Pernersdorf-Korneuburg/NÖ: Nazi-Bilderflut und immer mehr Verfahren
Feldkirch/Vbg: Mord mit Vorgeschichte
Graz: Ein Staatenbund-Nachzügler
Wien: Falsche Impfbestätigungen – auch für hochrangigen Ex-FPÖ-Politiker
Pernersdorf-Korneuburg/NÖ: Nazi-Bilderflut und immer mehr Verfahren
Zwischen Februar 2014 und November 2021 soll der Angeklagte P. W. insgesamt 190 Delikte nach dem Verbotsgesetz (§ 3g) gesetzt haben, außerdem durch den Besitz eines Morgensterns und eines Schlagrings gegen das Waffengesetz verstoßen haben. Das sind die Vorwürfe der Anklage, die einem Geschworenengericht beim Landesgericht Korneuburg am 31. Mai vorgetragen wurden. „Passiert“ ist dem Angeklagten das alles auf WhatsApp. Weil er die Bilder „lustig“ gefunden hat, hat er sie auch an Freunde weitergeleitet. Was war für ihn so „lustig“? Hitler, SS-Runen, NS-Symbole, Bilder, auf denen es um rauchende Schornsteine, Gas, Vergasung und damit die Vernichtung von Menschen ging. Auch ein Eiernockerl-Foto zu Hitlers Geburtstag war dabei.
Das nennt sich dann in den Worten des Angeklagten „schwarzer Humor“. Der Verteidiger bezeichnet es „einfach dumm“, im österreichischen Recht ist es aber NS-Wiederbetätigung. Noch dazu vielfache! Der Verteidiger versucht die Geschworenen deshalb mit unpassenden Vergleichen der Strafsätze bei Missbrauch Unmündiger bzw. der Verbreitung von pornografischem Material mit der NS-Wiederbetätigung milde zu stimmen. Außerdem sei das Verbotsgesetz aus dem Jahr 1947 – damals hätten eben andere Verhältnisse geherrscht.
Der Angeklagte bekennt sich in der Einvernahme durch die Richterin schuldig. Der Staatsanwalt hat noch eine Frage zu einem Tattoo am Bauch mit drei Buchstaben. Habe er sich wegmachen lassen, erklärt der Angeklagte. Der Verteidiger legt ihm dann noch eine Rutsche, fragt ihn, ob er in der Gedenkstätte Mauthausen war. Ja, einige Wochen nach der Hausdurchsuchung. Er könne sogar eine Bestätigung (ein Rechnungsbeleg) vorweisen. Es scheint sich in Niederösterreich herumzusprechen, dass sich ein Besuch der Gedenkstätte Mauthausen vor der Hauptverhandlung unter Umständen positiv auf das Urteil auswirken könnte.
Die Richterin erwähnt noch einen Nazi-Orden, der in der Garage frei sichtbar angebracht gewesen sei, dann werden die Fragen für die Geschworenen formuliert und die einzelnen Delikte noch einmal vorgetragen. Übel! Der Staatsanwalt widerspricht in seinem Schlussplädoyer engagiert den Ausführungen des Verteidigers, seinen Vergleichen, aber auch dem Hinweis auf längst vergangene Zeiten: „Fast jede Woche werden hier Verstöße gegen das Verbotsgesetz verhandelt und es werden immer mehr!“
Für die Geschworenen ist die Schuldfrage klar. Sehr eindeutig sogar: In allen 33 Fragen sprechen sie P.W. schuldig, die Strafe wird mit 24 Monaten, bedingt auf drei Jahre, bemessen. Beide Seiten, Staatsanwaltschaft und Angeklagter, nehmen das Urteil an, daher ist es rechtskräftig.
Danke für die Prozessbeobachtung!
