Michael Bonvalot arbeitet als freier Journalist – also auf eigenes (finanzielles) Risiko, ohne Anstellung. Wenn er – stundenlang – Demonstrationen begleitet, auf Video dokumentiert und kommentiert, dann ist er als engagierter, antifaschistischer Journalist noch einem anderen Risiko ausgesetzt: dem Risiko, in seiner Arbeit behindert, abgedrängt, auch körperlich attackiert zu werden. Nicht immer sind es Rechtsextreme, sondern im März 2020 war es ein Polizist. In diesem und einem weiteren Fall, der auch einen Polizisten betrifft, hat Bonvalot mit Maßnahmenbeschwerden Recht erhalten.
Aufgabe der Polizei ist es allerdings, Journalist*innen und andere Medienleute vor Angriffen zu schützen und ihre Arbeit zu ermöglichen. Darauf wies der Presseclub Concordia in seiner Pressekonferenz am 2. Februar hin: „Der Presseclub Concordia und andere Journalistenverbände fordern einen besseren Schutz von Journalist*innen, die Polizei hat dafür besondere Maßnahmen angekündigt.“
Die Journalist*innen, die in der Pressekonferenz am 2. Februar ihre Eindrücke schilderten, berichteten von einem steigenden Aggressionspegel, der bei der wilden Demo am 31. Jänner einen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat, wobei es neben verbalen Attacken und Drohungen auch Rempeleien, Stöße, ja sogar Pfefferspray-Angriffe gegeben hat.
Das war der Aufmarsch von extremen Rechten, Neonazis und Corona-SchwurblerInnen in Wien: Extreme Rechte greifen JournalistInnen mit Schlägen und Pfefferspray an und treten gegen die Kamera. #w3101 pic.twitter.com/iWivBO10kB
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) February 1, 2021
Die Fragen an Michael Bonvalot (MB) haben wir (SdR) schriftlich gestellt.
SdR: Seit wann und in welchen Zusammenhängen gibt es Drohungen bzw. Attacken gegen Dich wegen Deiner journalistischen Arbeit?
MB: Drohungen und Attacken begleiten mich fast seit Beginn meiner journalistischen Tätigkeit. Das betrifft Drohungen über soziale Medien, Shitstorms, aufhetzende Artikel in einschlägigen extrem rechten Medien, Versuche, mich rechtlich mundtot zu machen bis hin zu körperlichen Attacken auf Aufmärschen.
SdR: Kannst Du sie politisch zuordnen?
MB: Die Angriffe kommen klar und eindeutig aus den verschiedenen Spektren der extremen Rechten. Auffällig sind hier auch Gruppen aus dem Fußballmilieu, die offenbar so etwas wie die Fußtruppen der extremen rechten Gruppen sind. Dazu gibt es in diesem Milieu auch eigene Rachefantasien gegen mich, weil ich regelmäßig zu rechtsextremen Vorfällen vor allem bei den beiden Wiener Großclubs Austria und Rapid schreibe.
SDR: Haben die Attacken und Drohungen seit den Corona-Demos zugenommen?
MB: Ganz eindeutig. Meines Erachtens gibt es dafür vor allem drei Gründe: Zum ersten können sich militante extreme Rechte bei diesen großen Aufmärschen wie ein Fisch im Wasser bewegen und dadurch besser zuschlagen. Zum zweiten gibt es wohl eine zunehmende Euphorie, nachdem die Aufmärsche trotz Untersagungen durchgesetzt werden können. Zum dritten herrscht in bestimmten Kreisen eine gewisse Endzeitstimmung. Jetzt müsse gehandelt werden, um die Regierung zu stürzen, angebliche Zwangsimpfungen zu verhindern oder ähnliches. Ergänzend wäre wohl noch hinzuzufügen, dass es aktuell keine Fußballspiele vor Zuschauern gibt und damit extrem rechte Hooligan-Milieus wohl stärker bei solchen Aufmärschen präsent sind, als es sonst der Fall wäre.
SdR: Sind Dir Drohungen bzw. Attacken auf andere Medienvertreter*innen bekannt? Gab es dabei Sachschäden? Körperverletzung? Und weißt du von anderen Anzeigen wegen Behinderung von deren Arbeit?
MB: Leider gibt es inzwischen fast regelmäßg Angriffe. Ich wurde selbst wiederholt Zeuge, wie KollegInnen neben mir bedroht, attackiert oder geschlagen wurden. Hauptsächlich betroffen sind natürlich jene Journalistinnen, die den extremen Rechten ein besonderer Dorn im Auge sind. Neben mir betrifft das vor allem einige freie FotografInnen.
SdR: Hast Du Dich wegen bestimmter Drohungen und Attacken an die Polizei gewandt? Wie waren die Reaktionen? Hast Du Anzeige(n) erstattet?
MB: Wenn ich unmittelbar bedroht werde, dann zeige ich das natürlich an. Doch gleichzeitig gibt es hier auch bestimmte Limits. Wenn ich etwa über soziale Medien bedroht werde, muss zuerst klar sein, wer verantwortlich ist. Und bei den Aufmärschen vor Ort ist es oft so, dass manche PolizistInnen selbst die Berichterstattung eher behindern.
Die Wiener Polizei hat als Reaktion auf die immer heftigeren Angriffe jetzt ja eigene KontaktbeamtInnen abgestellt. Da muss sich aber noch herausstellen, ob das etwas bringt. Denn wenn es unmittelbare Angriffe gibt, bringt der Anruf bei den KontaktbeamtInnen eher wenig. Auffallend ist bei den Corona-Märschen übrigens die teilweise extrem geringe Polizeibegleitung trotz der aufgeheizten Situation. Das sieht bei linken Demonstrationen zumeist doch ganz anders aus.