Mordkomplott gegen Schuldirektor und drei Lehrpersonen
Anfang April 2001 erstattete der Direktor des Polytechnischen Lehrgangs in Neunkirchen (NÖ) Anzeige, weil drei Schüler durch Hakenkreuzschmierereien und den Hitlergruß aufgefallen waren. Zwei Wochen später wurden die Schüler in U‑Haft genommen, nachdem ihre Pläne für die Ermordung des Direktors und von drei weiteren Lehrpersonen aufgeflogen waren. Die Pläne „waren offenbar bis zum geplanten Waffenkauf gediehen“ (SN, 21.4.2001).
Über den weiteren Verlauf der Ermittlungen bzw. einen Prozess gegen die drei Verdächtigen haben wir den Medien nichts mehr entnehmen können.
Tod nach Faustschlag
Zu dem tragischen Tod von Dominik H. aus Ried im Innkreis (OÖ) finden sich nur in Fußball-Foren Darstellungen, die der Gerichts-und Medienversion widersprechen. Die Gerichts- und Medienversion: sein „ungestümes Temperament“ brachte Markus S. vor Gericht, nachdem er in einem Rieder Lokal knapp vor Weihnachten 2002 mit Dominik H. „in Streit geraten“ war. Er versetzte Dominik „einen so wuchtigen Faustschlag“, dass dieser bewusstlos zu Boden stürzte und dann an Erbrochenem starb (OÖN, 15.9.2003). Die Version aus den Fußball-Foren berichtet von einer Gruppe rechtsextremer Jugendlicher, die in dem Lokal pöbelte und dabei auf Dominik losging, der als „Skater“ galt. Der Rest der Geschichte ist ident.
Im Gerichtsverfahren wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Es ist also nicht klar, ob eine rechtsextreme Gesinnung des Angeklagten überhaupt erörtert wurde. In der Urteilsbegründung war nur davon die Rede, dass der Angeklagte mittlerweile in einem stabilen Umfeld lebe und ein Aggressionstraining absolviere. Das Urteil: 18 Monate bedingt und eine Geldbuße.
Macheten-Attentat mitten in der Stadt
„Der Schlag gegen die junge Frau war als tödlicher Streich gedacht”, führte der Staatsanwalt im Prozess gegen den rechtsextremen Skinhead aus, der Ende Juli 2005 mit einer Machete zunächst einen Bekannten und dann eine völlig unbeteiligte Friseurin (17) attackierte. Nur die Abwehrbewegung mit der Hand rettete dem Mädchen das Leben, die Machete durchtrennte aber drei Finger. Der mit der Machete bewaffnete Nazi-Skin (17) und sein Freund waren „auf der Suche nach Ausländern“ (Neue Kärntner Tageszeitung, 2.5.2006) gewesen. Der mit einer Eisenstange bewaffnete Nazi-Skin wurde zu drei Monaten unbedingt, der Macheten-Attentäter zu acht Jahren Jugendhaft verurteilt.
Fast zu Tode geprügelt
Ende Juli 2005 kam es in Leibnitz zu einer Auseinandersetzung, bei der eine Gruppe Skinheads zwei junge Männer (20 und 21) anpöbelten und in der Folge den Zwanzigjährigen fast zu Tode prügelten: „Die Sau bewegt sich noch immer.” (Krone, 26.11.2005) Das Opfer erlitt schwerste Verletzungen und leidet seither an epileptischen Anfällen und Sprachstörungen. Zunächst wurden sechs Verdächtige ermittelt, die wegen schwerer Körperverletzung und NS-Wiederbetätigung angezeigt wurden. In der Folge wurde in Leibnitz über die erstarkende Neonazi-Szene diskutiert.
Beim Schwurgerichtsprozess im November 2005 waren es dann zwölf Angeklagte, die mit überraschend milden Urteilen abgefertigt wurden.
Ins Koma geprügelt
Die beiden Vorarlberger Skinheads, die sich selbst als „Nationalisten“ bezeichnen, hielten den auf einer Parkbank schlafenden Robert B. (20) für einen Punk und schlugen mit ihren Stiefeln auf seinen Kopf „mit ungeheuerlicher Brutalität“ ein. Infolge der schweren Verletzungen, die dem Lehrling im August 2006 zugefügt wurden, ist Robert B. körperlich und geistig behindert, kann nicht selbständig gehen, muss fallweise künstlich ernährt und gewindelt werden.
