Auf fünf Tage ist der Prozess gegen die fünf übriggebliebenen Aktivisten der EA im Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts anberaumt. Wegen der Zahl der Angeklagten und der Corona-Schutzbestimmungen wurde die Sitzordnung neu gestaltet – sehr nachteilig für die (meisten) Geschworenen, die hinter den (meisten) Angeklagten sitzen müssen und so das durch die Maskenpflicht ohnehin nur schwer zu lesende Mienenspiel der Angeklagten gar nicht mitbekommen.
Die Anklage ist heftig: Es geht nicht wie bei den allermeisten Wiederbetätigungsprozessen um den § 3g Verbotsgesetz, sondern um den § 3a, der eine Strafandrohung von zehn bis zwanzig Jahren, bei besonderer Gefährlichkeit auch lebenslange Freiheitsstrafe beinhaltet. Dazu hat die Staatsanwaltschaft noch den Verdacht der Vorbereitung eines Hochverrats (§ 244 StGB) draufgesattelt (Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren).
Dementsprechend intensiv waren die Versuche der Angeklagten und ihrer Verteidiger, bereits am ersten Tag die Köpfe aus der Schlinge zu bekommen. Und wie macht man das? Zum einen, indem die Schuld den beiden Verstorbenen überantwortet wurde. Da kennen die braunen Kameraden keine Schonung, da ist nichts mit „de mortuis nil nisi bene“ (Über die Toten nur Gutes) oder mit dem Blabla von Treue und Ehre.
Der Erstangeklagte, Thomas G., versucht es besonders treuherzig mit der Behauptung: „Ich habe nicht erkannt, dass die Ziele völlig indiskutabel sind“, der Zweitangeklagte, Peter K„ legt noch eins drauf und erklärt: „Die haben mich um Hilfe gebeten und ich als höflicher Ungar habe sie unterstützt dabei …“ Der dritte im Bunde ist derjenige, der das Werk des US-Neonazi Harold Covington „The Brigade“ für die EA bzw. für Hans Berger ins Deutsche übersetzte. Um Covington und sein Opus zu charakterisieren, reicht, dass er unter anderem 1994 der Gründer der „National Socialist White People’s Party“ war. Der Übersetzer des Schinkens (über 500 Seiten!) will keinen einzigen Gedanken an den braunen Dreck im Inhalt verschwendet, nur rein mechanische Übersetzungsarbeit geleistet haben. Auch seine sonstigen Arbeiten für die EA, etwa die Digitalisierung des Propaganda- und Schulungsmaterials, seien auf rein technischer Basis erfolgt. Die Inhalte, die braune Ideologie seien dabei ausgespart geblieben.
Wer glaubt denn sowas? Der Vorsitzende Richter hört sich lange die ausufernden, im Nichts sich verlierenden Rechtfertigungsversuche an, etwa auch den schönen Satz: „Ich besuchte gerne und oft Veranstaltungen [der EA, Anmk. K.Ö.], das waren teilweise sehr viele.“ Dann aber ist Schluss mit Lustig. Nachdem der Erstangeklagte zum wiederholten Mal betont, dass er mit Gewalt aber schon gar nichts am Hut habe, mit den Zielen der EA natürlich auch nicht, liest ihm der Vorsitzende ein SMS vor, das mit einem Heilsgruß endet. Der Angeklagte schwurbelt etwas davon, dass ihn das „Heil Dir“ schon seit seiner Zeit in einer katholischen Verbindung begleiten würde und ebenso unverdächtig sei wie ein „Ski Heil“. Da liest ihm der Vorsitzende ein zweites SMS vor, das antisemitischen Dreck enthält und mit „Heil Blutbad“ endet. An dieses SMS kann sich der Angeklagte nicht mehr erinnern, findet es „völlig untragbar“, beharrt aber darauf, dass er gegen Gewalt sei … Daraufhin trägt der Vorsitzende das Transkript eines abgehörten Telefonats vor, das dermaßen widerlich und von einer mörderischen Lynchphantasie durchzogen ist, dass dem Angeklagten zunächst nur einfällt, es könne nicht von ihm sein. Ist es aber – und damit auch das vorherige Gesülze bloßgestellt.
Manches hat Comedy-Charakter. Als der Richter bei den Personalien den Zweitangeklagten fragt, ob er Schulden habe, antwortet der: „Ich fühle mich unschuldig.“ Und als der Angeklagte zu seiner Rechtfertigung darauf hinweist, dass er auf der Homepage der EA gelesen haben will, dass es sich nicht um eine nationalsozialistische Organisation handle, gibt ihm der Richter zu bedenken, dass sich ein Mörder auch nicht aufs Hirn schreibe, dass er ein Mörder ist.
