Wochenschau KW 26/19

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Iden­ti­tä­re, die mit ver­schach­tel­ten Ver­eins- und Fir­men­kon­struk­tio­nen anony­me Inves­to­ren zum Ankauf von Immo­bi­li­en, dar­un­ter eine in Linz, locken wol­len, brach­te die ober­ös­ter­rei­chi­sche Poli­tik etwas in Auf­ruhr. Kei­ne Reso­nanz gab’s auf eine Ban­de von min­des­tens 26 Mit­glie­dern aus dem Raum Wels/Land, denen neben Wie­der­be­tä­ti­gung noch eine Rei­he von wei­te­ren Delik­ten vor­ge­wor­fen wer­den. Ansons­ten: NS-Tat­toos und ‑Devo­tio­na­li­en in Baden, die kei­ne Gut­hei­ßung des NS bedeu­ten sol­len, besof­fe­ner Hit­ler­gruß in Amstet­ten und wie­der ein­mal eine Kla­ge durch Heinz-Chris­ti­an Stra­che. Dies­mal hat’s einen Tiro­ler getroffen.

Baden/NÖ: NS-Tat­toos, Devo­tio­na­li­en und Waffen
Amstetten/NÖ: Hit­ler­gruß im Suff
Bad Ischl/­Wels-Land: „Dum­me Buben“ mit hef­ti­gen Delikten
Wien/Kenia: Ras­sis­ti­sche Aus­fäl­le auf einer Strabag-Baustelle
Inns­bruck: Schuld­spruch nach Strache-Klage
Nie­der­ös­ter­reich: Udo Land­bau­ers Come­back auf allen Ebenen
Deutschland/Österreich: Iden­ti­tä­re sam­meln für den Erwerb von Immobilien

Baden/NÖ: NS-Tat­toos, Devo­tio­na­li­en und Waffen

Mer­ke: Wenn Du Dir schon NS-Tat­toos ste­chen lässt, dann zeig’ sie nicht, zumin­dest nicht öffent­lich! Ein 52-jäh­ri­ger Bade­ner hielt sich nicht dar­an und ließ bei einer Fahrt durch Baden sei­nen Arm so aus dem Auto­fens­ter bau­meln, dass auch die Poli­zei auf­merk­sam wur­de. Das war dann aber nicht alles: Bei einer Haus­durch­su­chung wurden

sie­ben Daten­trä­ger, 24 NS-Devo­tio­na­li­en (Bil­der von Adolf Hit­ler, Orden, Sie­gel­rin­ge, Anhän­ger, Bro­schen) und zwei Waf­fen (Kara­bi­ner­ge­wehr von 1941 mit Reichs­ad­ler und Haken­kreuz, Dolch) sicher­ge­stellt. Eben­so wer­den Aus­dru­cke mit Hit­lers anti­se­mi­ti­schen Zita­ten und Zei­tun­gen zu der Tat­hand­lung von Anders Beh­ring Brei­vik (er beging am 22. Juli 2011 die Anschlä­ge in Oslo und auf der Insel Utøya, bei denen 77 Men­schen ums Leben kamen) vor­ge­fun­den. (noen.at, 25.6.19)

Dass der Ver­däch­ti­ge den­noch angab, „er habe kei­nen Bezug zur rech­ten Sze­ne und wür­de den Natio­nal­so­zia­lis­mus nicht gut­hei­ßen“, klingt ange­sichts der Fun­de und Tat­toos doch etwas skurril.

Amstetten/NÖ: Hit­ler­gruß im Suff

Er gab sich bei einer Sonn­wend­fei­er als Poli­zist aus und woll­te von den Anwe­sen­den die Aus­wei­se sehen, bepö­bel­te zwei tsche­tsche­ni­sche Bür­ger und hob dann auch noch die Hand zum Hit­ler­gruß. „Wegen Amts­an­ma­ßung wird der 29-Jäh­ri­ge, er ver­büßt gera­de eine unbe­dingt ver­häng­te Frei­heits­stra­fe im Fuß­fes­sel­voll­zug, schul­dig gespro­chen und zu zwei Mona­ten gesieb­ter Luft ver­ur­teilt.“ (noen.at, 26.6.19) War­um hier die Wie­der­be­tä­ti­gung fehlt, ist uns nicht bekannt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Bad Ischl/­Wels-Land: „Dum­me Buben“ mit hef­ti­gen Delikten

