Die „APA“ (13.11.24) und mit ihr viele die Meldung übernehmenden Medien titelten „Umgedichteter D’Agostino-Hit — Nur ein Angeklagter in Wels bestraft“, der „Kurier“ (14.11.24, S. 15) berichtete mit „Erstes Urteil zu Gigi D’Agostino“, und in dieser Tonart ging es – auch in internationalen Medien – weiter.
Vor einem Geschworenengericht in Wels standen am 13. November allerdings drei junge Angeklagte (16, 19, 24 Jahre), die beschuldigt wurden, in Bad Ischl am 3. Juli frühmorgens nach einer durchzechten Nacht Gigi D’Agostinos Lied „L’Amour toujours“ in der seit dem Vorfall in Sylt sehr bekannt gewordenen rechtsextremen Variante via Handy abgespielt („Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“), dabei den Hitlergruß getätigt und „Sieg Heil“ skandiert zu haben. Bemerkt und via Handy teilweise gefilmt hatten den Vorfall zwei Frauen.
Die Zeuginnen sagten, das Trio sei gehüpft, habe „Ausländer raus” gesungen und man hätte auch „Sieg Heil” gehört. Dazu seien Arme in die Höhe gestreckt worden und es „sah schon nach dem Hitlergruß” aus, meinte eine Zeugin. Auch deren Kollegin fand die Situation „erschreckend”. (APA)
Der älteste in Argentinien geborene Angeklagte bekannte sich schuldig, das Lied abgespielt zu haben, nicht erklären konnte er jedoch, warum er beim Vorfall offenbar frei erfunden behauptet hatte, sein Urgroßvater habe 150 Menschen umgebracht und seine Schwester sei von zwei Syrern vergewaltigt worden. Auch der 19-Jährige bekannte sich schuldig, während die 16-jährige junge Frau abstritt, bei dem Treiben mitgemacht zu haben.
Der 25-jährige Angeklagte wurde zu vier Monaten bedingter Haft verurteilt, während der 19-Jährige mit einer Diversion, einschließlich eines gedenkpädagogischen Rundgangs in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, davonkam. Die 16-jährige Angeklagte wurde freigesprochen.
War es nun also der öffentlich dargebotene Liedtext, der in Wels nach dem Verbotsgesetz verhandelt worden war oder eher die begleitenden wohl eindeutig nationalsozialistischen Gesten und Parolen? Nachdem es auch in Österreich bereits mehrfach zu öffentlich dokumentierten „Ausländer raus – Deutschland den Deutschen“-Gesängen gekommen war, nichts aber über Anklagen oder gar Verurteilungen bekannt ist, kann vermutet werden, dass diese Vorfälle strafrechtlich entweder gar nicht oder möglicherweise „nur“ wegen des Vorwurfs der Verhetzung geahndet wurden. War es nun also das erste Gerichtsurteil zum umgetexteten Gigi D’Agostino-Hit? Das darf als ausschlaggebender Grund für eine Anklage nach dem Verbotsgesetz stark bezweifelt werden.
Interessant ist allerdings die Einschätzung des Linzer Juristen und Strafrechtsexperten Johannes Dietrich, die der „Kurier“ (14.11.24, S. 15) zitiert.
Er hat im Journal für Strafrecht eine Abhandlung über die strafrechtliche Relevanz des Singens dieses umgetexteten Liedes („Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“) veröffentlicht. Er erläutert, dass „schon das bloße Singen dieser Losung – auch ohne Zeigen des Hitlergrußes – in Österreich nicht nur ein geschmackloses, moralisch verwerfliches, sondern auch ein strafbares Verhalten darstellt“. Zum einen erfülle es den Tatbestand der Verhetzung. Und Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes liege auch vor, wenn eine Äußerung an das „Propagandavokabular“ erinnere.
„Der erste Teil erinnert stark an NS-Jargon, der zweite entspricht dem Parteiprogramm der NSDAP. Daher reicht auch das Singen dieser Phrase aus, um den objektiven Tatbestand des § 3 Verbotsgesetz zu erfüllen“, erklärt Dietrich. „Österreich den Österreichern“ würde nicht unter das Verbotsgesetz fallen.
In der Praxis dürften die Staatsanwaltschaften Dietrichs Ansicht bislang allerdings noch nicht gefolgt sein. Gelegenheit dazu wäre etwa nach dem Vorfall in Mödling am 10. Februar, über den Anfang Juni berichtet wurde, dass ein Großteil der an dem rassistischen Gegröle Beteiligten ausgeforscht werden konnte. Zu Prozessen nach dem Verbotsgesetz ist es bis dato am Landesgericht Wiener Neustadt defintiv nicht gekommen.