Wien: Oft blau, deshalb braun
Imst/Innsbruck: Kleinlaut vor Gericht
Feldkirch/V: Lustige Lieder
Moosdorf-Ried/OÖ: Erstaunlicher Freispruch
Linz: Vermutete FPÖ-Anhängerin mit „Heil Hitler“ bedacht
Wels-Vöcklabruck/OÖ: Identitären-Prozess geht in die nächste Runde
Mondsee-Linz/OÖ: Nazispruch führt zu Verurteilung
Wiener Neustadt: Wegen Berauschung keine Wiederbetätigung
Wien: Oft blau, deshalb braun
Es seien ästhetische Gründe gewesen, die den 37-jährigen Angeklagten Daniel C. dazu bewogen hätten, sich „auf beiden Schultern das Symbol der SS-Totenkopfverbände, ein Schädel über gekreuzten Knochen, sowie quer über die Brust das Wort ‚Ostfront‘“ (derstandard.at, 12.12.22) tätowieren zu lassen. Dazu kamen eine Reihe weiterer Delikte nach dem Verbotsgesetz, die C., der im Zusammenhang mit Mitgliedern aus der Unwiderstehlich-Truppe steht, von 2016 bis 2020 begangen hat.
Er habe damals „viel Alkohol” getrunken und „viele falsche Freunde” gehabt, entschuldigt der Angeklagte sich. Wie sich herausstellt, ging es konkret um zwei Männer, die er über seine Schwester kennengelernt habe. Peter S [der bereits am 15. November zu 24 Monaten bedingt verurteilt wurde; Anmk. SdR]. ist einer davon. „War das ein Nazi?”, will Apostol wissen. „Also nach außen hin nicht”, windet C. sich. „Nazi ist man meistens innen”, stellt der Vorsitzende fest. Der 37-Jährige gibt zu, dass S. in diese Richtung tendiert habe. Daher habe er ihm und einem zweiten auch Nachrichten geschickt, in denen der Buchstabe „S” durch die Sigrune ersetzt war, um „dazuzugehören”, sodass bei der Schlussformel „Gruß” auf „Gru” das SS-Symbol folgte. (derstandard.at)
Danach ging’s um Kenntnisse zum Nationalsozialismus, die laut dem Angeklagten als Erklärungen für seine Delikte sehr mangelhaft gewesen seien. Dem wollten die Geschworenen offenbar nicht ganz glauben: Schuldspruch in sieben von elf Anklagepunkten und 18 Monate, davon ein Monat unbedingt. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Imst/Innsbruck: Kleinlaut vor Gericht
Dafür, dass er zuvor ziemlich große Töne gespuckt hatte, gab sich der Imster Busunternehmer Andreas T. (46 Jahre), der wegen mehrerer Vorwürfe ins Visier der Justiz geraten ist, vor Gericht dann ziemlich kleinlaut. Bei zwei Prozessterminen, zu denen er wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz geladen war, ist er nicht erschienen. Daher wurde er in U‑Haft genommen und von dort am 13.12. im Landesgericht Innsbruck unter Beisein seiner Fans und vielen Polizeischüler*innen vorgeführt.
Die Anklage lautete:
46-jährigem Unternehmer wird vorgeworfen, er habe seit Februar 2016 bis Juni 2021 über WhatsApp wiederholt Bild- und Videodateien mit NS-Bezug, teilweise mit hetzerischem Inhalt, an verschiedenste Personen versandt und das Buch „Mein Kampf“ in einem Bücherregal in einem öffentlich zugänglichen Bereich seines Büros aufgestellt. (Verhandlungskalender LG Innsbruck)
Insgesamt, so wurde im Prozess erörtert, waren es mehr als 20 Bilder und Videos mit rassistischen, nationalsozialistischen und antisemitischen Inhalten, die T. verschickt hatte. Dafür bekannte sich T., der vom Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger verteidigt wurde, schuldig. Hitlers Werk „Mein Kampf“, sei eine kommentierte Fassung gewesen, daher gab’s dafür zum Schluss auch einen Freispruch.
