Wochenschau KW 19/20

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Wie der Tiro­ler Blog­ger Mar­kus Wil­helm dem Bür­ger­meis­ter von Telfs ein­ge­heizt hat, ist lesens­wert. Das Resul­tat: In Telfs wer­den gleich zwei Stra­ßen­na­men geän­dert, die bis­her nach Nazis benannt sind. Rich­tig­ge­hend im Rekord­tem­po ist der stei­ri­sche Ex-Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Ger­hard Hirsch­mann von sei­nem Rück­tritt am 24. März, wo er aus allen poli­ti­schen Funk­tio­nen aus­ge­schie­den war, nun wie­der zurückgetreten.

Villach/Klagenfurt: zwei Jah­re Haft wegen Wie­der­be­tä­ti­gung und schwe­rer Körperverletzung
Wien: Anzei­gen gegen Domi­nik Nepp
Hei­li­gen­kreu­z/­W­aa­sen-Bezirk Leibnitz/Steiermark: rekord­ver­däch­ti­ger Rück­tritt vom Rücktritt
Tirol: Haken­kreuz in Söl­den und Stra­ßen­um­be­nen­nung in Telfs
75 Jah­re Befrei­ung vom Natio­nal­so­zia­lis­mus: vir­tu­el­le Gedenk­fei­ern des MKÖ

Villach/Klagenfurt: zwei Jah­re Haft wegen Wie­der­be­tä­ti­gung und schwe­rer Körperverletzung

Der 25-jäh­ri­ge Kärnt­ner stand bereits im März vor Gericht, damals muss­te der Pro­zess ver­tagt wer­den, um wei­te­re Zeu­gen zu laden. Die Ankla­ge­punk­te: Er habe in einem Lokal ran­da­liert, „Sieg Heil“ rufend angeb­lich den Hit­ler­gruß getä­tigt und den Wirt mit einem Mes­ser bedroht. Weni­ge Mona­te spä­ter soll er sei­nen Hund auf einen Nach­barn gehetzt haben, der schwe­re Biss­ver­let­zun­gen davon­ge­tra­gen hatte.

Das nicht rechts­kräf­ti­ge Urteil fiel mit zwei Jah­ren unbe­dingt und einer Ein­wei­sung in eine Anstalt für ent­wöh­nungs­be­dürf­ti­ge Rechts­bre­cher kräf­tig aus. „Erschwe­rend sei­en die Vor­stra­fen wegen Sach­be­schä­di­gung, Waf­fen­be­sit­zes und Wei­ter­ga­be von Sucht­mit­teln sowie der rasche Rück­fall.“ (kaernten.orf.at, 5.5.20)

Wien: Anzei­gen gegen Domi­nik Nepp

Gleich eine Rei­he von Anzei­gen wegen des Ver­dachts auf Ver­het­zung und Rück­tritts­auf­for­de­run­gen setz­te es gegen den Wie­ner FPÖ-Chef Domi­nik Nepp nach des­sen völ­lig aus der Luft gegrif­fe­nen Behaup­tung, Coro­na-Neu­in­fek­tio­nen sei­en in Wien vor allem auf Asyl­wer­be­rIn­nen zurück­zu­füh­ren. Nepp hat­te dies auch noch so for­mu­liert, dass sei­ne Pro­vo­ka­ti­on auf­ging: Es gab kein Medi­um, das Nepps Sager nicht in die wei­te öster­rei­chi­sche Welt hin­aus­ge­tra­gen hät­te. Fol­ge­rich­tig setz­te Nepp nach, er neh­me die Anzei­gen „gelas­sen“ hin.

Das wird nur ein Vor­ge­schmack auf den kom­men­den Wien-Wahl­kampf wer­den: Die FPÖ, der droht, von den 30% aus 2015 in die Ein­stel­lig­keit abzu­rut­schen, wird ver­su­chen, sich man­gels ande­rer The­men mit wei­te­ren ras­sis­ti­schen Sagern irgend­wie in die Öffent­lich­keit zu spü­len. Wir kön­nen uns also auf etwas gefasst machen.

