Eine Presseaussendung, in der ein FPÖ-Abgeordneter an die EU appelliert, die Vernunft statt der Sanktionskeule im Umgang mit Israel einzusetzen, ist schon ungewöhnlich. Wenn es dann aber im Text heißt: „Die Sanktionskeule scheint zum88 bestimmenden Werkzeug der europäischen Außenpolitik zu werden“, dann ist das nicht ungewöhnlich, sondern fragwürdig.
Presseaussendung von der FPÖ
Hat da jemand eine falsche Taste erwischt? Zweimal? Oder steckt dahinter Absicht? Immerhin ist die „88” keine x‑beliebige Zahlenkombination, sondern ein gebräuchlicher neonazistischer Zifferncode für HH — Heil Hitler. Der Tageszeitung „Österreich“ ist die „88“ zwar aufgefallen, sie klassifizierte den Zifferncode aber als den „wohl peinlichsten Fehler, den es in diesem Zusammenhang geben kann“ und orakelte weiter, dass sich die Ziffern 88 eingeschlichen hätten.
Erst einen Tag später, am 17. November, korrigierte der FPÖ-Klub seine Presseaussendung vom Vortag: „Leider ist im Zuge der Eingabe der OTS ein bedauerlicher Fehler unterlaufen.“ Kein Hinweis auf die „88“, kein Versuch einer Begründung für den Fehler. Das war’s dann wohl. War es das wirklich?
Eine „88“ an diesem Platz im Text durch falsche Bedienung der Tastatur ist auszuschließen. Es gibt keine einzige passende Erklärung dafür. Die bewusste Verwendung des neonazistischen Zifferncodes in einem israelfreundlichen Text – ist sie auszuschließen? Sie wäre in der Tat ungeheuerlich!
Sicher ist, dass der Versuch der FPÖ-Spitze, die Partei auf einen israelfreundlichen Kurs festzulegen, nicht nur innerparteilich sehr umstritten ist, sondern auch von der Parteispitze selbst immer wieder konterkariert wurde:
- 2010 erschien Strache in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem mit der „Biertrommel“: statt einer Kippa das Käppi der pennalen Burschenschaft „Vandalia“
- 2012 dann die eindeutig antisemitisch abgewandelte Figur eines Bankers in einem Cartoon auf der Facebook-Seite von HC Strache. Obwohl sich fast alle einig waren, dass es sich dabei um eine Karikatur im „Stürmer“-Stil handle, verteidigte sie Strache mit den absurdesten Argumenten.
Die „88“ im Text der Presseaussendung von Deimek ist damit dennoch nicht erklärt. Da hilft vielleicht ein anderer Text weiter. Ende Jänner 2009 verfasste der damalige stellvertretende Klubchef der FPÖ, Peter Fichtenbauer, einen merkwürdigen Brief. Darin wurde von Fichtenbauer im Namen der FPÖ ein Tomislav Abramovic zu Holocaust-Gedenkfeierlichkeiten in Wien eingeladen. Obwohl es in diesem Jahr keine derartigen Feierlichkeiten gab, waren bestimmte Kreise in der FPÖ über diese Einladung bzw. die „judenfreundlichen“ Kontakte von Peter Fichtenbauer sehr beunruhigt. Im April 2009 wurde die Einladung von Fichtenbauer als Faksimile von den Neonazi-Portalen alpen-donau.info und nidinfo.wordpress.com veröffentlicht: mit höhnischen Kommentaren über die „Judenfreunde“ in der FPÖ.
Den Neonazis passierte allerdings ein Fehler bei der Veröffentlichung. Am unteren Rand des faksimilierten Briefs war eine Fax-Nummer ersichtlich: Es war die Nummer des Privathaushaltes von John Gudenus, dem ehemaligen Bundesrat der FPÖ, der wegen NS-Wiederbetätigung 2006 verurteilt worden war.
Kurier-Artikel zu Fichtenbauer und Gudenus
Wer auch immer den Brief von Peter Fichtenbauer (ohne dessen Zustimmung) kopierte, hat mit ziemlicher Sicherheit die Kopie über das Fax-Gerät von Gudenus an die Neonazis weitergeleitet, damit die berichten und die „Judenfreunde“ in der FPÖ anprangern. Fichtenbauer sprach zwar gegenüber dem „Kurier“ von einer „Krypto-Gesellschaft“, die da „eine Debatte losgetreten“ habe, wusste aber sehr konkret, dass ein Mitarbeiter von Strache, Markus Gudenus (ein Sohn von John Gudenus), in seinem Brief „offensichtlich ein Gesprächsthema erblickt“ (Kurier, 12.7.09) hat.
Zusammengefasst: Ein Brief des stellvertretenden Klubobmanns der FPÖ wird ohne dessen Wissen kopiert, an Neonazi-Webseiten weitergeleitet und dort zur Beschimpfung der angeblich „judenfreundlichen“ FPÖ verwendet. Und nichts passiert daraufhin. Der stellvertretende Klubobmann weiß zwar, wer und warum, spricht aber dennoch von einer „Krypto-Gesellschaft“. Deutlicher kann man die Machtverhältnisse in der FPÖ nicht wiedergeben.
Zurück zur Deimek-Aussendung: Nach den uns vorliegenden Informationen war die „88“ nicht im Original-Text enthalten, sondern wurde hinzugefügt. Da es sich um eine OTS (Original-Text-Service)-Aussendung des FPÖ-Parlamentsklubs handelt, bedeutet das, dass die Einfügung der „88“ im FPÖ-Klub erfolgt sein muss. Die näheren Umstände sollte die Staatsanwaltschaft klären!