Am 26. Juni dieses Jahres war Christian Hafenecker zu Gast in der ZIB2. Eigentlich wäre Herbert Kickl eingeladen gewesen, doch der hatte alle ihm vorgeschlagenen Termine abgesagt, stellte Wolf zu Beginn der Debatte fest. Also ging Hafenecker gegen einen wie üblich gut vorbereiteten Moderator ins Interview.
Wolf sprach den „bemerkenswerten Hang“ (*) der FPÖ zu Verschwörungstheorien und als Beispiel dafür die Einladung des Mikrobiologen und Antisemiten Sucharit Bhakdi durch die FPÖ an und zitierte Kickl, der Bhakdi als „Lichtgestalt der Freiheit und Gesundheit“, als „Helden“ und „lebende Legende“ bejubelt hatte. Armin Wolf:
Einen Mann, der die Corona-Impfung wörtlich für ein – Zitat–- satanisches Programm hält, das Millionen Menschen geschädigt und verstümmelt hat. Und allen Ernstes bei dieser FPÖ-Veranstaltung erklärt hat, die Pocken- und die Polio-Impfung wären unwirksam. Jetzt bei allem Respekt, aber das ist eine gemeingefährliche Volksverdummung gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis.
Nach einem untauglichen Ablenkungsversuch Hafeneckers, wonach ein anderer Umgang mit der Pandemie geboten gewesen wäre, hakte Wolf mit der Frage nach: „Die Polio- und die Pockenimpfung sind unwirksam?“ Für einen Moment knickte Hafenecker ein und antwortete: „Das sehe ich nicht so.“
Weil der blaue Generalsekretär merkte, dass er mit seiner Position und einer gleichzeitigen Verteidigung von Bhakdi nichts mehr gewinnen kann, ging er aufs FPÖ-Routineprogramm, in den Angriffsmodus über:
Sie laden dauernd irgendwelche linken Extremisten ein, die dem Herrn Kickl dann das Wahl‑, das passive Wahlrecht absprechen. Also wissen Sie, können wir auch darüber diskutieren, was Ihre Einladungspolitik in das Studio betrifft, Herr Doktor Wolf.
Hafenecker setzte noch mit der Behauptung nach, es handle sich um „Parteisoldaten“ handle, „die Sie irreführenderweise als Experten ausweisen. (…) Sie führen die Leute hinters Licht.“ Darauf ein lachender Armin Wolf: „Also, nein, das tun wir nicht. Herr Hafenecker, wirklich, Sie sollten ein bisschen auf Ihre Geldtasche aufpassen.“ Das war eine Anspielung auf den Widerruf und die Entschädigung von 1.000 Euro, die Hafenecker in diesem Zusammenhang an Wolf zahlen musste, der das Geld an das DÖW weiterleitete.
Hafenecker darauf im Kampfmodus: „Wollen Sie mir jetzt live auf Sendung drohen, Herr Doktor Wolf? Weil ich den ORF dabei überführt habe, dass Sie gefakte Experten hier auftreten lassen und …“ Wolf: „Herr Hafenecker, Herr Hafenecker, das ist eine Lüge …“ Die „Lüge” hatte Folgen: Im September wurde bekannt, dass der FPÖ-Generalsekretär den ORF-Moderator Armin Wolf wegen übler Nachrede strafrechtlich (§ 111 StGB) zur Verantwortung ziehen will.
Wen hat Hafenecker gemeint?
Jedoch: Wer unter den in die ZiB2 geladenen „Experten“ soll „linker Extremist“ und „Parteisoldat“, der Kickl das passive Wahlrecht abgesprochen hat, gewesen sein? Hafenecker verwendet zwar den männlichen Plural, gemeint ist aber eine. Die war zwar nicht bei Armin Wolf zu Gast, ist auch keine linke Extremistin und schon gar keine Parteisoldatin, sondern Extremismusforscherin und heißt Julia Ebner.
In der ZIB2 vom 19. Jänner 2024 war sie bei Martin Thür. Anlass: die Massenproteste in Deutschland gegen Rechts und die Potsdamer Deportationsgespräche. Ebner sprach sich dabei gegen ein AfD-Verbot, aber für die Prüfung von individuellen Einschränkungen beim passiven Wahlrecht, also ein Kandidaturverbot aus. Hypothetisch erwähnte sie in diesem Zusammenhang auch Herbert Kickl.
Ich nehme an, wenn wir in Deutschland wären oder die FPÖ in Deutschland, wäre sie längst unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Und ein Herbert Kickl wäre wahrscheinlich auch gerade, also es gäbe auch ein Fragezeichen hier, ob er seine politische Funktion so ausführen sollen könnte.
Weil die FPÖ aber nicht in Deutschland ist, Martin Thür auch nicht Armin Wolf, die Extremismusforscherin nicht gefakt, sondern echt und anerkannt und die Überlegung eines Kandidaturverbots hypothetisch und überdies im österreichischen Recht (im Unterschied zu Deutschland) nur zulässig wäre bei erwiesener NS-Wiederbetätigung, bleibt Hafenecker als Trockenschwimmer übrig. „Gefakte Experten“, die „dauernd“ von Wolf eingeladen und Kickl das Wahlrecht absprechen würden, konnten wir nicht ausfindig machen.
Freispruch
Am 14.11. wurde Armin Wolf vom Vorwurf der üblen Nachrede gegenüber Hafenecker in erster Instanz freigesprochen. Hafenecker legte dagegen Berufung ein – wie auch in einer anderen Causa: Im Juli 24 war er als Bestimmungstäter für eine Datenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Beide Urteile sind daher nicht rechtskräftig.
* Zitate aus den Interwiews transkribiert durch SdR.