und Her im Gerichts­saal, ob das Tat­too unter einem Pflas­ter ver­steckt war oder nicht, wird S. ein­stim­mig frei­ge­spro­chen, auch, weil das LVT kei­ne Hin­wei­se habe, „dass der Ange­klag­te irgend­wel­che Berüh­rungs­punk­te mit Rechts­extre­men hät­te“. 

Graz/Oststmk: Jede Menge „Dummheiten“

Manch­mal geben Nazis ja bereit­wil­lig zu, dass sie dumm sind bzw. dum­me Aktio­nen, „Blöd­sinn“, gelie­fert haben. Ob sie es selbst glau­ben, sei dahin­ge­stellt, vor Gericht ist es jeden­falls eine belieb­te Tak­tik, um aus der Ankla­ge mög­lichst glimpf­lich her­aus­zu­kom­men. So geschah es auch letz­te Woche in Graz, wo sich ein 44-jäh­ri­ger und ein 39-jäh­ri­ger Ost­stei­rer wegen aller­lei Ankla­ge­punk­ten nach dem Ver­bots­ge­setz erklä­ren muss­ten. Etwa zu vie­len Nazi-Bil­dern, die via Whats­App ver­teilt wur­den oder zu einem Por­no­vi­deo, über das es in den Berich­ten der Klei­nen Zei­tung (27.4.22, S. 22) und der Kro­nen Zei­tung zwei Ver­sio­nen gibt. Die Klei­ne Zei­tung schreibt über einen der Ange­klag­ten, er habe

ein geschmack­lo­ses Video (Inhalt: Geschlechts­ver­kehr samt Hit­ler­gruß) eigent­lich an einen Bekann­ten wei­ter­lei­ten [wol­len]. Des­sen Frau hat das Video ent­deckt und nach dem ers­ten Ärger dar­über die Poli­zei dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Absen­der auch Fla­schen mit dem Kon­ter­fei von Adolf Hit­ler in sei­ner Gar­ten­hüt­te ausstelle.

Die Ver­si­on der Kro­nen Zei­tung klingt etwas anders:  „So ein „Blöd­sinn“ war zum Bei­spiel ein mit Nazi-Marsch­mu­sik unter­leg­tes Por­no-Video, in dem ein Mann die Hand in Rich­tung einer Haken­kreuz-Fah­ne zum Hit­ler­gruß erhebt. Das Video ging ver­se­hent­lich an die Ex eines Freun­des, eine Jüdin, die Anzei­ge erstattete.”

Im Zuge einer Haus­durch­su­chung beim 44-Jäh­ri­gen sei­en noch Fotos von Gar­ten­par­tys auf­ge­taucht „wo die Ange­klag­ten unter ande­rem uni­for­miert und mit Hit­ler-Bart zu sehen sind; flan­kiert von Fla­schen mit Hit­ler-Eti­ket­ten. Hin­zu kom­men Daten­trä­ger mit Mas­sen an Nazi-Bil­dern.“ (krone.at)

Beim Erst­an­ge­klag­ten sei sogar ein Bild sei­nes Soh­nes, der mit Hit­ler­bart „deko­riert” war, gefun­den wor­den. Das nicht rechts­kräf­ti­ge Urteil: „15 bzw. 12 Mona­te beding­te Haft plus 18.000 Euro Stra­fe für den Vor­be­straf­ten. Zudem Wei­sung zu einem Besuch des KZ Maut­hau­sen.“ Wer von den bei­den der Vor­be­straf­te war, geht aus kei­nem Zei­tungs­be­richt her­vor. 18.000 Euro ist jeden­falls eine unge­wöhn­lich hohe Geldstrafe.

St. Paul/Klagenfurt: Prozess ohne Berichterstattung

Bedau­er­li­cher­wei­se hat kein Medi­um von dem Pro­zess gegen drei Kärnt­ner berich­tet, der am 27.4.22 am Lan­des­ge­richt Kla­gen­furt statt­ge­fun­den hat. Daher kön­nen wir nur den Sach­ver­halt aus dem Ver­hand­lungs­spie­gel des Lan­des­ge­richts wiedergeben:

Drei jun­gen Erwach­se­nen wird zur Last gelegt, im bewuss­ten und gewoll­ten Zusam­men­wir­ken am 10.07.2020 in St. Paul im Lavant­tal sich im natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Sin­ne betä­tigt zu haben, indem sie im Rah­men einer Gar­ten­par­ty mehr­mals die rech­te Hand zum soge­nann­ten „Deut­schen Gruß“ erho­ben haben sol­len. Dar­über hin­aus wird zwei der Ange­klag­ten zur Last gelegt, auf ihrer Brust und ihren Bäu­chen ein Haken­kreuz sowie die Zah­len­fol­ge 88 auf­ge­malt zu haben. Dar­über hin­aus wird einem der Ange­klag­ten zur Last gelegt, einer anwe­sen­den Frau ein Haken­kreuz auf deren Bauch auf­ge­malt zu haben.