Hei­li­gen­kreu­z/­W­aa­sen-Bezirk Leibnitz/Steiermark: rekord­ver­däch­ti­ger Rück­tritt vom Rücktritt

Lan­ge ist es nicht her, dass der eins­ti­ge FPÖ-Mul­ti­funk­tio­när von allen sei­nen poli­ti­schen Funk­tio­nen zurück­ge­tre­ten wur­de. Nach der Teil­nah­me bei einer Coro­na-Par­ty im Ten­nis-Klub­haus sei­nes Hei­mat­or­tes Hei­li­gen­kreuz am Waa­sen gab der dama­li­ge Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Ger­hard Hirsch­mann tief zer­knirscht bekannt: „Ich habe mit mei­nem Ver­hal­ten vie­le Per­so­nen ent­täuscht. Eine seriö­se Fort­füh­rung mei­ner poli­ti­schen Tätig­keit im Sin­ne der FPÖ ist mir nicht mehr mög­lich. Ich habe mich des­halb dazu ent­schlos­sen, mein Man­dat und sämt­li­che Funk­tio­nen in der Frei­heit­li­chen Par­tei zurück­zu­le­gen.“ (krone.at, 24.3.20) Gro­ßes Lob erhielt er dafür von sei­ner Lan­des­par­tei: „FPÖ-Lan­des­par­tei­se­kre­tär Ste­fan Her­mann zollt Hirsch­mann für die ‚geleb­te Ver­ant­wor­tung im Sin­ne der FPÖ‘ Respekt: ‚Ger­hard Hirsch­mann hat Grö­ße bewie­sen, einen Feh­ler ein­ge­stan­den und die not­wen­di­gen Kon­se­quen­zen gezo­gen.“ (steiermark.orf.at, 24.3.20)

Wie FPÖ Fails ges­tern ent­deck­te, hat Hirsch­mann offen­bar einen Umkehr­schwung ein­ge­legt und kan­di­diert nun wie­der an der Spit­ze der loka­len FPÖ für die kom­men­de Gemein­de­rats­wahl, die wegen der Coro­na-Kri­se ver­scho­ben wer­den musste.

Damit aller­dings nicht genug: Wie unse­re Recher­chen erga­ben, ist Hirsch­mann schon wie­der (oder gar noch?) FPÖ-Bezirks­par­tei­ob­mann im Bezirk Leib­nitz. Zumin­dest scheint er auf der Bezirks­par­tei­web­site in die­ser Funk­ti­on auf.

Bezirksparteileitung Leibnitz mit Gerhard Hirschmann (Screenshot 10.5.20 Website FPÖ Leibnitz)

Bezirks­par­tei­lei­tung Leib­nitz mit Ger­hard Hirsch­mann (Screen­shot 10.5.20 Web­site FPÖ Leibnitz)

Mit nur knapp sie­ben Wochen zwi­schen Rück­tritt und Rück­tritt vom Rück­tritt dürf­te Hirsch­mann damit selbst inner­halb der FPÖ einen Rekord auf­ge­stellt haben. Vor­bei ist’s also mit der geleb­ten Verantwortung!

Tirol: Haken­kreuz in Söl­den und Stra­ßen­um­be­nen­nung in Telfs

Zwei Geschich­ten des Blog­gers Mar­kus Wil­helm aus Tirol: die eine aus Söl­den, wo ein schlecht über­tünch­tes Haken­kreuz bis heu­te im Ort zu sehen ist. „Es stammt wohl aus der soge­nann­ten ‚ille­ga­len Zeit‘, den mitt­le­ren 30er Jah­ren, als die NSDAP in Öster­reich noch ver­bo­ten war, aber es schim­mert immer noch durch, heu­te noch. Ver­mut­lich mit einer guten wei­ßen Far­be gemalt von den Söl­der Haken­kreuz­lern und mit einer schlech­ten roten über­tüncht von den ein­hei­mi­schen Heim­wehr­lern, mög­li­cher­wei­se bei­des mehr­fach, das eine wie das ande­re. Viel­leicht stammt die letz­te Über­ma­lung aber auch erst vom Mai 1945? Tat­sa­che ist, dass das Haken­kreuz aus jener grau­en­vol­len Zeit – je nach den Licht­ver­hält­nis­sen: ein­mal bes­ser, ein­mal schlech­ter – heu­te noch sicht­bar ist.
Qua­si mit­ten in Sölden.
75 Jah­re nach der Befrei­ung vom Nazi-Ter­ror und dem Ende des 2. Welt­krie­ges.“
(dietiwag.org, 6.5.20)

