Feldkirch/Vbg: Neonazi nur ein „gerader Michel“
Wörgl-Innsbruck: „Es hat sich nicht ausgezahlt.“
Linz: Holocaust-Verharmlosung aus der Impfgegner*innenszene
Pernersdorf-Korneuburg/NÖ: Schuldig in 91 Punkten
Ansfelden/OÖ: Rechtsextremer Tierquäler mit Waffen und Nazi-Devotionalien
Bayern/D: Aiwanger bleibt im Amt
Bayern/D: Strafbefehl gegen Gerald Grosz
Feldkirch/Vbg: Neonazi nur ein „gerader Michel“
Eine seltsam klingende Verteidigungsstrategie wählte jener Anwalt, der am 28. August einen 38-jährigen Unterländer am Landesgericht Feldkirch vertreten hatte. Der mit gleich 17 Vorstrafen belegte Angeklagte hatte sich
im Zuge von Aufräumarbeiten nach einer Veranstaltung der Arbeiterkammer Vorarlberg mit einem ausländischen Security angelegt, als dieser ihn auf das geltende Rauchverbot aufmerksam machte. „Scheiß Ausländer. Mein Vater ist Patriot und hat gegen Ausländer gekämpft“, schmettert der Beschuldigte der Sicherheitskraft entgegen. Mehrmals ruft der 38-Jährige „Heil Hitler“ und „Sieg Heil“. Schließlich marschiert er zur Tribüne und klebt einen Zettel mit der Aufschrift „Heil Hitler“ ans Rednerpult. (krone.at, 29.8.23)
Dazu gesellten sich noch braune WhatsApp-Nachrichten. Der Angeklagte bezeichnete seine Taten als „Dummheit“, der Verteidiger meinte, er sei kein „Hardcore-Nazi“, sondern „vielmehr ein ‚gerader Michel‘“. Dass Abhitlern zum Repertoire eines „geraden Michels“ gehören soll, scheint den vorsitzenden Richter nicht gestört zu haben.
Es folgte ein einstimmiger Schuldspruch in allen Anklagepunkten mit 24 Monaten teilbedingter Haft – nicht rechtskräftig. Den unbedingten Teil könne der Angeklagte mit elektronischer Fußfessel ausgestattet außerhalb des Gefängnisses verbringen, stellte der Richter in Aussicht.
Wörgl-Innsbruck: „Es hat sich nicht ausgezahlt.“
Dass es sich nicht ausgezahlt habe, zu dem Schluss kam Ernst G., der sich wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz und das Waffengesetz und wegen versuchter schwerer Körperverletzung am 29. August vor dem Landesgericht Innsbruck verantworten musste. Der 28-Jährige hatte einem Bekannten, den er nicht gemocht habe, vor einem Lokal in Wörgl die Nase und das Jochbein gebrochen. Er habe sich provoziert gefühlt, da ihm der mit seiner Kette mit Davidstern-Anhänger „vor dem Gesicht herumgefuchtelt“ habe. Das habe aber, so der Angeklagte, nichts mit Antisemitismus zu tun, es hätte ihn auch genervt, wenn es ein Kreuz gewesen wäre. G.s Auftritt vor Gericht war nicht sein erster. Er wurde bereits 2016 wegen schwerer Körperverletzung verurteilt und mit einem Waffenverbot belegt, was ihn nicht daran gehindert hatte, in der Schützenkompanie Wörgl aktiv zu bleiben.