Im September 2007 werden die beiden Nazi-Skins (20 und 23) zu neun bzw. acht Jahren Haft verurteilt (Kurier, 14.9.2007)
Sprengstoffattentat und versuchter Mord
Unmittelbarer Auslöser war ein Nachbarschaftsstreit: Die Lautstärke der etwa zehn bis 15 Jugendlichen vor seinem Haus war es, die den Laborarzt Gabor S. so störte, dass er im August 2007 Zuwandererkinder aus Ex-Jugoslawien als „Türken“ bezeichnete, beschimpfte und mit einem Pfefferspray auf sie losging. Danach zog er sich wieder in sein Haus zurück. Die Jugendlichen forderten ihn auf, herauszukommen. Das tat er auch – bewaffnet mit einer Walther PPK mit fünf Patronen, die er auf die Jugendlichen abfeuerte: „Das gehört euch Ausländern.” (Kurier, 1110.2010)
Dino B. (17) wurde mehrfach getroffen und schwerstens verletzt: Querschnittlähmung. Gabor S. wird 2008 im Jänner zu zwölf Jahren Haft verurteilt. In der Haft schreibt er eine ‚Lebensbeichte‘ und begeht danach einen Suizidversuch. Die ‚Lebensbeichte‘ ist eine interessante Lektüre: Detailliert beschreibt S. einen Sprengstoffanschlag auf die Osmanli-Moschee in Wien-Hernals im November 2005 und „mehrere andere rassistische Straftaten“ (Kronen Zeitung, 28.2.2008) Der Sprengstoffanschlag richtete erheblichen Sachschaden an.
Die Polizei, die das Attentat damals nicht klären konnte, ging explizit nicht „von einem terroristischen Hintergrund oder politisch motiviertem Anschlag aus“ (Presse, 16.12.2005), sondern verdächtigte zeitweise „Gruppierungen aus Ex-Jugoslawien“ , bzw. nannte kriminelle Hintergründe in der lokalen Türken-Szene, persönliche Rache-Motive oder Streit um Drogen-Reviere als Motiv.
In einem weiteren Prozess wurde Gabor S. im Oktober 2008 wegen des Sprengstoff-Anschlags angeklagt und auch verurteilt – allerdings ohne Strafe! Das Gericht: „Er ist gestraft genug!” (Heute, 15.10.2008)
Gabor S. selbst bezeichnete sich in den Einvernahmen als türkenfeindlich, Gegner eines EU-Beitritts der Türkei und Mitglied einer Organisation „Neues Europa“. Weiter Erkenntnisse über die rechtsextremen Hintergründe wurde nicht bekannt.
Mit Baseballschläger gegen Obdachlosen
Zwei Unbekannte haben im Mai 2008 im Klagenfurter „Park der Kärntner freiwilligen Schützen“ einen vermutlich obdachlosen Menschen (28) niedergeschlagen und schwer verletzt: „Beide Täter trugen Bomberjacken, Springerstiefel und – eine Glatze.“ (ORF Kärnten, 13.5.2008)
Der Vorfall ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen, weil es im Park der „freiwilligen Schützen“ zu dieser Zeit immer wieder zu brutalen Attacken – vor allem auf Obdachlose – gekommen ist (z.B. Krone, 12.6.2008 „Opfer liegt im Koma“). Zum zweiten, weil die Klagenfurter Polizei heftig dementierte, dass es in Klagenfurt eine „rechte Szene“ geben würde: „Zweimonatige Recherchen brachten in dieser Hinsicht keine Ergebnisse.“ (ORF Kärnten, 13.5.2008) Die Recherchen haben mit der Realität wenig bis nichts zu tun: Im September 2009 wird eine Gruppe offensichtlich rechtsextremer Jugendlicher wegen verschiedener krimineller Delikte, die sie 2008 in Klagenfurt und Umgebung verübt haben, verurteilt. (Kärntner Tageszeitung, 12.9.2009)
Ein Toter bei Brandanschlag
Im Juni 2008 gibt es in Klagenfurt auch einen folgenschweren Brandanschlag. Bei einem Brand in einem Asylheim kommt ein Afrikaner zu Tode, als er in Todesangst aus dem Fenster springt. 19 weitere Insassen werden zum Teil schwer verletzt. Die Polizei ermittelt schlampig und erklärt, dass Zigarettenstummel die Brandursache waren. Der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider gibt sogar die Parole aus, eine Fehde zwischen Drogendealern habe zu dem Brand geführt.
