Eine seltsame Verfahrenseinstellung

Die Staat­san­waltschaft Wiener Neustadt hat in der Vor­woche bekan­nt­gegeben, dass sie die Ermit­tlun­gen gegen den ORF-Jour­nal­is­ten Ed Moschitz eben­so ein­stellt wie die gegen den FPÖ-Vor­sitzen­den Stra­che (siehe dazu: „Öster­re­ich – Ungarn, die Rechte und die Presse­frei­heit”). Das ist — nach drei Jahren (!!) Ermit­tlun­gen — der vor­läu­fige und merk­würdi­ge Schlusspunkt nach der aus­geze­ich­neten ORF-Doku­men­ta­tion „Am recht­en Rand“, die die FPÖ in höch­ste Erre­gung ver­set­zt hatte.


Screen­shot aus der Doku „Am recht­en Rand”
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Eigentlich waren es Drehar­beit­en zu der Doku „Am recht­en Rand“ über zwei junge Neon­azis am Rande ein­er FPÖ-Wahlver­anstal­tung in Wiener Neustadt, die die FPÖ und ihren Vor­sitzen­den Stra­che so in Aufre­gung ver­set­zt hat­ten, dass er sog­ar mit sein­er Entlei­bung dro­hte:

„Ich lasse mich abstechen, wenn das nicht stimmt“.

Die drastis­che Maß­nahme bleibt Stra­che erspart, weil die Staat­san­waltschaft Wiener Neustadt nach drei Jahren Ermit­tlung , in denen Gutacht­en auf Gutacht­en fol­gte, zu dem Ergeb­nis kam, dass „mit der für das Strafver­fahren notwendi­gen Sicher­heit wed­er eine allfäl­lige Manip­u­la­tion, noch die Tat­sache fest­stell­bar (ist), ob am 12.3.2010 in Wiener Neustadt (von wem auch immer) während ein­er Wahlkampfver­anstal­tung der FPÖ in räum­lich­er Nähe zum Bun­desparteiob­mann Heinz-Chris­t­ian Stra­che eine Äußerung wie „Sieg Heil“ oder „Heil Hitler“ getätigt wurde“.


Screen­shot aus der Doku „Am recht­en Rand”
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Dabei wäre es schon inter­es­sant gewe­sen, zu erfahren, was denn wirk­lich „stimmt“ bzw. was Stra­che eigentlich gehört haben will. Zunächst behauptete er näm­lich, „Heil Hitler“ gehört zu haben, dann wurde daraus ein „Sieg Heil“.

Nach­dem die Staat­san­waltschaft Wiener Neustadt zunächst gegen Ed Moschitz sog­ar wegen Ans­tiftung zur NS-Wieder­betä­ti­gung ermit­telt hat­te, wurde dieser Vor­wurf im Juni 2011 fal­l­en­ge­lassen. Was immer noch blieb, war der Vor­wurf der Fälschung eines Beweis­mit­tels (§ 293 StGB) und der Begün­s­ti­gung (§ 299) gegen Moschitz, der Vor­wurf der NS-Wieder­betä­ti­gung nach dem Ver­bots­ge­setz (§ 3g) gegen einen der jun­gen Neon­azis sowie der Vor­wurf der Beweis­mit­telfälschung gegen unbekan­nte Täter (damit waren die Mitar­beit­er des ORF-Filmteams gemeint)! 


Screen­shot aus der Doku „Am recht­en Rand”
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Stra­che wiederum wurde 2010 vom dama­li­gen Chef der ORF-Senderei­he „Am Schau­platz“, Chris­t­ian Schüller, wegen des Ver­dachts der falschen Beweisaus­sage (§ 288 StGB) und der Ver­leum­dung (§ 297 StGB) angezeigt. Im Herb­st 2010 hob der Nation­al­rat die Immu­nität von Stra­che auf, um Ermit­tlun­gen in dieser Angele­gen­heit zu ermöglichen. Stra­che wurde allerd­ings bis zur Ein­stel­lung des Ver­fahrens in der Vor­woche nicht dazu einvernommen…. 

Moschitz hat­te sich wegen der lan­gen Ver­fahrens­dauer mehrmals öffentlich beschw­ert und auch an den Europäis­chen Gericht­shof für Men­schen­rechte gewandt. Der hat­te Anfang Mai 2013 erk­lärt, dass er die Beschw­erde von Moschitz in Kürze prüfen werde. 

Mit der Ver­fahren­se­in­stel­lung kam die Staat­san­waltschaft Wiener Neustadt dieser Prü­fung zuvor….

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Ed Moschitz hat dazu folgende Stellungnahme abgegeben:

„Es han­delt sich wohl nur um einen Zufall, dass genau dann, wenn der Europäis­che Gericht­shof für Men­schen­rechte die Prü­fung meines Fall­es vor­bere­it­et, die Staat­san­waltschaft Wr. Neustadt ploet­zlich „keinen Grund mehr zu strafrechtlich­er Ver­fol­gung sieht” und sich mit der Ein­stel­lung des Ver­fahrens beeilt. 

Dass Staat­san­walt Han­dler gle­ichzeit­ig auch das Ver­fahren gegen FPÖ-Chef Stra­che ein­stellt, ist unfass­bar. Während näm­lich Stra­che vor laufend­er Kam­era am 12. März 2010 noch behauptete „Heil Hitler” gehört zu haben, kon­nte er sich Tage später nur mehr an ein „Sieg Heil” erin­nern. Auch die anderen von der FPÖ namhaft gemacht­en Zeu­gen wollen unter­schiedliche „Nazis­ager” gehört haben.

Weil aber die Behör­den über­haupt keine Nazis­ager auf der Drehkas­sette hören kon­nten, haben die Staat­san­wälte in Wr. Neustadt sich entschlossen mehrere teure Gutacht­en in Auf­trag zu geben. Aber auch gerichtlich beei­de­ten Gutachter kon­nten wed­er ver­botenes Gedankengut noch Manip­u­la­tion­sspuren auf der Kas­sette feststellen. 

Als Jour­nal­ist, der seine Quellen prüfen muss, find ich es natür­lich selt­sam, dass eine Staat­san­waltschaft es im gesamten Ver­fahren ver­ab­säumt, FPÖ-Chef Stra­che als Beschuldigten einzu­vernehmen. Das, obwohl der Immu­nität­sauss­chuss des Par­la­ments Stra­ches par­la­men­tarische Immu­nität bere­its im Herb­st 2010, wegen eines drin­gen­den Tatver­dacht­es!! der „falschen Zeu­ge­naus­sage” und „übler Nachrede” aufge­hoben hat­te. Einen drin­gen­den Tatver­dacht hat es übri­gens gegen mich niemals gegeben.“

Hier die Links zu eini­gen Berichten:

falter.at — „Am Schau­platz“ vor Gericht

ORF-Skin­head-Reportage: Gutachter find­et keine Manip­u­la­tion am Band
Öster­re­ich – Ungarn, die Rechte und die Pressefreiheit
„Am recht­en Rand“ und „verdächtige Schnaufer“
“Am recht­en Rand”/Ed Moschitz: Die Preisrede
ORF –Doku: Stra­che in der Klemme?
Moschitz (ORF) gegen Stra­che (FPÖ): Ein tot­er Hund und ein Arschloch
Stra­ches Superbelastungszeuge