„Die Presse“ und „Der Standard“ waren sich überraschenderweise einig: „Milde Strafen für Mitglieder der neonazistischen Europäischen Aktion“, titelte der Standard, und „Milde Urteile für vier Rechtsextreme“ war die Schlagzeile des konservativen Blattes.
Waren die Urteile wirklich milde? Auch in den Netzwerken überwog die Meinung, man hätte die braunen Kameraden ruhig härter bestrafen müssen. Die Sache ist aber etwas komplexer. Das Delikt, das den Angeklagten vorgeworfen wurde und dessen sie schuldig gesprochen wurden, ist der Paragraph 3 a des Verbotsgesetzes, der eine tatsächlich harte Strafandrohung beinhaltet: zehn bis zwanzig Jahre Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen lebenslang. Der § 3a wird (auch deshalb) nur sehr selten zur Anklage gebracht. Auch im gegenständlichen Prozess „empfahl“ einer der Verteidiger, doch eine der weicheren Bestimmungen im § 3 Verbotsgesetz zur Anwendung zu bringen. (Beim zweiten angeklagten Delikt, der Vorbereitung eines Hochverrats nach § 244 StGB, verneinten die Geschworenen bei allen Angeklagten eine Schuld.)
Geworden sind es letztendlich ein Freispruch und vier Schuldsprüche, wobei der Geschworenensenat von seiner Möglichkeit, außerordentliche Milderungsgründe zuzusprechen, Gebrauch machte: Die Freiheitsstrafen wurden bei zwei Angeklagten teilbedingt, bei den anderen nur bedingt, in allen Fällen aber deutlich unter dem Mindestsatz von zehn Jahren ausgesprochen. So gesehen, waren die Urteile milde. Misst man sie aber an dem Umstand, dass keiner der Angeklagten trotz hochtrabender Titel wie „Gebietsleiter“ eine wirklich bedeutende Rolle in der EA einnahm, schaut die Sache schon anders aus. Die „Gebietsleiter“ hatten – mangels Massenandrang – schon damit zu kämpfen, dass sie Familienmitglieder oder einige braune Kameraden aus früheren Zeiten zu einer der nicht allzu zahlreichen Gesprächsrunden der EA motivieren konnten. Der Viertangeklagte Patrick V., „Gebietsleiter Tirol“ und im Tatzeitraum noch junger Erwachsener und der Fünftangeklagte, ein „Stützpunktleiter Weinviertel“, stiegen deshalb mit bedingten Strafen (drei bzw. vier Jahre) aus.
Anders sieht das für die drei vorne gereihten Angeklagten aus. Zwei von ihnen, der Erstangeklagte Thomas G. und der Zweitangeklagte, Peter K., erhielten jeweils fünf Jahre, davon ein Jahr unbedingte Freiheitsstrafe. Das ist, gemessen daran, dass beide keine Vorstrafen aufwiesen, gar nicht so wenig, aber durchaus auch als mild zu bezeichnen. Bei einem Rückfall würde wohl die bedingte Strafe in eine unbedingte umgewandelt und zu einem neuen Strafurteil hinzugerechnet werden. Der Angeklagte Peter K. (70) werde nicht mehr „delinquieren“, versicherte sein Anwalt. Gut möglich, aber die einjährige unbedingte Freiheitsstrafe ist auch eine geeignete Versicherung der Republik dagegen.
Der Freispruch für den Drittangeklagten, den IT-Experten, der der EA, aber auch für Gerd Honsik die Webseite aufgesetzt hat, für „Info-Direkt“ und für das „Freiheitliche Bildungsinstitut“ werkte und offensichtlich an der Gründung des rechtsextremen Portals „Unser Mitteleuropa“ beteiligt war, ist das einzige Urteil, das sich überhaupt nicht erschließt. Warum wurde ausgerechnet er freigesprochen? Geschworene müssen keine Begründungen für ihre Urteile abliefern. Mal sehen, was die Staatsanwaltschaft dazu sagt. Im Übrigen: Es sollen ja noch weitere Anklagen gegen andere EA-Aktivisten nachfolgen.
➡️ Prozess Europäische Aktion (Teil 1): Wo sind die anderen?
➡️ Prozess „Europäische Aktion“ (Teil 2): Das Netzwerk wird sichtbar