T. gab sich geläutert, die Untersuchungshaft habe ihn gebrochen. Corona habe ihn aus der Bahn geworfen, sein Unternehmen sei in Konkurs gegangen – was beides keine Erklärung für die bereits lange Jahre vor der Pandemie verschickten Nachrichten war. Und es sei ihm nicht klar gewesen, welche Außenwirkung die Bilder gehabt hätten. In einem psychiatrische Gutachten wurde festgestellt, dass T. intellektuell durchschnittlich begabt sei und kein Hinweis auf eine neurologisch-psychiatrische Erkrankung vorläge.
Der reumütige Auftritt von T. inklusive Tränen zeigte offenbar Wirkung. Es setzte zwar für die Chats Schuldsprüche, aber mit 18 Monaten bedingt und einer Geldstrafe von 1.440 Euro und Übernahme der Gerichtskosten kam T. letztlich glimpflicher davon als sein Chatkumpan, der bereits am 31. Mai 22 zu zwölf Monaten bedingter Haft und einer unbedingte Geldstrafe über 6.000 Euro verurteilt worden war..
Möglicherweise warten nun auf T. jedoch noch Verfahren wegen anderer Delikte. Ob er seine Pläne, ein reichsbürgerähnliches Zentrum in seiner Heimat zu errichten, weiter verfolgen wird, wurde beim Prozess nicht erörtert.
Danke an unsere Prozessbeobachter*innen für den Bericht!
Auf wundersame Weise ist ein 29-jähriger Unterländer mit seinem Smartphone auf ein SS-Liederbuch gestoßen. „Er habe die Propaganda in den Liedern lustig gefunden und die Datei in alkoholisiertem Zustand kommentarlos an eine Whatsappgruppe geschickt.“ (vol.at, 15.12.22) Für diesen „Spaß“ erhielt er eine nicht rechtskräftige Geldstrafe über 1.600 Euro.
Moosdorf-Ried/OÖ: Erstaunlicher Freispruch
Ohne nähere Erklärung zu einem erstaunlichen Urteil kommt eine Kurzmeldung der „Kronen Zeitung” (18.12.22, S. 28) aus:
Wiederbetätigung warf die Staatsanwaltschaft Ried einem Innviertler Ehepaar – er 45 Jahre alt, sie ist deutsche Staatsbürgerin und 37 Jahre alt – vor. In der offen einsichtigen Garage soll eine verbotene Nazi-Fahne mit Reichsadler geweht haben. Im Keller war eine Glasvitrine mit Hitler-Devotionalien, darunter ein Wein mit dem Etikett „Ein Volk, ein Wein, ein Führer“ offen ausgestellt. Doch das Gericht wollte den Ausführungen der Staatsanwaltschaft nicht folgen, sprach das Ehepaar am Ende frei.
Linz: Vermutete FPÖ-Anhängerin mit „Heil Hitler“ bedacht
Einem 37-Jährigen wurde vorgeworfen, am 21.11.2021 am Linzer Hauptplatz mehrfach „Heil Hitler“ gerufen zu haben. Die Verteidigung führte an, Herr B. sei bosnischer Staatsbürger mit einer türkischen Lebensgefährtin und könne aus diesem Grunde kein Nationalsozialist sein. Der Angeklagte, der sich schuldig bekannte, gab an, zum Zeitpunkt einer sich auflösenden Corona-Demonstration spazieren gewesen zu sein. Er habe mit dem Handy die Szenerie gefilmt und sei mit einer Frau in Streitigkeiten verwickelt worden. Da der Angeklagte seine Kontrahentin als FPÖ-zugehörig verortet hätte, sei sie die alleinige Adressatin seine Rufe gewesen.
Die Geschworenen befanden ihn mehrheitlich für schuldig, die Geldstrafe über 500 Euro und 15 Monate bedingter Haft ist bereits rechtskräftig.