Die zwei­te Sto­ry stammt aus Telfs, wo nun zwei Stra­ßen, die den Namen ehe­ma­li­ge Nazis tra­gen, umbe­nannt wer­den. „Man habe über die bei­den Namens­ge­ber für die Stra­ßen recher­chiert. Es hät­ten auch immer Per­so­nen nach­ge­fragt, ob man die Stra­ßen umbe­nen­nen soll­te, so Bür­ger­meis­ter Här­ting. Unter ande­rem kam der Druck auch vom Ötz­ta­ler Publi­zis­ten Mar­kus Wil­helm.“ (tirol.orf.at, 7.5.20)

Der Druck von Mar­kus Wil­helm war hef­ti­ger, als es der Telfs­er Bür­ger­meis­ter dar­stel­len will, wie ein Mail von Wil­helm zeigt. „Sehr geehr­ter Herr Bür­ger­meis­te, ich wäh­le die­ses Mal einen ande­ren Weg als sonst, wo ich die zustän­di­ge Poli­tik stets ohne Vor­war­nung öffent­lich mit Fak­ten und Doku­men­ten kon­fron­tie­re und so zum Han­deln zwin­ge. Im Fal­le der nicht ver­han­del­ba­ren Umbe­nen­nung der Franz-Stock­may­er-Stra­ße möch­te ich Ihnen eine kur­ze Vor­lauf­zeit geben, um aus eige­nem das zu tun, was jetzt zu tun ist. Falls Sie mir bis Ende die­ser Woche ver­bind­lich zusa­gen, dass Sie der erwähn­ten Stra­ße einen ande­ren Namen geben wer­den, ver­zich­te ich auf die von mir vor­be­rei­te­ten und kurz­fris­tig rea­li­sier­ba­ren Ver­öf­fent­li­chun­gen in die­ser Sache. Sie kön­nen sich frei ent­schei­den. Es liegt an Ihnen.
Ich ver­spre­che Ihnen: Sie wer­den es nicht durch­ste­hen, falls Sie sich dem ver­weh­ren.“ (dietiwag.org, 9.5.20)

Wil­helms Mail blieb nicht ohne Fol­gen: Eine nach dem NS-Bür­ger­meis­ter Franz Stock­may­er benann­te Stra­ße soll nach dem 2012 ver­stor­be­nen Künst­ler Wal­ter Pich­ler benannt wer­den. „Auch der Nor­bert-Wall­ner-Weg wird umbe­nannt und künf­tig nach der Mit­be­grün­de­rin der Tel­fer Volks­schau­spie­le Ruth Dre­xel benannt wer­den. Nor­bert Wall­ner war Haupt­schul­leh­rer und Volks­lied­schrei­ber. Er schrieb Hym­nen auf Adolf Hit­ler und das deut­sche Volk.“ (tirol.orf.at, 7.5.20)

75 Jah­re Befrei­ung vom Natio­nal­so­zia­lis­mus: vir­tu­el­le Gedenk­fei­ern des MKÖ

Wäh­rend sich Verschwörungsanhänger*innen im Ver­bund mit Rechts­extre­men auf die öster­rei­chi­schen Stra­ßen bege­ben, um gegen den „Coro­na-Wahn­sinn“ (© FPÖ) zu pro­tes­tie­ren, haben die zwei vom Maut­hau­sen Komi­tee Öster­reich (MKÖ) orga­ni­sier­ten zen­tra­len Ver­an­stal­tun­gen zum 75. Jah­res­tag der Befrei­ung vom NS-Ter­ror­re­gime vir­tu­ell statt­ge­fun­den. Am 8. Mai ging das seit 2013 jähr­lich aus­ge­tra­ge­ne „Fest der Freu­de“ über die Com­pu­ter- und TV-Bildschirme.

Am 10. Mai wur­de die inter­na­tio­na­le Befrei­ungs­fei­er unter dem Mot­to „Mensch­lich­keit ohne Gren­zen“ gestreamt.