Zunächst noch einmal eine Danksagung an die Menschen hinter „prozess.report“, die eine demokratiepolitisch äußerst wichtige Arbeit leisten, indem sie über Gerichtsverfahren berichten, an denen Journalist*innen der größeren Medien (aus Zeit- und Personalmangel) entweder gar nicht oder nur für sehr beschränkte Zeit teilnehmen. Die von „prozess.report“ bleiben sitzen und schreiben mit. Dass sie diesen Wiederbetätigungsprozess beobachten, ist ein großes Glück für uns.
Der Prozess gegen die fünf Aktivisten der Europäischen Aktion ist übrigens schon fast wieder zu Ende. Das Beweisverfahren ist abgeschlossen, jetzt kommen noch die Plädoyers von Anklage und Verteidigung und die allfälligen Erklärungen der Angeklagten, die Beratungen der Geschworenen und das Urteil, das angeblich für Anfang der nächsten Woche zu erwarten ist.
Was ich am ersten Tag erlebt habe, dürfte sich am zweiten Tag fortgesetzt haben: ein präzise vorbereiteter Vorsitzender Richter, der den Prozess ruhig und souverän geleitet hat. Einen Nachtrag muss ich noch zum ersten Tag machen – er betrifft eine bemerkenswerte Aussage von Peter K., der so ganz nebenbei erwähnt, dass er jene deutschen Staatsbürger, die an den Waffenübungen der MNA teilgenommen haben oder teilnehmen wollten, für militärisch besser ausgebildet halte als die MNA-Nazis. Die Aussage von Peter K. war widersprüchlich, weil er einerseits bestritt, dass es zu gemeinsamen Waffenübungen von MN und EA gekommen sei, andererseits aber „gehört“ haben will, dass „in der Gruppe, die damals in Ungarn waren, dass da einige ehemalige Soldaten waren“.
Für den zweiten Tag war noch die Befragung der restlichen drei Angeklagten offen, wobei hier ausgerechnet die Aussagen des Drittangeklagten Peter H., der als einziger der fünf beide vorgeworfenen Delikte bestritten hatte, die bemerkenswertesten waren. Warum? Weil durch ihn das rechtsextreme Netzwerk rund um die EA deutlich sichtbar geworden ist. Ohne dieses Netzwerk hätte es keine EA in Österreich gegeben. Das entsprach ja dem Selbstverständnis der Europäischen Aktion und ihrer Väter (von Schaub über Hennig bis Berger), die sich selbst als die ideologischen Träger und die EA als Instrument zur Vernetzung und Verbindung von rechtsextremen Strukturen sahen.
In den Aussagen des Erst- und Zweitangeklagten konnte man dieses rechtsextreme Netzwerk bestenfalls erahnen. Beide legten aber den Schwerpunkt auf ihre persönliche Beziehung zu Hans Berger, dem Landesleiter. Thomas G. erwähnte immerhin die „Burschenschaft Tafelrunde zu Wien“, in der er ebenso Mitglied war wie Rudolf Vogel, der verstorbene Wiener Gebietsleiter der EA. Aber Peter K.? Sein österreichischer Wohnsitz liegt im Bundesland Salzburg, in Ungarn besitzt er ein Haus, wohnt anscheinend auch dort, weil er sich seine Gerichtspost nach Ungarn schicken lassen will. Wie kam der zur EA? Über Vogel, sagte er im Prozess. Dann habe er auch Berger getroffen, will aber insgesamt nur bei zwei oder drei Treffen gewesen sein (bei denen er fast niemanden gekannt haben will). Die Kontaktanbahnung und Beziehung von Peter K., dem MNA-Mann, bleibt also ziemlich im Dunkeln.
