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Die 88 in einer FPÖ-Presseaussendung

Am 16. Novem­ber ver­ließ eine merk­wür­di­ge Pres­se­aus­sendung den FPÖ-Klub im Par­la­ment. Ger­hard Deimek, Tech­no­lo­gie­spre­cher der FPÖ, plä­dier­te dar­in für Ver­nunft statt Sank­tio­nen durch die EU gegen­über Isra­el. Mit­ten im Text: eine 88. Einen lan­gen Tag spä­ter erfolgt eine Rich­tig­stel­lung. Was war da los im FPÖ-Klub? War es nur ein „pein­li­cher Feh­ler“, oder war es Absicht? […]

21. Nov 2014

Eine Pres­se­aus­sendung, in der ein FPÖ-Abge­ord­ne­ter an die EU appel­liert, die Ver­nunft statt der Sank­ti­ons­keu­le im Umgang mit Isra­el ein­zu­set­zen, ist schon unge­wöhn­lich. Wenn es dann aber im Text heißt: „Die Sank­ti­ons­keu­le scheint zum88 bestim­men­den Werk­zeug der euro­päi­schen Außen­po­li­tik zu wer­den“, dann ist das nicht unge­wöhn­lich, son­dern fragwürdig.


Pres­se­aus­sendung von der FPÖ

Hat da jemand eine fal­sche Tas­te erwischt? Zwei­mal? Oder steckt dahin­ter Absicht? Immer­hin ist die 88 kei­ne x‑beliebige Zah­len­kom­bi­na­ti­on, son­dern ein gebräuch­li­cher neo­na­zis­ti­scher Zif­fern­code für HH — Heil Hit­ler. Der Tages­zei­tung „Öster­reich“ ist die „88“ zwar auf­ge­fal­len, sie klas­si­fi­zier­te den Zif­fern­code aber als den  „wohl pein­lichs­ten Feh­ler, den es in die­sem Zusam­men­hang geben kann“ und ora­kel­te wei­ter, dass sich die Zif­fern 88 ein­ge­schli­chen hätten.

Erst einen Tag spä­ter, am 17. Novem­ber kor­ri­gier­te der FPÖ-Klub sei­ne Pres­se­aus­sendung vom Vor­tag: „Lei­der ist im Zuge der Ein­ga­be der OTS ein bedau­er­li­cher Feh­ler unter­lau­fen.“ Kein Hin­weis auf die „88“, kein Ver­such einer Begrün­dung für den Feh­ler. Das war’s dann wohl. War es das wirklich?

Eine „88“ an die­sem Platz im Text durch fal­sche Bedie­nung der Tas­ta­tur ist aus­zu­schlie­ßen. Es gibt kei­ne ein­zi­ge pas­sen­de Erklä­rung dafür. Die bewuss­te Ver­wen­dung des neo­na­zis­ti­schen Zif­fern­codes in einem isra­el­freund­li­chen Text – ist sie aus­zu­schlie­ßen? Sie wäre in der Tat ungeheuerlich!

Sicher ist, dass der Ver­such der FPÖ-Spit­ze, die Par­tei auf einen isra­el­freund­li­chen Kurs fest­zu­le­gen, nicht nur inner­par­tei­lich sehr umstrit­ten ist, son­dern auch von der Par­tei­spit­ze selbst immer wie­der kon­ter­ka­riert wurde:

  • 2010 erschien Stra­che in der israe­li­schen Holo­caust-Gedenk­stät­te Yad Vas­hem mit der „Bier­trom­mel“: statt einer Kip­pa das Käp­pi der pen­na­len Bur­schen­schaft „Van­da­lia“
  • 2012 dann die ein­deu­tig anti­se­mi­tisch abge­wan­del­te Figur eines Ban­kers in einem Car­toon auf der Face­book-Sei­te von HC Stra­che. Obwohl sich fast alle einig waren, dass es sich dabei um eine Kari­ka­tur im „Stürmer“-Stil hand­le, ver­tei­dig­te Stra­che die Kari­ka­tur mit den absur­des­ten Argumenten.