Was da eine Ban­de von min­des­tens 26 Ver­däch­ti­gen an Delik­ten ange­sam­melt hat, ist auch nicht all­täg­lich: Ein­bruch, Sach­be­schä­di­gung, Dro­gen­han­del und ‑miss­brauch, Wie­der­be­tä­ti­gung, Besitz von kin­der­por­no­gra­fi­schem Mate­ri­al und schwe­rer Betrug.

Wäh­rend sich der 23-Jäh­ri­ge zu den Vor­wür­fen nur teil­ge­stän­dig zeig­te, leg­ten die bei­den 17-Jäh­ri­gen ein Geständ­nis ab. Am Mobil­te­le­fon eines der bei­den 17-Jäh­ri­gen konn­ten neben unzäh­li­gen sucht­gift­re­le­van­ten Datei­en auch diver­ses Bild- und Video­ma­te­ri­al mit kin­der­por­no­gra­phi­schen und ver­fas­sungs­wid­ri­gen Inhal­ten vor­ge­fun­den wer­den, die die­ser mit sie­ben wei­te­ren aus­ge­forsch­ten Mit­tä­tern geteilt haben soll.

26 wei­te­re Verdächtige

Ins­ge­samt wer­den wei­te­re drei­zehn Per­so­nen wegen diver­ser Ver­ge­hen nach dem Sucht­mit­tel­ge­setz, vier Per­so­nen wegen des Besit­zes kin­der­por­no­gra­phi­schen Mate­ri­als, sie­ben Per­so­nen wegen des Ver­brei­tens ver­fas­sungs­wid­ri­ger NS-Sym­bo­le und Abbil­dun­gen sowie zwei Per­so­nen wegen des Ver­dachts des ver­such­ten schwe­ren Betrugs an die jeweils zustän­di­gen Staats­an­walt­schaf­ten — alle­samt auf frei­em Fuß — ange­zeigt. (krone.at, 27.6.19)

Die Kro­nen Zei­tung kom­men­tiert das so: „Die Dro­gen­de­lik­te dürf­ten das kleins­te Pro­blem einer Ban­de aus — man kann´s nicht anders sagen — dum­men Buben in Bad Ischl sein.“ Doch, man kann es anders sagen und sich die­se Bemer­kung ange­sichts der teil­wei­se schwer­wie­gen­den Vor­wür­fe ein­fach schenken.

Wien/Kenia: Ras­sis­ti­sche Aus­fäl­le auf einer Strabag-Baustelle

„Öster­reich“ berich­tet von einem Mit­ar­bei­ter des Stra­bag-Kon­zern, der auf einer Bau­stel­le in Kenia bereits mehr­fach durch ras­sis­ti­sche Aus­fäl­le und nun­mehr auch durch Schlä­ge auf­ge­fal­len sein soll.

Die Vor­wür­fe gegen einen Stra­bag-Bau­lei­ter wie­gen schwer: Jür­gen H. (47) soll wäh­rend des Mul­ti­mil­lio­nen-Damm­pro­jekts in Mwea in Kenia Mit­ar­bei­ter geschla­gen und ras­sis­tisch beschimpft haben (‚Idio­ten‘, ‚Busch­män­ner‘). Die sechs betrof­fe­nen Arbei­ter nah­men die Hass­ti­ra­den auf, um Bewei­se gegen den 47-Jäh­ri­gen zu sam­meln, der zuvor immer davon­ge­kom­men sein soll. Nach sei­ner Ein­ver­nah­me ver­ließ H. trotz lau­fen­der Ermitt­lun­gen das Land. Jetzt zie­hen dunk­le Wol­ken über den Bau­kon­zern auf. Denn die kenia­ni­sche Poli­zei macht die Stra­bag für das Abtau­chen (mit-)verantwortlich. (…) Jür­gen H. fällt nicht zum ers­ten Mal nega­tiv im Zusam­men­hang mit sei­ner beruf­li­chen Tätig­keit in Afri­ka auf. Wäh­rend eines Stra­ßen­bau-Pro­jekts in Mala­wi soll Jür­gen H. im März 2017 gegen­über eines Lkw-Fah­rers aus­fäl­lig gewor­den sein. Er soll ihn einen „Affen“ genannt haben, weil die­ser Auto­rei­fen eines Fir­men­wa­gens beschä­dig­te. H. muss­te dar­auf­hin das Land ver­las­sen.“ (oe24.at, 25.6.19)