Wien: Ex-Chef der Freiheitlichen Jugend Salzburg vor Gericht

Es war am 4. Dezem­ber 2021 bei einer der Coro­na-Demos, an der wie fast immer auch zahl­rei­che Rechts­extre­me am Start waren. Dabei war auch der iden­ti­tä­ren­na­he Roman Mösen­der, damals auch Chef der frei­heit­li­chen Jugend Salz­burg. Nach­dem sich her­um­ge­spro­chen hat­te, dass er in eine Aus­ein­an­der­set­zung mit der Poli­zei invol­viert war, leg­te er sein Amt in Salz­burg nie­der – die FPÖ selbst gab dazu bis dato kei­ne Stel­lung­nah­me ab.

Beim Pro­zess scheint Mösen­der, der mitt­ler­wei­le in Polen lebt und vom rech­ten Sze­ne­an­walt Wer­ner Toma­nek ver­tei­digt wur­de, die gro­ße Klap­pe abhan­den gekom­men zu sein, dort stell­te er sich als „nor­ma­ler Demons­trant“ dar, der auf­grund der Tumul­te bei der Demo weg­lau­fen habe wol­len und dabei unglück­li­cher­wei­se einen Poli­zis­ten nie­der­ge­rannt habe. Der Poli­zist, der Mösen­der teil­wei­se ent­las­te­te, habe eine Zer­rung des lin­ken Mit­tel­fin­gers und ein Häma­tom an der rech­ten Hüf­te erlit­ten. Am Ende des Pro­zes­ses ver­kün­de­te die Rich­te­rin ein mil­des Urteil.

Von den ange­klag­ten Vor­wür­fen des Wider­stan­des gegen die Staats­ge­walt und der schwe­ren Kör­per­ver­let­zung spricht sie Möse­ne­der zwar tat­säch­lich frei, ver­ur­teilt ihn aber wegen grob fahr­läs­si­ger Kör­per­ver­let­zung zu einer Geld­stra­fe von 90 Tages­sät­zen à vier Euro, gesamt also 360 Euro. Dem ver­letz­ten Beam­ten muss der Ange­klag­te 300 Euro zah­len. (derstandard.at, 27.4.22)

Das Urteil ist nicht rechts­kräf­tig, da die Staats­an­walt­schaft kei­ne Erklä­rung abgab.

Die­ses Video vom Pres­se Ser­vice Wien, das Mösen­der bei der Demo zeigt, wur­de im Gerichts­saal vorgeführt:

Perg/OÖ: 16-jähriger Hakenkreuzsprüher aufgeflogen

Ein 16-Jäh­ri­ger, der am 11. April beim Her­ren-WC am Bahn­hof Perg sowie bei der Getrei­de-Trock­nungs­an­la­ge Ais­t­ho­fen poli­zei­feind­li­che Sprü­che und meh­re­re Haken­kreu­ze an die Wän­de gesprüht hat, konn­te von Beam­ten der Poli­zei­in­spek­ti­on Perg aus­ge­forscht wer­den. Durch die Schmie­re­rei­en ent­stand ein Scha­den in der Höhe von meh­re­ren Tau­send Euro. Der Jugend­li­che zeig­te sich umfas­send gestän­dig. (Ober­ös­ter­rei­chi­sches Volks­blatt, 27.4.22)

Wiener Neustadt: Hakenkreuz in Bahnunterführung

Das hat schon wie­der etli­che Spa­zier­gän­ger ver­är­gert: Die Unter­füh­rung in der Wohl­fahrt­gas­se zur Schmu­ckerau wur­de in den letz­ten Tagen ein­mal mehr von Spray­ern heim­ge­sucht. Dabei wur­den nicht nur Schrift­zü­ge gekrit­zelt und Smi­leys hin­ter­las­sen, auch ein Haken­kreuz wur­de auf die Wand gemalt. (NÖN Nr., 27.4.22, S. 8)