Vor allem die FPÖ-Niederösterreich hat reiche Erfahrungen mit Intrigen, Abspaltungen, erzwungenen oder freiwilligen Rücktritten von einzelnen Funktionär*innen oder ganzen Ortsgruppen. In den seltensten Fällen aber werden Konflikte bei den Blauen politisch artikuliert und ausgetragen. Das ist auch beim Absägen des Schwechater Stadtparteiobmanns und FPÖ-Stadtrats Wolfgang Zistler nicht anders. Einen wichtigen Unterschied gibt es aber: Corona!
Grundsätzlich: Mit Wolfgang Zistlers politischen Ansichten verbindet uns nichts. Seine Hetze haben wir oft kritisiert. Innerhalb der FPÖ Niederösterreich zählte Zistler mit Sicherheit zum rechten Rand. Seine Demontage in der FPÖ Schwechat verdient dennoch eine besondere Würdigung.
Der Aufstieg nach dem Abstieg
Im Oktober 2018 wurde Zistler mit über 96 Prozent zum Schwechater Stadtparteiobmann der FPÖ gewählt. Sein Aufstieg erfolgte nach einem Abstieg. Im Frühjahr war er als Bezirksparteiobmann der FPÖ zurückgetreten, weil er bei der Zuteilung der Mandate für den Landtag keine Berücksichtigung gefunden hatte.
Als Stadtaparteichef hatte Zistler Andrea Kaiser abgelöst – wegen ihr war der gesamte Parteivorstand einen Monat zuvor aus Protest zurückgetreten. Zistler, der damals noch Klubobmann im Gemeinderat war, erklärte schmallippig, dass „mehrere Kritikpunkte“ an ihrer Führung vorgebracht worden seien, die zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt hätten. Man sieht, es geht turbulent zu bei der FPÖ in Schwechat. Nach einem desaströsen Wahlergebnis bei der Gemeinderatswahl 2020 (Absturz von neun auf drei Mandate) übernahm er dennoch den Stadtratsposten von Andrea Kaiser.
2021 trat Kaiser sie aus der FPÖ aus. Der Grund: das „zutiefst verantwortungslose und geistlose Verhalten der FPÖ in der Corona-Politik. (…) Ich möchte keiner Partei angehören, die eine derart mittelalterliche Einstellung vertritt und verantwortungslose Politik betreibt und auch sonst nicht mehr viel voranbringt“, erklärte sie in den „Niederösterreichischen Nachrichten“ (29.12.21).
Zistler, seiner Vorgängerin in tiefer Abneigung verbunden, reagierte darauf so: „Frau Kaiser war in ihrem Wahn der Selbstüberschätzung schon immer eine Querulantin und ein Unruheherd in der FPÖ. Auch dürfte sie nicht verstanden haben, dass es hier um einen Zwang geht, den die FPÖ ablehnt und nicht um die Impfung selbst.“ (noen.at, 29.12.21) Seine Trauer über ihren Austritt halte sich Grenzen, „um nicht zu sagen, ich bin erfreut“. Diese harten, ja zynischen Bemerkungen sind zwar nicht untypisch für Zistler, aber dennoch bemerkenswert.
Zistler und Corona
Zu diesem Zeitpunkt hat Zistler bereits einige Krebstherapien hinter sich, ist stark abgemagert und durch das Corona-Virus extrem gefährdet. Für den Jänner 2022 kündigt er an, sich einer neuen Zell-Therapie unterziehen zu wollen. Zu Beginn der Pandemie, im März 2020, hatte er sich zur Pandemie noch sehr eindeutig geäußert: „Ich muss zugeben langsam bin ich gereizt von den blöden Posts und Kommentaren. Egal ob Verschwörungstheorien oder Verharmlosung der Corona- Pandemie, beides regt mich gleichermaßen auf“ (FB, 25.3.20) Als ihm eine Frau darauf antwortet, als krebskranker Mensch müsse man doch wohl Angst vor der Covid-Pandemie haben, stellt Zistler klar: „da hast was falsch verstanden, ich bekritel (sic!) hier die Idioten die verharmlosen. Die Angst ist berechtigt.“
Seine kritische Haltung zur Verharmlosung der Pandemie entsprach damals auch noch der offiziellen Haltung der FPÖ, die zu Beginn der Pandemie sogar schärfere Maßnahmen gefordert hatte. Eineinhalb Jahre später bestätigte eine kritische Stellungnahme zur Corona-Position seiner Vorgängerin nur das, was Zistler zuvor als Verharmlosung durch Idioten kritisiert hatte.
2022 muss Zistler seine Zelltherapie unterbrechen: Er war an Corona erkrankt. Im selben Jahr wird er aber als Stadtparteiobmann mit 100 % von der Schwechater FPÖ wiedergewählt. Mit seiner Erkrankung geht es auf und ab. Im September 2024, also kurz vor seiner Abwahl, postet Zistler wieder ein Foto von sich – mit nacktem Oberkörper, umgehängter Kette mit Thorshammer und Hinweis auf seinen stark geschwächten Körper: „Aber ich komme wieder, aufgeben gibt’s nicht.“ Dazu kommentiert Roman D.: „Kopf hoch es wird wieder besser, schön langsam aufbauen. Ich tippe auf Nachwirkungen Corona Impfung.“Zistler retour: „wie kommst auf Corona Impfung bei mir ???? (…) sicher nicht, bin ungeimpft.“ Das gefiel einem anderen Blauen: „ein Blauer lässt sich nicht Impfen!“ Darauf antwortet Zistler nicht mehr.
Der Abgang
Seine Parteifreunde in Schwechat antworten schon. Im Oktober 24 erklärt sein bisheriger Vize, dass der Facebook-Auftritt von Zistler „polarisierend“ sei und es „Differenzen in der Darstellung der FPÖ Schwechat nach außen“ gegeben habe. Zunächst wird Zistler als Spitzenkandidat abgesägt und auf Platz drei zurückgereiht und dann laut NÖN vom 12.11.24 auf Antrag komplett von der Liste gestrichen. Zistler reagiert darauf mit seinem Rücktritt als Stadtparteiobmann und den üblichen szenetypischen Flüchen über „Verräter“ und „Ratten“.
Als ihm – wieder auf Facebook – ein ebenfalls Enttäuschter zusprechen will, „Daher nie wieder FPÖ“, antwortet Zistler: „Kickl kann nix dafür.“ Jener Kickl, der Corona-Schwurbler, Entwurmungsmittel und Bhakdi hochgejubelt hat?