Feldkirch/Vbg: Selbsttherapie auf einer Weltreise
Feldkirch/Vbg: Wieder ein Midgård-Besteller vor Gericht
St. Johann-Innsbruck: Keine „Amour”, aber deftige Geldstrafe
Wagna-Graz: Kein Sackerl für NS-Gackerl
Pinsdorf-Wels: Ehemaliger „Objekt 21“-Aktivist erneut vor Gericht
Wien: Nach dem Prozess ist vor dem Prozess
Feldkirch/Vbg: Selbsttherapie auf einer Weltreise
Ein geständiger 51-Jähriger wurde vor dem Landesgericht Feldkirch wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung und Verstoßes gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen. Der angeklagte Tatzeitraum liegt lange zurück: Im Jahr 2015 hatte er bei einem Würstelstand in Hohenems unter anderem den Hitlergruß gezeigt und eine Hakenkreuzfahne präsentiert. Zudem besaß er illegal eine Panzergranate und eine Maschinengewehrpatrone.
Aufgrund seines Geständnisses, seiner Unbescholtenheit und der Tatsache, dass die Taten neun Jahre zurückliegen, wurde ihm eine Diversion gewährt. Er zahlte eine Geldbuße von 720 Euro und Verfahrenskosten von 80 Euro, wodurch das Verfahren eingestellt wurde und er einer Vorstrafe entging. Der Angeklagte, ein ehemaliger Soldat mit Einsätzen in Kosovo und am Golan, erklärte, er sei nicht mehr politisch rechts und habe sich während einer Weltreise selbst therapiert.
Warum die Verhandlung erst jetzt über die Bühne ging, geht aus den Medienberichten nicht hervor. (Quellen: vol.at, 9.12.24 und krone.at, 9.12.24)
Feldkirch/Vbg: Wieder ein Midgård-Besteller vor Gericht
Es ist in Vorarlberg nun zum zweiten Mal, dass ein durch ein Leak Anfang Dezember 2023 aufgeflogener Besteller des neonazistischen Midgård-Versands vor Gericht Platz nehmen musste. Während der ebenfalls aus dem Bezirk Dornbirn stammende Gesinnungskamerad bereits im August zu einer bedingten Haftstrafe von fünf Monaten und einer unbedingten Geldstrafe über 8.100 Euro verurteilt wurde, kam der am 12. Dezember Angeklagte einerseits billiger, andererseits etwas teurer davon. Und erneut stellt sich die Frage, wie jemand jahrelang ein Nazi-Tattoo im Gesicht tragen konnte, ohne dafür belangt zu werden.
Der 36-jährige Vorarlberger hatte zwischen 2020 und Juni 2024 NS-Symbole in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt, Videos und Bilder mit nationalsozialistischen Inhalten an Gleichgesinnte verschickt und Neonazi-Musik verbreitet. Besonders auffällig war ein „Ostmark“-Tattoo auf seinem Kinn. Der Mann gab an, sich von der braunen Szene gelöst zu haben. Er habe seine NS-Tattoos im November übertätowieren lassen und sei froh, in einem demokratischen Land zu leben.
Das Gericht berücksichtigte seine Unbescholtenheit und sein reumütiges Geständnis als mildernde Umstände, während die Anzahl der Verbrechen und der lange Tatzeitraum erschwerend wirkten. Er wurde in zwölf Fällen einstimmig verurteilt und erhielt eine bedingte Haftstrafe von 15 Monaten und eine Geldstrafe über 3.360 Euro, was insgesamt einer Strafe von 18 Monaten entspricht. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. (Quelle: Neue Vorarlberger Tageszeitung, 13.12.24, S.17)
St. Johann-Innsbruck: Keine „Amour”, aber deftige Geldstrafe
Ein 26-jähriger Mann wurde am 10. Dezember in Innsbruck zu einem Jahr bedingter Haft und einer beachtlich hohen Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt, nachdem er beim „Jaggas’n‑Marktfest“ in St. Johann in Tirol den Hitlergruß gezeigt und rassistische Parolen geäußert hatte. Bei dem Vorfall, der im Juli während einer Amtshandlung mit einem türkischen Staatsbürger stattfand, soll der Tiroler die rechtsextrem-rassistische Version von Gigi D‘Agostinos „L’amour toujours“ mit den Textzeilen „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“ dargeboten und mehrfach „Scheiß Türk“ gegrölt haben. „L’Amour toujours” erntete er dafür vor Gericht definitiv nicht.
Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe. Er habe dem beamtshandelten Türken nur den Arm entgegengestreckt und den Stinkefinger gezeigt. Den genauen Hergang schildern die drei als Zeugen geladenen Polizeibeamten unterschiedlich: Der Einsatzleiter hat „Scheiß Türk“ gehört und ein starres Heben des Armes gesehen, konnte jedoch nicht sagen, ob es ein Hitlergruß war. Ein zweiter Polizist hörte das „Scheiß Türk“ und das Absingen des abgewandelten D’Agostino-Lieds, sah den Hitlergruß aber nicht, und der dritte Polizist hat ebenfalls das Singen des Liedes wahrgenommen und den Hitlergruß gesehen, denn er stand direkt daneben. Eine Bekannte des Angeklagten stand bei dem Vorfall zwar nicht dabei, aber versicherte dennoch, dass der Angeklagte rein gar nichts getan hätte.
Die Staatsanwältin betonte, dass die ausländerfeindlichen Äußerungen im Zusammenhang mit der NS-Wiederbetätigung strafrechtlich relevant seien. Da mindestens 20 Personen die Geste gesehen hatten, wurde die Anklage nach § 3g, Absatz 2 des Verbotsgesetzes auf einen Strafrahmen von 12 Monaten bis zu zehn Jahre Haft erweitert.
Die Staatsanwältin dürfte überzeugend gewirkt haben: Die Geschworenen fällten einen einstimmigen Schuldspruch. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Bemerkenswert: In Wels kamen vor einem Monat drei Angeklagte, die für fast dieselben Delikte vor Gericht standen, sehr viel günstiger davon.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Wagna-Graz: Kein Sackerl für NS-Gackerl
Ein 37-jähriger Steirer wurde am 10.12. wegen Wiederbetätigung vor Gericht gestellt, nachdem in seinem Haus im südsteirischen Wagna NS-Devotionalien gefunden wurden. „‚Der Angeklagte hat vor der Polizei zunächst selbst angegeben, dass es bei ihm fast wie in einem kleinen Museum war‘, führt Staatsanwältin Julia Steiner am Grazer Straflandesgericht aus. ‚Dort hing eine Reichsflagge, rundherum waren NS-Devotionalien drapiert. Es gab auch ein Luftschiffmodell mit Hakenkreuz.‘“ (kleinezeitung.at, 11.12.24) Zudem hatte er WhatsApp-Nachrichten mit nationalsozialistischen Inhalten verschickt und entsprechende Bilder auf seinem Smartphone gespeichert.
Vor Gericht erklärte der Angeklagte, keine Sympathien für das NS-Regime zu hegen und sich der Tragweite seines Handelns nicht bewusst gewesen zu sein.