Die „88“ im Text der Pres­se­aus­sendung von Deimek ist damit den­noch nicht erklärt. Da hilft viel­leicht ein ande­rer Text wei­ter. Ende Jän­ner 2009 ver­fass­te der dama­li­ge stell­ver­tre­ten­de Klub­chef der FPÖ, Peter Fich­ten­bau­er, einen merk­wür­di­gen Brief. In die­sem Brief wur­de von Fich­ten­bau­er im Namen der FPÖ ein Tomis­lav Abra­mo­vic zu Holo­caust-Gedenk­fei­er­lich­kei­ten in Wien ein­ge­la­den. Obwohl es in die­sem Jahr kei­ne der­ar­ti­gen Fei­er­lich­kei­ten gab, waren bestimm­te Krei­se in der FPÖ über die­se Ein­la­dung bzw. die „juden­freund­li­chen“ Kon­tak­te von Peter Fich­ten­bau­er sehr beun­ru­higt. Im April 2009 wur­de die Ein­la­dung von Fich­ten­bau­er als Fak­si­mi­le von den Neo­na­zi-Por­ta­len alpen-donau.info und nidinfo.wordpress.com ver­öf­fent­licht: mit höh­ni­schen Kom­men­ta­ren über die „Juden­freun­de“ in der FPÖ.

Den Neo­na­zis pas­sier­te aller­dings ein Feh­ler bei der Ver­öf­fent­li­chung. Am unte­ren Rand des fak­si­mi­lier­ten Briefs war eine Fax-Num­mer ersicht­lich: Es war die Num­mer des Pri­vat­haus­hal­tes von John Gude­nus, dem ehe­ma­li­gen Bun­des­rat der FPÖ, der wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung 2006 ver­ur­teilt wor­den war.


Kurier-Arti­kel zu Fich­ten­bau­er und Gudenus

Wer auch immer den Brief von Peter Fich­ten­bau­er (ohne des­sen Zustim­mung) kopier­te, hat mit ziem­li­cher Sicher­heit die Kopie über das Fax-Gerät von Gude­nus an die Neo­na­zis wei­ter­ge­lei­tet, damit die berich­ten und die „Juden­freun­de“ in der FPÖ anpran­gern. Fich­ten­bau­er sprach zwar gegen­über dem „Kurier“ von einer „Kryp­to-Gesell­schaft“, die da „eine Debat­te los­ge­tre­ten“ habe, wuss­te aber sehr kon­kret, dass ein Mit­ar­bei­ter von HC Stra­che, Mar­kus Gude­nus (ein Sohn von John Gude­nus), in sei­nem Brief „offen­sicht­lich ein Gesprächs­the­ma erblickt“ hat (Kurier, 12.7.2009).

Zusam­men­ge­fasst: ein Brief des stell­ver­tre­ten­den Klub­ob­manns der FPÖ wird ohne des­sen Wis­sen kopiert, an Neo­na­zi-Web­sei­ten wei­ter­ge­lei­tet und dort zur Beschimp­fung der angeb­lich „juden­freund­li­chen“ FPÖ ver­wen­det. Und nichts pas­siert dar­auf­hin. Der stell­ver­tre­ten­de Klub­ob­mann weiß zwar, wer und war­um, spricht aber den­noch von einer „Kryp­to-Gesell­schaft“. Deut­li­cher kann man die Macht­ver­hält­nis­se in der FPÖ nicht wiedergeben.


Oben der Brief des FPÖ-Abge­ord­ne­ten Peter Fich­ten­bau­er auf alpen-donau.info, der auf einer ande­ren rechts­extre­men Sei­te mit Fuß­zei­le zu sehen war. So zeigt auch das thumb­nail-Bild (unten) noch Spu­ren des Ori­gi­nals. Die Meta­bild­da­ten zei­gen, dass bei­de Doku­men­te um 14:16:21 Uhr am 2009:04:28 erstellt wurden.

Zurück zur Deimek-Aus­sendung: Nach den uns vor­lie­gen­den Infor­ma­tio­nen war die „88“ nicht im Ori­gi­nal-Text ent­hal­ten, son­dern wur­de hin­zu­ge­fügt. Da es sich um eine OTS (Original-Text-Service)-Aussendung des FPÖ-Par­la­ments­klubs han­delt, bedeu­tet das, dass die Ein­fü­gung der „88“ im FPÖ-Klub erfolgt sein muss. Von wem und war­um, soll­te eigent­lich die Staats­an­walt­schaft klären!