Durch Peter H., den Drittangeklagten, erhält man eine ungefähre Vorstellung von den rechtsextremen Netzwerken, in denen die EA ihre Aktivisten fischte. Hans Berger will H. 2015 bei der 50. Akademie der AfP in Sopron kennengelernt haben. Die Aktionsgemeinschaft für Politik (AfP) ist eine rechtsextreme Scharnierorganisation zum Neonazismus mit deutlich abnehmender Ausstrahlung. Berger hat bei diesem Auftrieb von mehr oder minder bekannten Rechtsextremen und Neonazis über Kolbenheyer und die deutsche Wiedergeburt referiert – das DÖW berichtete. Kolbenheyer war ein schwerer Nazi-Poet, glühender Verehrer Hitlers, der ihn dafür dann auf die „Gottbegnadetenliste“ setzen ließ. Berger war Vorsitzender der österreichischen Kolbenheyer-Gesellschaft. Wer hierzulande ein Bekenntnis zu Kolbenheyer ablegt wie etwa ein H.M. in „Zur Zeit“ 2010, setzt damit einen Code für wissende Rechtsextreme und Nazis.
Peter H., der Jus, Sinologie, Japanologie, Arabistik (ohne Abschluss) studierte, hat nicht nur Interesse an Kolbenheyer, sondern auch beste Beziehungen im rechtsextremen Lager: zu Stefan Magnet, über den er für Info-Direkt Äufträge bekommen hat, zu Gerd Honsik, dem er seine Webseite neu aufgesetzt hat, zu Roland Wuttke, den er fälschlicherweise als AfD-Landtagsabgeordneten bezeichnet (Wuttke war NPD-Chef von Oberbayern und „Schriftleiter“ von „ Der Reichsbote – Volk in Bewegung“).
Honsik hat er sogar eine Zwischenwohnung in Wien organisiert, für Wuttke eine Führung durch Wien gemacht. Peter H. war also bestens vernetzt mit Personen aus der rechtsextremen Szene. Aber eben auch mit Institutionen wie dem „Freiheitlichen Bildungsinstitut“ (FBI), der Bildungseinrichtung der FPÖ, für die er anscheinend bestimmte Arbeiten ausgeführt hat.
Ja, und dann gibt es noch etwas: Der Vorsitzende Richter kramt wieder einmal in den Prozessakten und zieht die Mitschrift eines abgehörten Telefonats zwischen Berger und Peter H. hervor, in dem er als für „Mitteleuropa“ Verantwortlicher angesprochen wird. Peter H. klärt den Richter auf, dass er mit ungarischen Freunden ein Mitteleuropa-Online-Magazin gegründet habe, das so heißt. „Mitteleuropa“? Oder doch nicht eher „Unser Mitteleuropa“? Dieses 2016 gegründete Online-Medium war nämlich eine aus Ungarn finanzierte Schöpfung von Rechtsextremen aus Österreich, Ungarn und Deutschland und passt auch gut zum Aktionsradius der EA.
Die Befragung von Peter H. war also durchaus ergiebig, was das Netzwerk rund um die „Europäische Aktion“ betrifft. Was noch insgesamt fehlt bei den Stützstrukturen für die EA: das „Haus der Heimat“, wo Bernhard Schaub 2012 seine österreichische Auftakt- und Rekrutierungsveranstaltung halten konnte. Es würden mir noch einige andere einfallen, aber die sind in der Verhandlung ebenso wenig genannt worden wie das staatlich geförderte „Haus der Heimat“, das für EA-Propaganda und Rekrutierung den wichtigsten Rahmen gebildet hat.
Der Beitrag der restlichen zwei Angeklagten, Patrick V. und Norbert C. zur Aufklärung über die EA-Strukturen war mehr als bescheiden. Wir werden bald sehen, welche Verantwortung bzw. Schuld das Geschworenengericht ihnen und den anderen Angeklagten beimisst.
➡️ Prozess Europäische Aktion (Teil 1): Wo sind die anderen?
➡️ Prozess „Europäische Aktion“ (Teil 3): Zwischenstopp!