Feldkirch/Vbg: Mord mit Vorgeschichte
Weil er seinen Vater Anfang Juli 2022 mit mehreren Messerstichen getötet hatte, musste sich ein 30-Jähriger aus Tisis (Gemeinde Feldkirch) am 31.5. vor Geschworenen am Landesgericht Feldkirch verantworten. Der Angeklagte bekannte sich gleich zu Beginn der Verhandlung zu seiner Tat: „Ja, ich habe ihn getötet. Aber ich war damals in einem psychisch schlechten Zustand. Und wir haben gestritten.“ (vol.at, 31.5.23)
Der 30-Jährige ist dem Gericht nicht unbekannt. Schon einmal saß er wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz vor dem Schwurgericht. Auch befand er sich bereits in stationärer psychischer Behandlung. Wegen seiner manisch-depressiven Veranlagung. Medikamente wurden ihm verordnet, doch setzte er deren Einnahme vor der Tat ab. Stattdessen konsumierte er auf einem Festival in der Schweiz Drogen. (vol.at)
Der Gerichtspsychiater bestätigte, dass der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig gewesen sei und wollte ihm auch keine positive Zukunftsprognose ausstellen. Seiner Empfehlung zu einer therapeutischen Behandlung durch Einweisung in eine forensisch-therapeutische Anstalt folgten die Geschworenen nach längerer Beratung. Auch der Angeklagte war damit einverstanden.
Graz: Ein Staatenbund-Nachzügler
Der Prozess gegen Gerhard W. (45) fand schon am 24.5. fand. Es handelt sich um ein Nachzüglerverfahren aus der Gruppe „Staatenbund Österreich“. Gerhard W. ist wegen mehrerer Delikte angeklagt: Missbrauch der Amtsgewalt, Erpressung, staatsfeindliche Verbindung und Verletzung der Unterhaltspflicht. Der Angeklagte hat auch schon eine justizielle Vorgeschichte: 2016 wurde er wegen gefährlicher Drohung und Nötigung zu drei Jahren bedingt verurteilt, 2017 kassierte er dann 15 Monate, davon fünf unbedingt wegen eines versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt.
2017 ist der Angeklagte dem Staatenbund beigetreten, da war dessen Zeit schon ziemlich vorbei. Im April 17 gab es die große Razzia mit 27 Verhaftungen von Staatenbündler*innen. Gerhard W. scheint das nicht sehr irritiert zu haben. Auch nach der Verhaftungswelle verschickt er die üblichen Drohschreiben an verschiedene Behördenvertreter, eine Rechtspflegerin, einen Richter. Für eine Mahnung in der Höhe von 150 Euro, die er nicht zahlen wollte, verlangt er einen Schadenersatz von 100.000 Euro. Pro Tag.
Die Staatsanwältin (S) will wissen, ob der Angeklagte (A) die Verhaftungen mitbekommen hat:
S: Haben Sie die Verhaftungen mitbekommen?
A: Nicht so richtig, ich hab‘s im Fernsehen gesehen.
S: Sie haben ja danach noch Drohschreiben verschickt, nachdem Sie von den Verhaftungen der führenden Mitglieder gewusst haben.
A: Franz Josef D. hat mir gesagt: Du musst die Drohschreiben schicken! Von ihm habe ich auch die Drohschreiben bekommen. (Prozessprotokoll)
Wann genau er die Idee hatte, die „Heimatgemeinde Semriach“ im Rahmen des Staatenbundes zu gründen, wird nicht klar. Wie es dazu kam, ein bisschen: Bei einer Veranstaltung des Staatenbundes sei ein Vordruck aufgelegen, Vater und Bruder hätten ihn abgeschrieben und dann zu ihm gesagt: Du musst das machen. Der Vater habe auch Drohschreiben verschickt, aber die Schriftzüge stammen vom Angeklagten. Der gibt es auch zu. Er habe sich Ende 2017 dann ohnehin vom Staatenbund distanziert, erklärt er, auch die Haft (vermutlich die fünf Monate unbedingt) sei für ihn lehrreich gewesen.