„Wie ist denn Ihre Einstellung zu Weltkrieg und zu Adolf Hitler?“, hakt der Richter beim Angeklagten nach. – „Keine positive.“ – „Warum verschicken Sie dann Bilder mit Hitler?“ – „Die Bilder gehen leicht in die schwarze Komödie hinein.“ – „Warum hatten Sie dann Devotionalien, wenn Sie das Regime nicht gut finden?“ – „Das hatte ich von Opa“ – „Alles?“ – „Fast. Denn mit dem Metalldetektor findet man halt auch bei der Arbeit solche Sachen …“
„Warum haben Sie die NS-Devotionalien ausgestellt und nicht etwa in einem Sackerl versteckt?“ – „Ich weiß, es schaut ein bissl blöd aus. Wahrscheinlich hab‘ ich kein Sackerl gehabt.“ (kleinezeitung.at)
Ein weiteres belastendes Element war ein Bild, das den Angeklagten mit einem Hitlergruß und Fingern, die ein Hitlerbärtchen symbolisieren könnten, zeigte. Er erklärte, es sei ein schlechter Scherz gewesen, inspiriert von einem Charlie-Chaplin-Graffiti. Das Gericht verurteilte den mehrfach vorbestraften Mann zu 18 Monaten Haft, von denen sechs Monate unbedingt zu verbüßen sind. Die Geschworenen entschieden in 33 gestellten Hauptfragen mit 7:1 Stimmen auf schuldig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Pinsdorf-Wels: Ehemaliger „Objekt 21“-Aktivist erneut vor Gericht
Kurz und wenig ergiebig fällt ein Bericht der „Kronen Zeitung“ (11.12.24, S. 30) zu einem doch bemerkenswerten Prozess, der am 10.12. am Landesgericht Wels abgeführt wurde, aus. Demnach stand ein Mitglied des zerschlagenen Neonazi-Netzwerks von „Objekt 21“ wieder einmal vor Gericht und erntete einen Freispruch. Worauf sich der begründet, wird leider nicht erwähnt. Dieser und weitere Prozesse gegen ehemalige „Objekt 21“-Mitglieder zeigen jedoch, dass zumindest einige aus der Neonazi-Truppe weiter aktiv sind. Dem Verhandlungskalender ist zu entnehmen, dass der Tatort Pinsdorf ist.
Freispruch für ehemaliges Mitglied von Neonazi-Verein Objekt 21
Siebenfach vorbestraft
Am Landesgericht Wels gab es einen Freispruch.Wegen Verstößen gegen das Waffengesetz und der nationalsozialistischen Wiederbetätigung musste sich ein 40-Jähriger am Dienstag am Landesgericht Wels verantworten. Er habe in seinem Kellerraum, den er für Treffen mit Freunden und Bekannten genutzt habe, NS-Propaganda zur Schau gestellt. Konkret ging es dabei um eine Weinflasche mit einem Hitler-Etikett und einen Reichsadler samt Hakenkreuz. Der siebenfach teils einschlägig Vorbestrafte, dem bis zu sechs Jahre Haft drohten, wurde am Dienstag von beiden Vorwürfen freigesprochen. Die Weinflasche mit Hitler-Konterfeit (sic!) wurde eingezogen, das Urteil ist rechtskräftig. (Kronen Zeitung, 11.12.24, S. 30)
Wien: Nach dem Prozess ist vor dem Prozess
Zunächst musste sich ein 58-jähriger Wiener am 13. Dezember verantworten, weil er im Juli einen Buschauffeur der Wiener Linien während der Fahrt nicht nur rassistisch beleidigt („Scheiß Ausländer“, der dorthin zurückgehen solle, woher er kommt), sondern auch noch versucht hatte, ihn körperlich zu attackieren.
„Ich war fassungslos. Ich bereue es, nicht eingegriffen zu haben. Ich war in Schockstarre”, schilderte eine 64 Jahre alte Frau, die damals im Bus saß, als Zeugin ihre Wahrnehmungen. Der Betroffene selbst hätte Ruhe bewahrt und sich aufs Lenken des Fahrzeugs konzentriert. „Jedes Wort war schiach”, sagte der Busfahrer in seiner Zeugenbefragung, „er hat mich sehr stark provoziert. Ich will den Grund wissen.” „Der steht im Strafantrag. Ausländerfeindlichkeit”, bemerkte daraufhin Richter Christian Gneist. Der Angeklagte behauptete, die Angaben der Zeugen wären gelogen bzw. er könne sich aufgrund seines vorangegangenen Alkoholkonsums an nichts erinnern. (puls24.at, 13.12.24)
Der Rassist erhielt neun Monate bedingter Haft und akzeptierte das somit rechtskräftige Urteil. Nun aber könnte dem Mann ein Geschworenenprozess nach dem Verbotsgesetz bevorstehen: Der Busfahrer gab an, dass der 58-Jährige am 26. November erneut in seinen Bus eingestiegen sei und abfällige Bemerkungen abgelassen habe, bevor er beim Aussteigen zweimal „Heil Hitler“ gerufen habe. Die Staatsanwaltschaft erweiterte daraufhin die Anklage in Richtung nationalsozialistischer Wiederbetätigung. Nun wird gegen den Mann erneut ermittelt, und ein weiterer Prozess könnte folgen.