Überhaupt der Zweitangeklagte: Als er im Verlauf der Befragung versucht, die bereits eingestandene Teilschuld nach § 3a Verbotsgesetz wegzureden, bittet sein Verteidiger um eine Sitzungsunterbrechung, weil sich sein Mandant nicht an das Besprochene halte. Es wird danach nicht besser! Dabei geht’s bei ihm um einen sehr wesentlichen Punkt: seine Vermittlungsrolle zwischen der EA und der MNA. Die MNA hieß ursprünglich Ungarische nationalsozialistische Aktionsgruppen, benannte sich aber wegen besserer Verträglichkeit auf Magyar Nemzeti Arcvonal (Ungarische Nationale Front) um.
2016 wurde sie – durchaus in Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die EA – aufgelöst, nachdem ihr Chef einen polizeilichen Ermittler erschossen hatte. Die MNA veranstaltete schon seit Jahren paramilitärische Waffenübungen – mit internationaler Neonazi-Beteiligung. Die Alpen-Donau-Nazis waren da fleißig dabei (das Innenministerium dementierte bzw. verweigerte die Auskunft dazu), die EA-Nazis wollten da nachziehen. 2014 wurde das unter Beteiligung des deutschen Neonazi und EA-Kaders Axel Schlimper in einem Wiener Gasthaus besprochen, und der Zweitangeklagte, ungarisch-österreichischer Doppelstaatsbürger und MNA-Mitglied, sollte vermitteln. Hat er vermittelt? Die Anklage sagt ja, der Angeklagte will immer weniger davon wissen, je länger die Befragung dauert.
Zunächst versucht er strikt zu trennen: Was er und die MNA in Ungarn machen, gehe die österreichische Justiz nichts an, solange er sich in Österreich strikt heraushalte, was ihm ein Beamter (Verfassungsschutz?) geraten habe. Hat er sich herausgehalten? Seine Aktivität für die neonazistische EA betrifft ja Österreich. Außerdem hat der gute Mann schon Jahre vor seinem Engagement für die EA in Österreich Aktivitäten für ungarische Faschisten gesetzt.
Alles Mögliche fällt ihm zu seiner Rechtfertigung noch ein, etwa: Die MNA habe gar keine Waffen, sondern nur Spielzeugmaterial verwendet. Auch er sei damals der Meinung gewesen, dass ein Zusammenbruch der Weltordnung bevorstehen könnte und man sich gegen eine russische Invasion nur mit Waffengewalt wehren könne. Der Vorsitzende hat auch da eine passende Antwort parat: Mit Spielzeugwaffen könne man sich wohl kaum gegen eine Invasion verteidigen.
Mir fällt dazu noch ein, dass der MNA-Chef jedenfalls keine Spielzeugwaffe benutzte, als er den Polizisten kaltblütig erschossen hat. Pikant an der Rechtfertigung des MNA-Mitglieds ist auch der Hinweis auf die angebliche russische Invasion. Die MNA verfügt über beste Beziehungen zu Russland, das seinerseits gute bis beste Beziehungen zu rechtsextremen Organisationen in ganz Europa pflegt.
Der Zweitangeklagte will sich also nicht wirklich äußern über seine Rolle als Vermittler zwischen EA und MNA, über seine Aktivitäten in Ungarn und auch nicht über die in Österreich und dazwischen. Das ist sein gutes Recht als Angeklagter, aber es steht nicht nur im Widerspruch zur Anklage, sondern auch zu seiner eigenen Verantwortung (teilschuldig nach § 3a Verbotsgesetz). Eines aber verrät er bei der Antwort auf die zunächst belanglos wirkende Frage des Anwalts eines anderen Angeklagten: Wie viele Mitglieder habe denn die EA in Österreich gehabt? Zwölf Vollmitglieder, antwortet er. An den Treffen, an denen er teilgenommen habe, hätten jeweils zwischen 20 und 25 Personen teilgenommen. Ich zähle nach: Fünf stehen vor Gericht, zwei sind verstorben – da fehlen doch noch einige? Wo sind die? Ich muss die Verhandlung am ersten Prozesstag früher verlassen, aber: Fortsetzung folgt sicher!
P.S.: Ich habe diese Aufzeichnungen so korrekt wie möglich verfasst. Die Akustik im Schwurgerichtssaal ist allerdings so katastrophal schlecht, dass ich möglicherweise das eine oder andere hier Wiedergegebene unzureichend erfasst oder missverstanden habe.
➡️ Prozess „Europäische Aktion“ (Teil 2): Das Netzwerk wird sichtbar
➡️ Prozess „Europäische Aktion“ (Teil 3): Zwischenstopp!
➡️ Parlamentarische Anfrage Öllinger Waffenübungen Ungarn 2010
Anfragebeantwortung
➡️ Parlamentarische Anfrage Öllinger Waffenlager Waffentrainings 2016
Anfragebeantwortung (besonders Frage 5)