Wir haben 2011 ausführlich über den „Breivik von Traun“ berichtet, der am selben Tag wie Anders Behring Breivik in Norwegen, aber völlig unabhängig von ihm, einen Massenmord plante, jedoch an der Ausführung nach dem Mord an seinem rumänischen Nachbarn scheiterte. Die „OÖN“ schrieben damals:
Der Amokschütze hatte für die Tat auch bereits selbst beschriebene Schilder vorbereitet, die er den Leichen auf den Körper legen wollte. Diese trugen die Aufschrift: ‚Ich kann nicht mehr Autos stehlen oder einbrechen’. Es war für uns einfach unfassbar”, sagen Ermittler. „Unsere Recherchen haben ergeben, dass der Mann weit mehr Menschen töten wollte, als er dann tatsächlich geschafft hat”, sagen die Fahnder des Landeskriminalamtes. „Glücklicherweise war er aber mit seiner doch eher ineffizienten Bewaffnung nicht in der Lage, dies umzusetzen. (OÖN, 28.10.11)
Was den bizarren Fall des „Breivik von Traun“ mit der rechtsextremen Prepper-Gruppe „Nordkreuz“ in Mecklenburg-Vorpommern verbindet, sind nicht bloß die kranken Mord- und Bestattungsphantasien, sondern auch die lahmarschigen Ermittlungen und die Verharmlosungsversuche. Die Mordattacke Neumüllers war zunächst als Nachbarschaftsstreit abgehandelt worden. Erst sein Suizid löste einem Ermittler kurzfristig die Zunge. Eine öffentliche Aufarbeitung des Falles durch den Verfassungsschutz fand aber auch danach nicht statt.
Seit dem Sommer 2017 wissen deutsche – und auch österreichische – Ermittlungsbehörden um die Brisanz der bei dem terrorverdächtigen Oberleutnant Franco A. gefundenen Kontaktdaten, die dessen Beziehungen zu der Prepper-Gruppe „Nordkreuz“ offenlegten.
Nur zur Erinnerung: Franco A. ist jener Oberleutnant der Bundeswehr, der am Flughafen in Wien-Schwechat festgenommen wurde, als er am Tag des Burschi-Balls vulgo „Akademikerball der FPÖ“ 2017 seine am Flughafen-Häusl versteckte Pistole abholen wollte. Schon bei Franco A. sind Listen aufgetaucht, die mögliche Ziele für Anschläge und Angriffe gegen linke und antifaschistische Personen und Organisationen enthalten haben sollen.
In den ersten fundierten Berichten über die rechtsextreme „Nordkreuz“-Gruppe wurden „seitenweise Namenslisten“, „mehr als 5.000 Namen (…) öffentliche Funktionsträger, Journalisten, und etwa hundert Politiker“ (Ostsee-Zeitung,15.9.17) erwähnt:
„Doch anders als im Fall Franco A.sind es keine eindeutig zu identifizierenden Todeslisten. Alle Quellen sind offen zugänglich. Kein Galgen, kein Datum, keine verräterische Randnotiz ziert die Namen.“ (Ostsee-Zeitung,15.9.17)
Mittlerweile aber, nach zwei Jahren Ermittlungen, scheint klar, dass die rechtsextremen Prepper aus Mecklenburg-Vorpommern nicht nur irgendwelche unbestimmbaren Listen führten, sondern auch solche, die direkte Todesdrohungen enthielten. Von 29 Betroffenen ist da die Rede, für die schon im Herbst das Bundeskriminalamt (BKA) die Empfehlung ausgesprochen hatte, sie entsprechend zu „sensibiliseren“. Diese „Sensibilisierung“ ist im Fall „Nordkreuz“ offensichtlich erst nach Recherchen von Medien zwei Jahre nach Entdeckung der rechtsextremen Gruppe erfolgt. Zwei Jahre lang gab es keine Information für die Betroffenen!
Ob das ebenfalls für den vor kurzem ermordeten CDU-Politiker Walter Lübcke gegolten hat? Dessen Name ist auch auf einer Liste des NSU gestanden, die 2011 bei den Nazi-Terroristen gefunden wurde, „10.000 Namen von Personen und Objekten“ (spiegel.de, 21.6.19) enthielt, aber schon 2005 angelegt worden sein soll. Die Funktion dieser Liste blieb bis heute weitgehend ungeklärt, obwohl immer wieder Vermutungen auftauchten, dass weitere rechtsextreme Morde auf das Konto des NSU gingen.
Im Fall der NSU-Listen wurde 2011 versprochen, die Personen auf der Liste zu kontaktieren. Ob es auch geschehen ist? Die österreichischen Personen, deren Namen auf einer deutschen Drohliste Anfang 2019 aufgetaucht sind, wurden jedenfalls nicht von den (österreichischen) Behörden informiert. Das haben wir erfahren, als wir die Betroffenen kontaktierten.