Wels-Linz: „Schwarze Sonne“ ist Wiederbetätigung oder auch nicht
Wien: Rechtskonservativer Neonazi?
Wien: Ein Stockwerk tiefer
Innsbruck: Logopäde mit braunem Sprechdurchfall
Eisenstadt: Keine gehackte Satire
Salzburg: Verletzung nach Hitlergruß
Wels-Linz: „Schwarze Sonne“ ist Wiederbetätigung oder auch nicht
Nicht nur wir haben da ein Problem, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Linz zu verstehen. Während in Wels laut orf.at am 11.4. ein Unternehmer aus der Gemeinde Wolfsegg, der eine „Schwarze Sonne“ mit Folie an seinem Garagenfenster angebracht hatte, zu zwölf Monaten bedingter Haft verurteilt wurde (das Urteil ist rechtskräftig), hat die Staatsanwaltschaft Linz das Verfahren gegen eine Autobesitzerin aus dem Bezirk Rohrbach eingestellt. Die Frau hatte auf der Heckscheibe ihres PKW eine „Schwarze Sonne“ kombiniert mit dem altertümelnden Schriftzug „Stahlgewitter“ angebracht. „Stahlgewitter“ ist eine schon seit Jahrzehnten aktive Neonazi-Band, deren Sänger Daniel „Gigi“ Giese unter anderem auch bei „Gigi & die braunen Stadtmusikanten” trällerte. Also eigentlich eine eindeutige braune Angelegenheit, oder?
Die Staatsanwaltschaft Linz argumentierte die Einstellung des Verfahrens gegen die 39-jährige Mühlviertlerin damit, dass es an der subjektiven Tatseite mangle:
Die Frau habe nicht gewusst, dass die Schwarze Sonne ein verbotenes Symbol sei. Und Stahlgewitter höre sie, da sie ein Fan der Gothic-Szene sei. „Bei einer freiwilligen Nachschau wurden sonst auch keine NS-Devotionalien gefunden.“ Der Rechtsschutzbeauftragte des Justizministeriums sei von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens informiert worden. (krone.at, 13.4.23)
Das Mauthausen-Komitee Österreich (MKÖ), das beide Fälle sehr aufmerksam verfolgt hat, nimmt sehr deutlich gegen die Argumentation der Staatsanwaltschaft Linz Stellung:
„Eine krasse Fehlentscheidung. Die Kombination aus einem Nazi-Symbol und einer rechtsextremen Band müsste doch genauso zur Verurteilung führen, wie in Wels“, sagt der studierte Jurist Eiter. Seine und Mernyis Forderung: „Wir erwarten, dass das Verfahren neu aufgenommen wird.“ Im „Krone“-Gespräch kündigte die SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz bereits an, eine parlamentarische Anfrage zur Causa an Justizministerin Alma Zadic stellen zu wollen: „Ich hoffe auf Aufklärung.“ (krone.at)
Wien: Rechtskonservativer Neonazi?
Peter E. ist auf Telegram (TG) aktiv. Auch nach seiner Verurteilung wegen Wiederbetätigung nach § 3h Verbotsgesetz. Sein TG-Kanal ist deutlich markiert mit dem QAnon-Logo. Seit 2007 lebt der Peter, der aus Wermelskirchen (NRW/D) kommt, in Wien, hat sich hier, wenn er nicht gerade arbeitslos war, in der Security-Branche sein Geld verdient. Auf TG bezeichnet er sich als Gonzo-Wirtschaftswissenschaftler, aber das wäre eine völlig unverdiente Prämierung seines Geschreibsels. Peter E. ist nämlich ein übler Hetzer, der nicht nur über „linksversiffte“ „Systempresstituierte“ oder „pädophiles kulturmarxistisches Zensurantengesindel“ schimpft, sondern sich auch darüber freut, wenn die meisten dieser „Politdarsteller“ hingerichtet oder zu langen Strafen verurteilt würden. Zeitweise sondert er seine Botschaften auf TG im Minutentakt ab. Am Wiener Landesgericht musste er sich am 11.4.23 wegen eines Videos verantworten, das er Anfang des Vorjahres in einer TG-Gruppe von Manuel M. geteilt hatte. Im Video wurden der Holocaust und die Vergasung von Juden in den Vernichtungslagern der Nazis ganz offen geleugnet. Dem Peter E. ist es, so seine dümmliche Rechtfertigung, nur um „Meinungspluralismus“ gegangen, er sieht sich selbst als „rechtskonservativ“. Ein rechtskonservativer Neonazi und Holocaustleugner? Der „Standard“ (11.4.23) gibt dazu eine kurze Kontroverse wieder:
Beisitzer Apostol wird es irgendwann zu bunt. „Es ist gerichtsnotorisch, dass es den Holocaust gegeben hat und mindestens sechs Millionen Juden getötet wurden, unter anderem in Gaskammern. Das ist die Wahrheit. Weil Sie von ‚Meinungspluralismus’ gesprochen haben – da gibt es keine unterschiedlichen Meinungen. Entweder man akzeptiert die Wahrheit, oder man ist ein Holocaustleugner. Was machen Sie?” – Der Angeklagte hält kurz inne. „Ich akzeptiere die Wahrheit”, sagt er dann. „Auch, dass Juden vergast worden sind?” – „Auf diese Frage antworte ich nicht.” – „Das ist auch eine Antwort.”