Erst im Dezember 2009 wird durch ein Sachverständigengutachten festgestellt, dass es sich eindeutig um Brandstiftung gehandelt habe. In einem „Ersatzprozess“ werden der Flüchtlingsbeauftragte des Landes Kärnten und der Heimbetreiber wegen fahrlässiger Gemeingefährdung vor Gericht gestellt und im Zweifel freigesprochen. Die tatsächlichen Brandstifter wurden bis heute nicht ausgeforscht. Zum Tatzeitpunkt – während der Fußball-Europameisterschaft 2008 – waren Neonazis in Klagenfurt ziemlich aktiv.
Kopf des Opfers zermalmt
In einem brutalen Gewaltexzess schlug am 23. März 2009 der aus der Blood & Honour-Szene kommende, mehrfach wegen schwerer Körperverletzung vorbestrafte Jürgen Kasamas (23) in der Wiener Innenstadt faktisch grundlos auf einen 53-Jährigen ein und zerschmetterte mit Fußtritten dessen Kopf zu Brei. Ein Ermittler sprach von „Übertöten“, weil das Opfer schon tot war und Kasamas noch immer Gewalt ausübte. (Kurier, 11.9.2009)
Mit welcher Wucht der 23-Jährige den Schädel seines Opfers zertrümmert hat, geben zwei Zeugenaussagen wieder: „Er ist wie verrückt auf dem Kopf des Mannes herumgehüpft”, erinnert sich ein Taxifahrer, der in der Nähe des Tatortes in seinem Wagen saß. Eine Anrainerin, die Lärm auf der Straße vernahm und aus dem Fenster sah, nahm Folgendes wahr: „Der Täter war offensichtlich mit sich selber zufrieden. Er klatschte und freute sich wie ein Sportler nach dem Sieg.” (Kurier, 11.9.2009)
Im Sommer 2009 veranstaltete die rechtsextreme Szene in einem Gasthaus in Wien-Leopoldstadt ein Solidaritätskonzert für den Mörder, der im September 2009 zu 20 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Der rechtsextreme bzw. neonazistische Hintergrund von Kasamas und seine Verbindungen in der Szene spielten beim Prozess und in der öffentlichen Debatte um den brutalen Mord kaum eine Rolle.
Der Ataka-Funktionär als Heurigenmörder
Am Pfingstmontag 2009 überfällt Tsvetan R. nach der Sperrstunde ein Heurigen-Lokal in Pachfurth (NÖ), erschießt den Gastwirt und seine Frau. Die Tochter wird ebenfalls niedergeschossen und überlebt nur deshalb, weil sie der Mörder für tot hält. Die Beute beträgt 1.000 bis 1.500 Euro. Im Zuge der Ermittlungen und beim Prozess Ende November stellt sich heraus, dass der Angeklagte in seinem bulgarischen Heimatort Chef der rechtsextremen Ataka-Partei war. Tsvetan R. wird wegen des Doppelmordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
Mit zahlreichen Messerstichen getötet
Richard (16) war nur einige Monate mit der 19-jährigen Betty liiert, bevor es zur Trennung kam. Zunächst wollte er sein Leben beenden, dann besorgte er sich ein Küchenmesser und ging Ende März 2009 in die Wohnung von Betty, die er fesselte und nach 30 Stunden Geiselnahme mit zig Messerstichen ermordete. Die Berichterstattung der Medien konzentriert sich ausschließlich auf die Bluttat eines jungen Liebespaares, nur der „Standard“ (18.12.2009) lässt einen rechtsextremen Hintergrund bei dem Angeklagten durchklingen: „Sonst zog er sich zwar Musikvideos mit rechtsradikalen Texten rein, aber ‚Ich hab nicht mit allen Ausländern Probleme’, sagt er“. Das Urtel: 13 Jahre Haft und Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.
Der Grazer Neonazi-Schlägertrupp
Im Jänner 2010 marschierten sie mit Nazi-Sprüchen in ein Studentenlokal in Graz ein, wo gerade eine Geburtstagsfeier stattfand, pöbelten und verletzten mehrere Personen, darunter das Geburtstagskind, schwer. Im Juni 2010 kam es zu einer weiteren Schlägerei der Neonazis, bei der wieder eine Person schwer verletzt wurde. Wegen schwerer Körperverletzung wurden sechs der acht Angeklagten im April 2012 zu Haftstrafen zwischen 18 Monaten und drei Jahren verurteilt (noch nicht rechtskräftig). (Standard, 11.4.2012)
Einige von ihnen standen Wochen nach diesem Prozess auch wegen NS-Wiederbetätigung vor Gericht und fassten weitere Strafen aus (noch nicht rechtskräftig).
