Prozess „Europäische Aktion“ (Teil 2): Das Netzwerk wird sichtbar

Der zweite Prozesstag im Ver­fahren der Repub­lik Öster­re­ich gegen fünf mut­maßliche Neon­azis der Europäis­chen Aktion war fast genau­so inter­es­sant wie der erste. Es gibt nur ein Prob­lem: Ich war nicht vor Ort. Es gibt aber ein aus­geze­ich­netes Pro­tokoll der Mitarbeiter*innen von „prozess.report“, das mich in die Lage ver­set­zt, die Aus­sagen und Erken­nt­nisse aus dem zweit­en Prozesstag zusam­men­z­u­fassen. Ein Bericht von Karl Öllinger.

Zunächst noch ein­mal eine Danksa­gung an die Men­schen hin­ter „prozess.report“, die eine demokratiepoli­tisch äußerst wichtige Arbeit leis­ten, indem sie über Gerichtsver­fahren bericht­en, an denen Journalist*innen der größeren Medi­en (aus Zeit- und Per­sonal­man­gel) entwed­er gar nicht oder nur für sehr beschränk­te Zeit teil­nehmen. Die von „prozess.report“ bleiben sitzen und schreiben mit. Dass sie diesen Wieder­betä­ti­gung­sprozess beobacht­en, ist ein großes Glück für uns.

Der Prozess gegen die fünf Aktivis­ten der Europäis­chen Aktion ist übri­gens schon fast wieder zu Ende. Das Beweisver­fahren ist abgeschlossen, jet­zt kom­men noch die Plä­doy­ers von Anklage und Vertei­di­gung und die allfäl­li­gen Erk­lärun­gen der Angeklagten, die Beratun­gen der Geschwore­nen und das Urteil, das ange­blich für Anfang der näch­sten Woche zu erwarten ist.

Was ich am ersten Tag erlebt habe, dürfte sich am zweit­en Tag fort­ge­set­zt haben: ein präzise vor­bere­it­eter Vor­sitzen­der Richter, der den Prozess ruhig und sou­verän geleit­et hat. Einen Nach­trag muss ich noch zum ersten Tag machen – er bet­rifft eine bemerkenswerte Aus­sage von Peter K., der so ganz neben­bei erwäh­nt, dass er jene deutschen Staats­bürg­er, die an den Waf­fenübun­gen der MNA teilgenom­men haben oder teil­nehmen woll­ten, für mil­itärisch bess­er aus­ge­bildet halte als die MNA-Nazis. Die Aus­sage von Peter K. war wider­sprüch­lich, weil er ein­er­seits bestritt, dass es zu gemein­samen Waf­fenübun­gen von MN und EA gekom­men sei, ander­er­seits aber „gehört“ haben will, dass „in der Gruppe, die damals in Ungarn waren, dass da einige ehe­ma­lige Sol­dat­en waren“.

Janos N. ungar. Aktivist der EA

Janos N. ungar. Aktivist der EA

Für den zweit­en Tag war noch die Befra­gung der restlichen drei Angeklagten offen, wobei hier aus­gerech­net die Aus­sagen des Drit­tangeklagten Peter H., der als einziger der fünf bei­de vorge­wor­fe­nen Delik­te bestrit­ten hat­te, die bemerkenswertesten waren. Warum? Weil durch ihn das recht­sex­treme Net­zw­erk rund um die EA deut­lich sicht­bar gewor­den ist. Ohne dieses Net­zw­erk hätte es keine EA in Öster­re­ich gegeben. Das entsprach ja dem Selb­stver­ständ­nis der Europäis­chen Aktion und ihrer Väter (von Schaub über Hen­nig bis Berg­er), die sich selb­st als die ide­ol­o­gis­chen Träger und die EA als Instru­ment zur Ver­net­zung und Verbindung von recht­sex­tremen Struk­turen sahen.

In den Aus­sagen des Erst- und Zwei­tangeklagten kon­nte man dieses recht­sex­treme Net­zw­erk besten­falls erah­nen. Bei­de legten aber den Schw­er­punkt auf ihre per­sön­liche Beziehung zu Hans Berg­er, dem Lan­desleit­er. Thomas G. erwäh­nte immer­hin die „Burschen­schaft Tafel­runde zu Wien“, in der er eben­so Mit­glied war wie Rudolf Vogel, der ver­stor­bene Wiener Gebi­et­sleit­er der EA. Aber Peter K.? Sein öster­re­ichis­ch­er Wohn­sitz liegt im Bun­des­land Salzburg, in Ungarn besitzt er ein Haus, wohnt anscheinend auch dort, weil er sich seine Gericht­spost nach Ungarn schick­en lassen will. Wie kam der zur EA? Über Vogel, sagte er im Prozess. Dann habe er auch Berg­er getrof­fen, will aber ins­ge­samt nur bei zwei oder drei Tre­f­fen gewe­sen sein (bei denen er fast nie­man­den gekan­nt haben will). Die Kon­tak­tan­bah­nung und Beziehung von Peter K., dem MNA-Mann, bleibt also ziem­lich im Dunkeln.

