Blut ist dicker als Wasser, erklärt der FPÖ-Abgeordnete auf seiner Homepage und meint damit die „Blutsbande“, also die familiären Beziehungen. Schon da liegt er falsch, denn das Sprichwort meint eigentlich das Gegenteil. Wichtige Verträge wurden in alten Zeiten mit Blut besiegelt. Diese mit Blut untermalten vertraglichen Beziehungen galten als wichtiger als das Geburts- oder Taufwasser. Erst später wurde daraus das Gegenteil, die besondere Bedeutung von Blutsverwandtschaft von Völkern.
Über die Sache mit dem Blut sind wir sowieso unterschiedlicher Meinung mit den Blauen, aber bei Zahlen über die Kriminalität und ihre Entwicklung, da sollte man doch die Fakten sprechen lassen! Auf seiner Homepage schreibt Wurm schon im September: „Jetzt haben wir es schwarz auf weiß. Die Anzahl der straffällig gewordenen Fremden ist in Tirol im ersten Halbjahr 2015 geradezu explodiert.”
Die Kronen Zeitung (Ausgabe Tirol, 7.9.15) übernimmt diesen gewichtigen Satz und fügt noch hinzu: „Unter den Straftaten waren auch 83 Morde – 45 von Ausländern.“
Das wäre tatsächlich eine Explosion, denn 2014 gab es 38 Fälle vollendeter vorsätzlicher Tötung. In ganz Österreich, im gesamten Jahr! Inländer und Ausländer zusammen! Nimmt man die Mordversuche noch dazu, dann gab es insgesamt 107 Fälle, also auch 69 Mordversuche. Zum Mitschreiben für freiheitliche Ignoranten: 80 % davon fanden im Familien- bzw. Bekanntenkreis statt. (Quelle: Sicherheitsbericht 2014)
Aber das mit den Morden war ja weniger die Behauptung des Herrn Wurm, sondern die der „Krone“. Wurm will etwas anderes festgestellt haben: nämlich eine Explosion der Anzahl der straffällig gewordenen Fremden in Tirol im ersten Halbjahr 2015.
Nun fragen ungeduldige FPÖ-Abgeordnete schon seit Jahren nach diesen Zahlen für das jeweils erste Halbjahr. Und erhalten neben den Zahlen auch immer den warnenden Hinweis des Innenministeriums:
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Experten aus der Wissenschaft im Rahmen des Projektes „Kriminalstatistikneu“ festgestellt haben, dass Aussagen über die Sicherheitslage und die Kriminalitätsbelastung aus quartalsmäßigen und halbjährlichen Zahlenwerten nicht möglich sind, weil daraus gezogene Schlüsse einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten.
Tja, das Innenministerium ist halt ein bisschen blauäugig! Was interessiert denn einen gestandenen Blauen schon eine wissenschaftliche Überprüfung, wenn es auch anders geht? Aber immerhin stehen dank der zappelnden Blauen auch die Vergleichsdaten vom Vorjahr zur Verfügung.
Und siehe da, die Innenministerin schreibt in ihrer Antwort zu Frage 1: „Im ersten Halbjahr 2014 konnten 124.010 Tatverdächtige ermittelt werden.“
Und zu Frage 2: „Im ersten Halbjahr 2014 konnten 43.099 fremde Tatverdächtige ermittelt werden.“
In ihrer Antwort für 2015 formuliert sie keine Sätze mehr, sondern eine Tabelle, der wir folgende Zahlen entnehmen: 2015 gab es 120.027 Tatverdächtige, davon waren 44.804 „fremde Tatverdächtige“. Das würde einen leichten Rückgang bei den Tatverdächtigen insgesamt und einen leichten Anstieg bei den „fremden“ bedeuten. Von Explosion keine Spur – weder in die eine noch die andere Richtung!
Jetzt schreibt aber der FPÖ-Abgeordnete, dass die Explosion in Tirol stattgefunden haben soll. In Tirol gab es 2014 5.936 fremde Tatverdächtige und 2015 waren es 5.457 – das wäre sogar ein erheblicher Rückgang. Die Explosionen spielen sich nur im Kopf von Wurm ab, nicht in der Wirklichkeit. Da implodieren die blauen Seifenblasen!
Übrigens, die größte Gruppe unter den fremden Tatverdächtigen kommt aus Deutschland: 4.819 waren es im ersten Halbjahr 2015, während die Türkei mit nur 3.080 regelrecht abstinkt dagegen!
Wurm lässt aber nicht locker! Im Milser Dorfblatt (Oktober 15) greift er sich die AsylwerberInnen heraus: „[A]llein im ersten Halbjahr 2015 (wurde) jeder vierte Asylwerber in Tirol kriminell.“
Jetzt ist vermutlich der richtige Zeitpunkt gekommen, um Herrn Wurm ein bisschen aufzuklären: Tatverdächtig zu sein, bedeutet noch nicht, dass man’s gewesen ist. Da gibt’s noch eine Instanz, die nach den polizeilichen Ermittlungen darüber entscheidet, ob jemand schuldig ist. Wenn also die Anfragebeantwortung für Tirol 2015 (1. Halbjahr) 777 tatverdächtige AsylwerberInnen ausweist, dann bedeutet das gerade für Tirol nicht, dass sich diese Personen alle noch in Tirol aufhalten. Wesentlicher ist vermutlich, dass unter den Asylwerbern aus bekannten Gründen Männer stark überwiegen und zweitens sich diese Männer in den besonders gefährdeten Altersgruppen befinden (auch große Lager tragen erheblich dazu bei – siehe Leoben):
Für das erste Halbjahr 2014 liegen keine Vergleichszahlen vor, für das ganze Jahr 2014 wurden für Tirol 1.379 tatverdächtige AsylwerberInnen ausgewiesen. Angesichts der stark steigenden Zahlen von Geflüchteten im Jahr 2015 deutet das nicht auf einen Anstieg von Kriminalität in dieser Gruppe hin. Außerdem ist unklar, wer – neben den offiziell in Österreich bzw. in Tirol gemeldeten AsylwerberInnen – zu dieser Gruppe gerechnet wird. Auch die Aussage, wonach jeder vierte Asylwerber in Tirol kriminell wurde, ist daher so nicht richtig.
Wie sehr die Blauen danebenliegen bei der Kriminalität von Flüchtlingen, zeigen auch die Zahlen, die Elmar Podgorschek, mittlerweile Landesrat in Oberösterreich, in der Antwort auf seine Anfrage zur „überbordenden Kriminalität durch Flüchtlinge“ im Erstaufnahmezentrum Thalham (OÖ) erhalten hat. Von 251 für den ganzen Bezirk angezeigten Fällen von Diebstahl wurden 17 Asylwerbern zugerechnet. „Gar nichts zu tun hatten Flüchtlinge mit schwerer Körperverletzung (sieben Fälle), Raufhandel (acht Fälle), sexueller Belästigung (sechs Fälle), gefährlicher Drohung (22 Fälle) oder Geldfälschung (18 Fälle).“ (Kurier, 12.11.15)
Stark gestiegen sind dagegen nach Angaben des Innenministeriums im Jahr 2015 fremdenfeindlich und rassistisch motivierte Straftaten. Auch bei anderen Delikten gibt es einen Anstieg an Kriminalität gegenüber Flüchtlingen. So ermittelt etwa die Staatsanwaltschaft Wien gegen mehrere Vermieter wegen Mietbetrugs an Dutzenden Flüchtlingen. (APA, 11.11.15)
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