Die Einvernahme des Verletzten führten schließlich zu weiteren Ermittlungen gegen den Angeklagten. So wurde ein NS-Dolch bei der Hausdurchsuchung gefunden, von dem G. nicht gewusst haben will, dass er unter das Waffenverbotsgesetz fällt, weil er für ihn keine Waffe, sondern nur Deko sei. Neben weiteren nationalsozialistischen Gegenständen, die sich in der Wohnung „für Dritte sichtbar“ befunden hatten, wurden auch Datenträger mit NS-Propagandafilmen, die er auch vor Gästen hergezeigt hat, sichergestellt. Dazu kamen Bekleidung mit einschlägigen Beschriftungen aus der Naziszene oder von rechtsextremen Musikgruppen und Tattoos wie ein SS-Totenkopf, eine Wolfsangel und eine Lebensrune. Die Tattoos habe er auch offen gezeigt. Ganz grundsätzlich habe er nie einen Hehl aus seiner Gesinnung gemacht, wie der „Standard“ (29.8.23):
Bereits in Befragungen habe der Angeklagte eingeräumt, dass er nie auch nur versucht habe, die einschlägigen Gegenstände zu verstecken, sagte die Staatsanwältin. Von Familie und Freunden sei er darauf aufmerksam gemacht worden, dass dies gegen das Gesetz verstoße. Der Umstand, dass bei der Hausdurchsuchung Szenekleidung auch im Wäschekorb gefunden wurde, zeuge davon, dass er diese Kleidungsstücke nach wie vor trage.
Begonnen habe alles schon während der Hauptschulzeit, so der Angeklagte. Fasziniert habe ihn vor allen der Zusammenhalt, es sei ihm um die Gemeinschaft gegangen. Jetzt sei er nach seiner 13-jährigen braunen Karriere jedoch geläutert, und im Herbst wolle er sich die Tattoos entfernen lassen.
G. wurde noch nicht rechtskräftig zu zwei Jahren Haft verurteilt, davon acht Monate unbedingt – mit der Möglichkeit, die mit einer elektronischen Fußfessel zu Hause abzusitzen.
Wir danken für die Prozessbeobachtung!
Linz: Holocaust-Verharmlosung aus der Impfgegner*innenszene
Am 29.08.2023 musste sich Manuela S. vor dem Landesgericht Linz wegen gröblicher Verharmlosung nach § 3h Verbotsgesetz verantworten. Auf ihrem Facebook-Account hatte sie öffentlich einsehbar Ungeimpfte mit Opfern des Nationalsozialismus verglichen. Das Profilbild, das Tatbestand der Verhandlung war, zeigte eine in ein weißes Tuch gehüllte Person mit gelbem Stern. Darauf war die Aufschrift „Ungeimpft“ zu lesen.
Die Angeklagte habe sich, so die Verteidigung, als ungeimpfte Person ausgegrenzt gefühlt. Das Profilbild habe sie schnell wieder gelöscht, weil sie merkte, dass es dumm sei. Zum Vorwurf der Wiederbetätigung war sie nicht geständig, da sie, so die Angeklagte, keinerlei Beziehung zum Nationalsozialismus habe und auch keinen solchen Freundeskreis. Sie wusste zwar, was der gelbe Stern bedeute, wollte aber niemanden beleidigen.
Die Geschworenen befanden die Angeklagte für schuldig. Das noch nicht rechtskräftige Urteil blieb mit neun Monaten bedingt unter der Mindeststrafe.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Pernersdorf-Korneuburg/NÖ: Schuldig in 91 Punkten
Bereits Ende Mai musste ein Pernersdorfer aus einer „lustigen” WhatsApp-Gruppe am Korneuburger Landesgericht aufmarschieren. Er räumte für unzählige Chatnachrichten zwei Jahre bedingt ab – allerdings waren da der Besitz eines NS-Ordens und von unerlaubten Waffen inkludiert. Dasselbe Strafmaß erhielt letzte Woche der nächste aus der siebenköpfigen Truppe.
Insgesamt 91-mal soll sich ein 35-Jähriger aus dem Pulkautal im Zeitraum von 9. April 2017 bis zum 20. April 2021 nach dem Paragrafen 3g Verbotsgesetz schuldig gemacht haben. (…) Immer wieder müssen sich dabei die Richter, in diesem Fall die Vorsitzende Anna Wiesflecker, anhören, dass diese verharmlosenden Bilder der NS-Zeit und des Holocausts doch bloß „lustig gemeint“ gewesen wären. Auf Nachfrage, was konkret der 35-Jährige bei der Vielzahl an Posts als humorvoll empfunden hat, wurde die Antwortlage dünn. Er habe gedacht, die anderen fänden’s lustig. (noen.at, 4.9.23)
Ob das Urteil rechtskräftig ist, geht aus dem NÖN-Artikel nicht hervor.