Inns­bruck: Schuld­spruch nach Strache-Klage

Es wäre span­nend, Ein­sicht zu haben, wie oft die FPÖ Per­so­nen klagt. Wenig dürf­te es nicht sein. Dies­mal stand ein Tiro­ler vor Gericht.

Der Beklag­te soll Stra­che via Twit­ter mas­siv belei­digt und beschimpft haben. Er wur­de zu 160 Euro Geld­stra­fe, wovon 120 Euro bedingt nach­ge­se­hen wer­den, ver­ur­teilt. Das Urteil war vor­erst noch nicht rechts­kräf­tig. Der Tiro­ler muss zudem eine Ent­schä­di­gungs­zah­lung in Höhe von 400 Euro an den ehe­ma­li­gen Vize­kanz­ler leis­ten und das Urteil auf sei­nem Twit­ter-Account ver­öf­fent­li­chen. Stra­che hat­te Pri­vat­an­kla­ge gegen den Mann wegen Ehren­be­lei­di­gung erho­ben. Der Beklag­te hat­te sei­ne Äuße­run­gen Anfang Mai – also noch vor Stra­ches Rück­tritt als Vize­kanz­ler – als Ant­wort auf einen Tweet des Poli­ti­kers gepos­tet. (tt.com, 28.6.19)

Nie­der­ös­ter­reich: Udo Land­bau­ers Come­back auf allen Ebenen

Nach dem Lie­der­buch-Skan­dal rund um die Ger­ma­nia Wie­ner Neu­stadt und Udo Land­bau­er, kehrt in die FPÖ wie­der die gewohn­te Nor­ma­li­tät ein. Land­bau­er ist nun als Nach­fol­ger von dem in die Volks­an­walt­schaft gewan­der­ten Wal­ter Rosen­kranz zum Par­tei­ob­mann der FPÖ Nie­der­ös­ter­reich bestellt worden.

Land­bau­er hat­te am 1. Febru­ar 2018 – vier Tage nach der Land­tags­wahl – im Zusam­men­hang mit der Lie­der­buch-Affä­re bei der Bur­schen­schaft Ger­ma­nia alle poli­ti­schen Funk­tio­nen zurück­ge­legt. Nach­dem die Ermitt­lun­gen der Staats­an­walt­schaft Wie­ner Neu­stadt wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung gegen vier Per­so­nen, die für die Zusam­men­stel­lung und Illus­tra­ti­on der sicher­ge­stell­ten Lie­der­bü­cher der Wie­ner Neu­städ­ter Bur­schen­schaft ver­ant­wort­lich zeich­ne­ten, im August des Vor­jah­res ein­ge­stellt wor­den waren, kehr­te Land­bau­er in die Poli­tik zurück. (noe.orf.at, 28.6.19)

Wir erin­nern dar­an, dass die Ein­stel­lung des Ver­fah­rens wegen Ver­jäh­rung erfolg­te. Land­bau­er ist nun Gemein­de­rat von Wie­ner Neu­stadt, Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter, geschäfts­füh­ren­der Klub­ob­mann im Land­tag und nie­der­ös­ter­rei­chi­scher Par­tei­ob­mann. Das nennt man blaue Rehabilitierung!