Danke an unsere Prozessbeobachter*innen für den Bericht!
Wels-Vöcklabruck/OÖ: Identitären-Prozess geht in die nächste Runde
Der Prozess gegen jene fünf Identitären, die im August 2021 in Vöcklabruck auf dem Baugelände für ein Bosniakisch-Österreichisches Kultur- und Bildungszentrum ein Ku-Klux-Klan-artiges Kreuz und ein Banner mit Hetzparole hinterlassen hatten, wurde nun zum zweiten Mal auf vorerst unbestimmte Zeit vertagt, wie die Medienstelle des Landesgerichts Wels „Stoppt die Rechten“ mitteilte. Es solle ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet des politischen Islam eingeholt werden.
Mondsee-Linz/OÖ: Nazispruch führt zu Verurteilung
Kein Wunder, dass der von Rechten gern gebrauchte und fälschlicherweise immer wieder Theodor Körner zugeordnete Spruch von den „feigen Gestalten“, die „oben“ sitzen und „vom Volke“ gerichtet würden, auch gerne im Zuge der Corona-Maßnahmen-Proteste verwendet wurde. Seit Jahren ist nun klar, dass die Zeilen von der Neonazi-Autorin Renate Schütte stammen (https://www.stopptdierechten.at/2021/02/03/der-rechtsextreme-spruch-des-brigadiers/), und das war auch der Grund, warum zwei Teilnehmer einer Demo in Mondsee eine Verwaltungsstrafe von 500 Euro für das Zeigen des Schütte-Spruchs erhalten hatten. Nun wurde eine beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eingebrachte Beschwerde abgewiesen, dafür aber die Strafe halbiert.
Das im Verwaltungsstrafrecht erfasste Verhalten der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts geht weiter, als jenes der strafgerichtlichen Tatbestände nach dem Verbotsgesetz. Dabei geht es vor allem um die Ahndung eines Verhaltens, das — wenngleich fälschlich – den Eindruck erweckt, es werde Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes betrieben, als öffentliches Ärgernis erregender Unfug, der die öffentliche Ordnung stört, empfunden wird. Zielsetzung des Gesetzgebers ist es, alle Spuren des Nationalsozialismus in Österreich zu entfernen und grundsätzliche Störungen der öffentlichen Ordnung zu verhindern.
Die auf dem Plakat befindliche Textzeile ist der Beginn der vierten Strophe des Gedichtes „Anklage“ der NS-Autorin Renate Schütte. Wenn auch der reine Wortlaut dieser Textzeile für sich noch keine unmittelbare Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie aufweist, kann diese natürlich – wie jede andere Textzeile auch – als Transportmittel für diese Ideologie fungieren, also mit einer Art ideologischem „Code“ aufgeladen werden. (…) Beide Demonstranten bewegen sich zudem zumindest im Dunstkreis der identitären Bewegung. Einem der beiden wurde zudem die Problematik der verwendeten Textzeile vorab von der Behörde und der Polizei erläutert. (tips.at, 20.12.22)
Wiener Neustadt: Wegen Berauschung keine Wiederbetätigung
Anders als in Linz endete der Prozess gegen einen 27-jährigen Niederösterreicher, der nach reichlichem Alkoholkonsum im Juli 2022
zuerst eine brennende Zigarette auf eine Frau, die in einem Schanigarten saß, geworfen haben und dann, nach einer Diskussion mit Polizeibeamten, dreimal mit erhobener rechter Hand laut „Sieg Heil“ in der Kesslergasse gerufen haben [soll]. Daran und an seine Gespräche mit immerhin fünf Polizisten könne er sich „überhaupt nicht mehr erinnern“. (NÖN, 28.12.22, S. 23)
Verurteilt wurde er nicht wegen Wiederbetätigung – dafür gab’s nicht einmal eine Anklage –, sondern zu sechs Monaten bedingt „wegen Begehung einer Straftat im Zustand vollständiger Berauschung“.