Durch Peter H., den Drit­tangeklagten, erhält man eine unge­fähre Vorstel­lung von den recht­sex­tremen Net­zw­erken, in denen die EA ihre Aktivis­ten fis­chte. Hans Berg­er will H. 2015 bei der 50. Akademie der AfP in Sopron ken­nen­gel­ernt haben. Die Aktion­s­ge­mein­schaft für Poli­tik (AfP) ist eine recht­sex­treme Scharnieror­gan­i­sa­tion zum Neon­azis­mus mit deut­lich abnehmender Ausstrahlung. Berg­er hat bei diesem Auftrieb von mehr oder min­der bekan­nten Recht­sex­tremen und Neon­azis über Kol­ben­hey­er und die deutsche Wiederge­burt referiert – das DÖW berichtete. Kol­ben­hey­er war ein schw­er­er Nazi-Poet, glühen­der Verehrer Hitlers, der ihn dafür dann auf die „Got­tbeg­nade­ten­liste“ set­zen ließ. Berg­er war Vor­sitzen­der der öster­re­ichis­chen Kol­ben­hey­er-Gesellschaft. Wer hierzu­lande ein Beken­nt­nis zu Kol­ben­hey­er ablegt wie etwa ein H.M. in „Zur Zeit“ 2010, set­zt damit einen Code für wis­sende Recht­sex­treme und Nazis.

Peter H., der Jus, Sinolo­gie, Japanolo­gie, Ara­bis­tik (ohne Abschluss) studierte, hat nicht nur Inter­esse an Kol­ben­hey­er, son­dern auch beste Beziehun­gen im recht­sex­tremen Lager: zu Ste­fan Mag­net, über den er für Info-Direkt Äufträge bekom­men hat, zu Gerd Hon­sik, dem er seine Web­seite neu aufge­set­zt hat, zu Roland Wut­tke, den er fälschlicher­weise als AfD-Land­tagsab­ge­ord­neten beze­ich­net (Wut­tke war NPD-Chef von Ober­bay­ern und „Schriftleit­er“ von „ Der Reichs­bote – Volk in Bewegung“).

FB-Seite Gerd Honsik: "Holokamu Bélu Ss" postet Link zur EA

FB-Seite Gerd Hon­sik: „Holoka­mu Bélu Ss” postet Link zur EA

Hon­sik hat er sog­ar eine Zwis­chen­woh­nung in Wien organ­isiert, für Wut­tke eine Führung durch Wien gemacht. Peter H. war also bestens ver­net­zt mit Per­so­n­en aus der recht­sex­tremen Szene. Aber eben auch mit Insti­tu­tio­nen wie dem „Frei­heitlichen Bil­dungsin­sti­tut“ (FBI), der Bil­dung­sein­rich­tung der FPÖ, für die er anscheinend bes­timmte Arbeit­en aus­ge­führt hat.

Ja, und dann gibt es noch etwas: Der Vor­sitzende Richter kramt wieder ein­mal in den Prozes­sak­ten und zieht die Mitschrift eines abge­hörten Tele­fonats zwis­chen Berg­er und Peter H. her­vor, in dem er als für „Mit­teleu­ropa“ Ver­ant­wortlich­er ange­sprochen wird. Peter H. klärt den Richter auf, dass er mit ungarischen Fre­un­den ein Mit­teleu­ropa-Online-Mag­a­zin gegrün­det habe, das so heißt. „Mit­teleu­ropa“? Oder doch nicht eher „Unser Mit­teleu­ropa“? Dieses 2016 gegrün­dete Online-Medi­um war näm­lich eine aus Ungarn finanzierte Schöp­fung von Recht­sex­tremen aus Öster­re­ich, Ungarn und Deutsch­land und passt auch gut zum Aktion­sra­dius der EA.

Online-Magazin "Unser Mitteleuropa"

Online-Mag­a­zin „Unser Mitteleuropa”

Die Befra­gung von Peter H. war also dur­chaus ergiebig, was das Net­zw­erk rund um die „Europäis­che Aktion“ bet­rifft. Was noch ins­ge­samt fehlt bei den Stützstruk­turen für die EA: das „Haus der Heimat“, wo Bern­hard Schaub 2012 seine öster­re­ichis­che Auf­takt- und Rekru­tierungsver­anstal­tung hal­ten kon­nte. Es wür­den mir noch einige andere ein­fall­en, aber die sind in der Ver­hand­lung eben­so wenig genan­nt wor­den wie das staatlich geförderte „Haus der Heimat“, das für EA-Pro­pa­gan­da und Rekru­tierung den wichtig­sten Rah­men gebildet hat.

Der Beitrag der restlichen zwei Angeklagten, Patrick V. und Nor­bert C. zur Aufk­lärung über die EA-Struk­turen war mehr als beschei­den. Wir wer­den bald sehen, welche Ver­ant­wor­tung bzw. Schuld das Geschwore­nen­gericht ihnen und den anderen Angeklagten beimisst.

➡️ Prozess Europäis­che Aktion (Teil 1): Wo sind die anderen?
➡️ Prozess „Europäis­che Aktion“ (Teil 3): Zwischenstopp!