Ansfelden/OÖ: Rechtsextremer Tierquäler mit Waffen und Nazi-Devotionalien
Braune Gesinnung, Waffen, Drogen & Oberösterreich – die Kombination kennen wir seit langer Zeit. In der Causa von Ansfelden kommen massive Tierquälerei und auch noch der Besitz von Falschgeld hinzu, wie einer Aussendung der LPD Oberösterreich zu entnehmen ist.
Ein bereits amtsbekannter 45-Jähriger habe auf einem heruntergekommenen Bauernhof in Ansfelden (Bez. Linz-Land) Hunde unter grauenhaften Bedingungen in einem Keller gehalten.
In Anwesenheit des 45-jährigen Hausbesitzers konnten im Zuge der Durchsuchung insgesamt 44 verwahrloste Hunde, 26 Waffen (diverse Langwaffen, Faustfeuerwaffen, Schreckschusswaffen und Airsoftgun), die dazugehörigen Magazine (51 Stück) und Munition (8.543 Stück), diverse Suchtmittel (Speed, Kokain, Cannabis, Tabletten MDMA…), Falschgeld und mehrere Gegenstände mit NS-Bezug, die dem Verbotsgesetz unterliegen könnten, aufgefunden und sichergestellt werden. (LPD OÖ, 4.9.23)
Die „Kronen Zeitung” (3.9.23) hatte in einer früheren Meldung auch von Sprengmitteln und Kriegsmaterialien, die sichergestellt worden seien, berichtet.
In welchem Zustand jene Tiere waren, die neben verwesten und skelettierten Kadavern noch lebendig gerettet werden konnten, wird in einer Aussendung der Tierschutzorganisation „Pfotenhilfe“ geschildert: „Das Grauen vor Ort ist unbeschreiblich und kann auch nur sehr schwer verarbeitet werden.“
Der mutmaßliche Tierquäler soll bereits 2019 wegen einer Tätowierung nach dem Verbotsgesetz verurteilt worden sein, schreiben die „Oberösterreichischen Nachrichten“ (4.9.23). Gegen ihn bestand daher ein aufrechtes Waffenverbot. Der Mann befindet sich inzwischen in Untersuchungshaft und soll bislang die Aussage verweigen.
Bayern/D: Aiwanger bleibt im Amt
Die Affäre um Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger („Freie Wähler“) und dessen mögliche Urheberschaft eines Flugblatts aus dem Jahr 1988, das den NS-Vernichtungsantisemitismus feiert und die Opfer verhöhnt, hat ihre zu erwartende unrühmliche Fortsetzung gefunden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wollte von seinem Stellvertreter die Beantwortung von 25 Fragen zur Aufklärung der Causa. Aiwanger übermittelte seine Antworten am Freitag (1.9.23) an die Bayrische Staatskanzlei.
Zwei Tage später, am Sonntag, trat Söder vor die Kameras und erklärte u.a., dass er Aiwanger im Amt behalten wolle und dass es in Bayern definitiv keine schwarz-grüne Regierungskoalition geben werde. Söder verzichtete in der Rede nicht auf Selbstinszenierung und Pathos, etwa mit der gewagten Behauptung, Bayern unter ihm sei „ein Bollwerk gegen Rassismus und Antisemitismus“. Er gestand allerdings ein, dass Aiwangers „Krisenmanagement“ der letzten Woche „nicht sehr glücklich“ gewesen sei, die Entschuldigung und Distanzierung seien zudem „überfällig“ gewesen, und außerdem: „Die Antworten waren nicht alle befriedigend.“ (tagesschau.de, 3.9.23)
Die Fragen und Antworten wurden nach der Pressekonferenz in unterschiedlichen Medien veröffentlicht. Aiwanger bestreitet darin weiterhin vehement den Text, der in seiner Schultasche gefunden wurde, verfasst zu haben, darüber hinaus erinnere er sich an vieles nicht mehr. Die letzten beiden Fragen weisen über den Vorfall hinaus, sie lauten sinngemäß: Erstens, wie positioniere er sich zum Vorwurf, dass sein Verhalten „zur Schulzeit eine Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut nahegelegt habe“? Und zweitens, ob es „weitere mögliche rechtsradikale Aktivitäten“ (spiegel.de, 3.9.23) in seiner Vergangenheit gegeben habe? Aiwanger beantwortete beide Fragen in einem Absatz, der eigentlich keine Antwort beinhaltet:
Ich habe als Jugendlicher auch Fehler gemacht, die mir heute leidtun. Ich bereue, wenn ich durch mein Verhalten in der Jugendzeit Gefühle verletzt habe. Fehler aus der Jugendzeit dürfen einem Menschen allerdings nicht für alle Ewigkeit angelastet werden. Jedem Menschen muss auch ein Entwicklungs- und Reifeprozess zugestanden werden. (spiegel.de, 3.9.23)
Mit dieser vielsagenden Vagheit wiederholt Aiwanger ein Muster, das er seit Beginn Affäre immer wieder bedient hat: Auf eine halbherzige Entschuldigung – die stets „Gefühle“ betont – folgt umgehend eine Opferinszenierung. So heißt es in einer Vorbemerkung zu dem Fragenkatalog: Er bereue durch sein Verhalten „Gefühle verletzt“ zu haben, sei aber entsetzt, wie durch die Weitergabe des Dokuments aus „dem geschützten Raum Schule durch einen Lehrer“ der Versuch unternommen werde, ihn „politisch und persönlich fertig zu machen“; er behalte sich diesbezüglich rechtliche Schritte vor. So nahe können „Entschuldigung“ und Drohung beieinanderliegen.
Die aggressive Opferpose – beliebt auch in der gesamten extremen Rechten – übt Aiwanger bereits seit über einer Woche ein. So raunte er in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“: „Wenn diese Hexenjagd nicht aufhört und Erfolg hat, wird niemand mehr in die Politik oder in andere Führungspositionen gehen, aus Angst, dass seine Vergangenheit auf jeden schlechten Witz hin durchleuchtet wird.“ (zit. nach orf.at, 2.9.23)
Auch wenn Aiwanger in seinen jüngeren Statements nicht mehr so weit geht, Tötungsfantasien im NS-Jargon als „schlechten Witz“ zu bezeichnen, hat sich doch an seiner rhetorischen Strategie nichts geändert: keine Entschuldigung ohne offensives „Aber“.
Bayern/D: Strafbefehl gegen Gerald Grosz
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat einen Strafbefehl gegen den österreichischen Ex-Politiker und rechtsextremen Berufs-Polemiker Gerald Grosz (FPÖ/BZÖ) erlassen. Anlass ist eine Rede, die Grosz beim „Politischen Aschermittwoch“ der AfD in Osterhofen im vergangenen Februar gehalten hat. Dort nannte er Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) etwa „Corona-Autokrat“ und „Södolf“ und Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) beschimpfte er als „Horrorclown“. Der juristische Vorwurf, bei dem eine Strafe von 36 000 Euro im Raum steht, bezieht sich auf Beleidigung von Personen des politischen Lebens sowie auf einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Zudem soll Grosz bei der Veranstaltung unerlaubt ein Messer bei sich geführt haben. (vgl. br.de, 1.9.23)
Dem ist hinzuzufügen, dass es sich bei dem Auftritt abgesehen von dem Spott gegen Politiker*innen (Angela Merkel und Annalena Baerbock wurden ebenso untergriffig verspottet) auch um eine rassistische Brandrede handelt. So behauptete Grosz, die deutsche Regierung wolle „Unintegrierbares integrieren“ und dabei „die Deutschen am Silbertablett ihren Schlächtern“ ausliefern. Er halluzinierte mit Applaus begleitet von einer „politischen Agenda der Unterwanderung“ und nannte die konservative Ex-Kanzlerin „Urfrau der Unterwanderung“.
Grosz führt das Video von der Rede auch heute noch in seinem YouTube-Kanal, obwohl er von der Anzeige gegen ihn schon lange weiß: Bereits Ende April reagierte er in einem Interview mit OE24 (27.4.23) – wieder mit Spott. Das könnte jetzt teuer werden.