Germania Wiener Neustadt zur Einstellung der Ermittlungen in der Liederbuch-Causa

Ger­ma­nia Wie­ner Neu­stadt zur Ein­stel­lung der Ermitt­lun­gen in der Liederbuch-Causa

Deutschland/Österreich: Iden­ti­tä­re sam­meln für den Erwerb von Immobilien

Was die Ein­trei­bung von Spen­den betrifft, waren die Iden­ti­tä­ren in den ver­gan­gen Jah­ren durch­aus erfolg­reich, wie aus den diver­sen Akten, die seit März hin­aus­ge­spielt wur­den, zu ent­neh­men ist. Eine Viel­zahl an Kon­ten wur­den gesperrt, Miet­ver­trä­ge wie jener in Linz gekün­digt, und die Spen­der, deren Namen auf den gelenk­ten Lis­ten auf­schei­nen – ins­be­son­de­re jene aus der FPÖ –, dürf­ten ihre Zah­lun­gen zumin­dest teil­wei­se ein­ge­stellt haben. Die finan­zi­el­le Situa­ti­on von Sell­ner & Co könn­te also pre­kär sein.

Wie der Twit­ter-Account @neuerechtewatch auf­deck­te, wur­de nun von Deutsch­land aus­ge­hend eine Akti­on gestar­tet, mit dem Ziel Immo­bi­li­en in Deutsch­land und Öster­reich anzu­kau­fen. Damit sich etwa­ige Spen­de­rIn­nen anonym betei­li­gen kön­nen, erar­bei­te­ten die Iden­ti­tä­ren ein Inves­ti­ti­ons­kon­zept, das über Ver­eins- und Fir­men­ge­flech­te anony­me Geld­ga­ben mit hohen Ren­di­ten anre­gen soll.

Identitäres Investionskonzept (@neuerechtewatch)

Iden­ti­tä­res Inves­ti­ons­kon­zept (@neuerechtewatch)

In der Poli­tik hat der gest­ri­ge OÖNach­rich­ten-Bericht über das geplan­te Zen­trum der rechts­extre­men Iden­ti­tä­ren in Linz hohe Wel­len geschla­gen. Lan­des­haupt­mann Tho­mas Stel­zer (VP) hat für Mon­tag den Lan­des­si­cher­heits­rat ein­be­ru­fen und kün­digt an: „Wir wer­den alle recht­li­chen Mög­lich­kei­ten prü­fen, um die Plä­ne der Iden­ti­tä­ren zu ver­hin­dern. Gleich­zei­tig rufe ich alle Ober­ös­ter­rei­cher auf, der Iden­ti­tä­ren-Bewe­gung kei­ner­lei Immo­bi­li­en zur Ver­fü­gung zu stel­len. Wir brau­chen jetzt einen ober­ös­ter­reich­wei­ten Schul­ter­schluss.“ (nachrichten.at, 29.6.19)

Dem von Stel­zer ein­ge­for­der­ten „Schul­ter­schluss“ erteil­te die ober­ös­ter­rei­chi­sche FPÖ umge­hend eine dezent for­mu­lier­te Absage:

„Der poli­ti­sche Dis­kurs fin­de in den Par­la­men­ten statt, nicht auf der Stra­ße oder in Aktio­nis­mus”, sagt Lan­des­haupt­mann-Stv. Man­fred Haim­buch­ner (FP). Eben­so gel­te es aber, das Recht auf Ver­samm­lungs­frei­heit zu schüt­zen. „Letzt­lich müs­sen wir jun­ge Men­schen für die Demo­kra­tie begeis­tern und sie nicht aus dem Ver­fas­sungs­bo­gen hin­aus­drän­gen. Der Rechts­staat ist die Leit­li­nie.” Daher ste­he er hin­ter der Ent­schei­dung, den Lan­des­si­cher­heits­rat ein­zu­be­ru­fen, so Haim­buch­ner: „Ich wer­de mir die Ergeb­nis­se genau anse­hen.“ (nachrichten.at)

Inwie­fern das Recht auf Ver­samm­lungs­frei­heit mit dem geplan­ten Ankauf einer Immo­bi­lie durch die Iden­ti­tä­ren im Zusam­men­hang steht, scheint Haim­buch­ner nicht erklärt zu haben.

Immobilienkauf Linz (@neuerechtewatch)

Immo­bi­li­en­kauf Linz (@neuerechtewatch)

Um das Inves­ti­ti­ons­pro­jekt anzu­kur­beln, ließ Mar­tin Sell­ner jene Pfef­fer­spray-Pis­to­le im Inter­net ver­stei­gern, mit der er 2017 in Wien her­um­ge­schos­sen hatte.