Der Breivik von Traun
Am 22. Juli 2011, als Anders Behring Breivik in Oslo und Utøya zahlreiche Menschen ermordete, mordete auch Johann Neumüller (48) in Traun (OÖ) aus fremdenfeindlichen, rassistischen Motiven. Mit einem Kleinkalibergewehr erschoss er den 65-jährigen Alecsandr H. und verletzte dessen Frau Olga (63) und deren Sohn Adrian (37) schwer. Ein Ermittler: „Unsere Recherchen haben ergeben, dass der Mann weit mehr Menschen töten wollte, als er dann tatsächlich geschafft hat.” (OÖN, 28.10.2011) Erst nach dem Suizid von Neumüller Ende Oktober 2011 in seiner Zelle stellte sich heraus, dass nicht – wie lange kolportiert – ein Nachbarschaftsstreit, sondern „ein ausschließlich extrem fremdenfeindliches Motiv“ (OÖN, 28.10.2011) der Grund für den Mord (und die geplanten weiteren Morde) war. Bis zu seinem Suizid hatte Neumüller geglaubt „dass ihn aufrechte Österreicher aus dem Gefängnis in Linz mit Waffengewalt befreien werden, weil er quasi der Retter des Landes vor den Ausländern ist“ (OÖN, 29.10.2011). Seine Morde sollten in seiner Vorstellung dazu führen, dass sich „viele gleichgesinnte Österreicher gegen die Ausländer im Land erheben werden“ (OÖN,29.10.2011).
Kundgebung in Traun, vor dem Wohnhaus des rechten Mörders
Selbstmorde mit rechtsextremen Hintergrund
- Der frühere Funktionär der FPÖ-Alsergrund, Christian B., ein Proponent der extremen Rechten in der FPÖ, tötet sich am 13.3.1996 mittels Gewehrschuss nach heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der FPÖ.
- Ein rechtsextremer Skinhead aus Bregenz, der zusammen mit zwei weiteren Skins im August 1999 in Innsbruck in U‑Haft genommen wurde, erhängt sich wenige Stunden nach seiner Einlieferung.
- Franz Fuchs, der rechtsextreme „Briefbomben“-Attentäter, begeht im am 26.2.2000 in seiner Haftzelle Selbstmord.
- Am 27. Dezember 2001 findet eine Joggerin in einem Wald bei Tristach zwei Leichen, die an dünnen Stricken an einem Ast hängen. Daniel G. und Andreas A. haben sich in die selbstgebastelten Schlingen fallen lassen, wie der Gerichtsmediziner feststellt. Auf ihre Glatzköpfe haben sie sich Hakenkreuze gemalt, in der Wohnung von Daniel G. werden später mit Lackstift gemalte Ankündigungen des Selbstmordes („Walhalla, wir kommen!“) gefunden. (SN, 29.12.2001, News, 10.1.2002) Die beiden, so die SN, hätten sich demnächst wegen Brandanschlägen vom Mai 2001 vor Gericht verantworten müssen. Der tragische Selbstmord der beiden verwirrten Jungnazis wird von der Szene noch lange für neuerliche Motivation ausgebeutet. 2010 wird ein Flugblatt per Post in Osttirol in Umlauf gebracht, in dem zu Spenden auf das Konto des Dr. Horst Ludwig (AfP) anlässlich eines Neonazi-Prozesses aufgerufen und der beiden „jungen patriotischen Burschen“, die „von der österreichischen Inquisitionsjustiz in den Tod getrieben wurden“, gedacht wird. Die beiden werden zu Helden hochstilisiert, „die es gewagt hatten, sich gegen die schleichende Überfremdung in Tirol zur Wehr zu setzen“.
- Der Selbstmordversuch von Gabor S. (siehe oben) wird im Jahr 2008 rechtzeitig entdeckt.
- Johann Neumüller, der „Breivik von Traun“ begeht Ende Oktober 2011 in seiner Zelle Selbstmord.
⇒ Eine Chronologie rechtsextremer Gewalt (1990 ‑2000)
⇒ Verfassungsschutzbericht 2013 (III): Rechtsextreme Gewalt in Österreich