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Ordnungsgemäße Methode der Deeskalation?

FPÖ-Par­­tei­­chef Stra­che ver­öf­fent­licht auf sei­nem Face­­book-Kon­­­to eine anti­se­mi­ti­sche Kari­ka­tur. Als sie ent­deckt wird, beschul­digt er die Kri­ti­ker. Das offi­zi­el­le Öster­reich reagiert ver­hal­ten. Die anti­se­mi­ti­sche Kari­ka­tur wird nicht ein­mal gelöscht. In der Vor­wo­che wird in der Wie­ner Innen­stadt ein Rab­bi­ner anti­se­mi­tisch und mit Nazi-Sprü­chen beschimpft. Die umste­hen­de Poli­zei reagiert nicht. Das Igno­rie­ren hat Sys­tem! Am Donnerstag, […]

3. Sep 2012

Am Don­ners­tag, 30. Sep­tem­ber, sam­meln sich Fuß­ball-Fans in der Wie­ner Innen­stadt im Vor­feld des Euro­pa-League-Spiels Rapid Wien gegen Paok Salo­ni­ki. Als ein Rab­bi­ner den Schwe­den­platz, einen der Sam­mel­punk­te für Fan-Grup­pen, pas­siert, wird er von einem Fuß­ball­fan beschimpft: “Hau ab, du Scheiß-Jude! Juden raus! Heil Hitler!“

Eini­ge Poli­zis­ten ste­hen etwa in drei Meter Ent­fer­nung. Als der Betrof­fe­ne die Poli­zis­ten fragt, ob sie denn nicht gegen den Neo­na­zi etwas unter­neh­men wol­len, bekommt er laut Gedächt­nis­pro­to­koll zur Ant­wort: “Na hörn’s, heut‘ is Fuß­ball!“ Die APA berich­tet: „Der Fuß­ball-Fan soll wäh­rend­des­sen noch immer mit zum Hit­ler­gruß erho­be­ner Hand vor dem Rab­bi­ner gestan­den sein.“ (APA 0338 vom 31.8.12)

Dem geschock­ten Rab­bi­ner wird etwas spä­ter von ande­ren Poli­zis­ten erklärt, bei dem Nicht-Ein­grei­fen hand­le es sich um eine bei sol­chen Anläs­sen „ord­nungs­ge­mä­ße Metho­de der Dees­ka­la­ti­on“ (Wie­ner Zei­tung, 1.9.2012).

Die vor­läu­fig ein­zi­ge Reak­ti­on: Ein Spre­cher der Wie­ner Poli­zei erklärt, der Vor­fall wer­de schon ein­ge­hend unter­sucht: “Soll­te ein Fehl­ver­hal­ten vor­lie­gen, wird es natür­lich Kon­se­quen­zen geben. Das steht außer Fra­ge.“ (Wie­ner Zei­tung, 1.9.2012)

Im Fall des anti­se­mi­ti­schen Car­toons auf der Face­book-Sei­te von Stra­che prüft die Staats­an­walt­schaft offen­sicht­lich noch immer, ob sie Ermitt­lun­gen ein­lei­ten will, obwohl sie eine Ent­schei­dung schon für spä­tes­tens 27. August ange­kün­digt hat.

Nach­dem am Diens­tag, 28. August, in Ber­lin ein Rab­bi­ner von vier Jugend­li­chen zusam­men­ge­schla­gen, schwer ver­letzt und anti­se­mi­tisch beschimpft wur­de, gibt es einen Auf­schrei der Empö­rung in der Öffent­lich­keit, schar­fe Ver­ur­tei­lun­gen quer durch die poli­ti­sche Land­schaft und eine Soli­da­ri­täts­ak­ti­on in Ber­lin („Kip­pa-Flash­mob“).


„Hun­der­te demons­trie­ren gegen Anti­se­mi­tis­mus”: Bild­quel­le: tagesspiegel.de

Die öster­rei­chi­sche Bun­des­re­gie­rung hat zu Stra­ches Car­toon nur in sehr dür­ren all­ge­mei­nen Wor­ten Stel­lung genommen:

Zu den Vor­wür­fen des Anti­se­mi­tis­mus in einem Pos­ting auf der Face­book-Sei­te des Obmanns einer öster­rei­chi­schen Oppo­si­ti­ons­par­tei hält der Spre­cher des Bun­des­kanz­lers fest: „Die Bun­des­re­gie­rung hat bis­her bereits jede Form des Anti­se­mi­tis­mus, des Ras­sis­mus und der Ver­het­zung scharf ver­ur­teilt und kri­ti­siert. Sie wird die­se ein­deu­ti­ge Hal­tung stets klar ver­tre­ten. Dies gilt für die­sen Fall wie für alle ande­ren. (OTS 0193, 23.8.12)


Die Face­book-Grup­pe “Blut­grup­pe HC Nega­tiv” ver­öf­fent­lich­te eine Ver­grö­ße­rung der Man­schet­ten­knöp­fe – das Ergeb­nis ist eindeutig.

Zu der ver­ba­len Hetz-Atta­cke auf den Rab­bi­ner in Wien gibt es von poli­ti­scher Sei­te bis­lang über­haupt kei­ne Reak­ti­on. Die „ord­nungs­ge­mä­ße Metho­de“ des Umgangs mit dem Anti­se­mi­tis­mus scheint hier­zu­lan­de noch immer das Ver­harm­lo­sen und Ver­schwei­gen zu sein.

Nur eini­ge Medi­en beschäf­ti­gen sich inten­si­ver mit dem Anti­se­mi­tis­mus in Österreich:

derstandard.at — Der geleug­ne­te Antisemitismus
diepresse.com — MIt Juden­be­schimp­fung fängt es an
zeit.de — Lügen aus Staatsräson

IKG (OTS): Baga­tel­li­sie­rung von offe­nem Anti­se­mi­tis­mus darf nicht tole­riert werden
Öllin­ger for­dert kla­res Zei­chen der Poli­tik gegen Antisemitismus