Zur Verletzung seiner Unterhaltsverpflichtung befragt, erklärt Gerhard W., dass er seit 2017 arbeitslos sei und seine Eltern für ihn teilweise den Unterhalt für seine Tochter bezahlt hätten. Ein Geschworener wird unrund: „Was tun Sie denn den ganzen Tag?“ Er entschuldigt sich dafür nach einem sanften Rüffel des Vorsitzenden.
Am Nachmittag dann das Urteil der Geschworenen: Schuldspruch und eine Haftstrafe von 20 Monaten, davon 2 unbedingt. Der Probezeitraum wird auf 5 Jahre verlängert. Der Angeklagte akzeptiert das Urteil.
Wir danken prozess.report und „VON UNTEN — Das Nachrichtenmagazin auf Radio Helsinki“ für die Prozessbeobachtung!
Wien: Falsche Impfbestätigungen – auch für hochrangigen Ex-FPÖ-Politiker
Bei der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Meidling ging es um die strafrechtliche Aufarbeitung einer betrügerischen Causa rund um falsche Impfbestätigungen. Als Ende Jänner 2022 aufflog, dass im Austria Center Vienna, wo die größte Impfstraße Österreichs abgewickelt wurde, Mitarbeiter*innen über Monate hinweg Impfbestätigungen gefälscht und um 550–650 Euro das Stück verkauft hatten, war die Aufregung groß. Schon damals kursierte das Gerücht, dass gefälschte Impfbestätigungen auch an hochrangige Politiker „impfkritischer Parteien“ gegangen seien. Deshalb war das Interesse an der Verhandlung beim Bezirksgericht Meidling Ende Mai groß und die Nervosität der Gerichtsmitarbeiter vor der Verhandlung ebenfalls.
Dann die Verhandlung mit zwei Angeklagten (ursprünglich gab es mehr Verdächtige). Gegen den Hauptangeklagten M.D. (32) erhebt die Anklage den Vorwurf der Beweismittelfälschung, Urkundenfälschung und Körperverletzung an seiner Ex-Freundin. Seine Vorstrafe wegen Betrugs liegt noch nicht lange zurück. M.D. bekennt sich schuldig, verweigert aber sonst jede Aussage, Das gilt zunächst auch für die Zweitangeklagte C.B. (56), deren kriminelle Energie vor allem darin bestanden hat, mitgemacht und dabei insgesamt 1.600 Euro (ca. 25 Euro Anteil pro Fake-Impfausweis) verdient zu haben. Im Gegenzug habe sie die Besteller sogar bewirtet. Das fällt gegenüber den Einnahmen für M.D., der für über 100 gefälschte Impfausweise die volle Summe kassiert hat, dann doch sehr deutlich ab. Unklar bleibt im Verfahren die Rolle einer weiteren Person, einer Ärztin, an die auch Käufer weitergeleitet wurden. Der Erstangeklagte verweigert dazu die Aussage, die Zweitangeklagte weiß nicht wirklich was.
Die Urteile: acht Monate Haft, davon zwei unbedingt für den Erstangeklagten, weil, so der Richter, der „Störwert für die Gesellschaft hoch“ und der Rückfall nach der Vorstrafe ziemlich schnell war. Die Zweitangeklagte kam mit einer Diversion in der Höhe von 120 Stunden für soziale Arbeit davon: „Ich arbeite gerne mit älteren Leuten oder Kindern zusammen”, erklärte sie dazu und setzte dann etwas überraschend nach: „Wenn ich als Ungeimpfte heutzutage dort noch einen Job bekomme, mach ich das gerne.“
Offen ist aber noch die Frage: Wer ist der hochrangige Ex-FPÖ-Politiker, der sich einen gefälschten Impfausweis gekauft hat? Da die Sache nicht ausjudiziert ist, können wir das Rätsel nur etwas eingrenzen: Es war nicht Strache!
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!