Dennoch bleibt Peter E. bis zum Schluss dabei: Als „Rechtsextremer“ will sich der QAnon-Fan keinesfalls bezeichnen lassen, den Nationalsozialismus lehnt er ab, weil der für ihn eine „linke Ideologie“ sei. Die Geschworenen lassen sich davon nicht irritieren und beantworten die Schuldfrage im Sinne der Anklage einstimmig: Ja, Peter E. hat durch die Veröffentlichung des Videos den Holocaust geleugnet. Die Strafe dafür ist zum Ende der Verhandlung noch nicht rechtskräftig: zwei Jahre bedingt, zusätzlich Bewährungshilfe und die Absolvierung des Programms „Dialog statt Hass“.
Wir danken prozess.report für Beobachtung und Bericht!
Der „Kurier“ berichtet in einem Artikel vom 11.4. auch über eine Verhandlung wegen Verhetzung, die ein Stockwerk tiefer ebenfalls am 11.4. am Landesgericht Wien stattgefunden hat. Angeklagt war die Pensionistin W.. Auf Facebook hatte sie ein Posting geteilt, „in dem Muslime als Vergewaltiger, Prügler und Räuber verunglimpft werden“. Ihre Rechtfertigung, dass sie das Posting nicht geschrieben, sondern nur geteilt hätte, verfing beim Richter ebenso wenig wie die Botschaft des Posts: „‚Glauben Sie, es gibt keine Österreicher, die vergewaltigen oder rauben?“, fragt der Richter nach und hat gleich einen Vorschlag für die Angeklagte: „Sie können einmal bei uns im Haus zuschauen kommen.‘“ (Kurier).
Frau W. hat schließlich ein Einsehen, dass das Posting nicht in Ordnung war, kriegt Bewährungshilfe und ebenfalls das Programm „Dialog statt Hass“ verordnet.
Innsbruck: Logopäde mit braunem Sprechdurchfall
Die Vorstellung, dass jemand wie der Angeklagte Menschen mit Sprach‑, Sprech‑, Stimm‑, Hör- und Schluckauffälligkeiten – insbesondere Kinder – therapieren soll, ist eher beunruhigend, wenn man in der Verhandlung beim Innsbrucker Landesgericht erfährt, was J.A. in den WhatsApp-Gruppen, in denen er aktiv war, so alles von sich gegeben hat. Die braunen Chats von A. sind ein Zufallsfund. Die Kripo fand sie, als sie das Handy seines Freundes durchsuchte. Was fand man dann bei J.A.? Hakenkreuze, Hitler, braune und antisemitische Textnachrichten der tiefsten und dümmsten Sorte: „Satan is Israel“, „Drecksjude“, „elendiger Jud“, „Ich wird gleich Christ, damit ich gegen die Juden bin“ oder „A. Hitler ist die Steigerungsform von superultrameganice“ usw..
A. hat einen Bachelor-Abschluss und schreibt dann anlässlich der Verurteilung eines Polizisten wegen Hitler-Memes seinem Freund A. A. so etwas: „Weißt du was die Steigerungsform von superultrameganice ist?“ — A.A.: „Na“ — J.A.: „Hitler“ — A.A.: „Habs mir eh gedacht“. J.A.: „Stell dir vor, die Anklage wird vor Gericht vorgelesen: Der Angeklagte bezeichnete Hitler als superultrameganice.“ Das findet A. lustig. Mit seiner Freundin Melanie S. tauscht er sich über ein eineinhalbstündiges Video des mehrfach verurteilten Neonazi und Antisemiten Horst Mahler aus. Wohlwollend, wie die Staatsanwältin anmerkt. Ein rabiater Antisemitismus trieft aus den meisten seiner Chat-Nachrichten heraus, aber A. findet sich noch immer von der Anklage eher unbetroffen: „Bin politisch nicht wirklich interessiert.“
Erst nach einer von seiner Verteidigung verlangten Unterbrechung bekennt er sich schuldig. Das finden auch die Geschworenen so: in allen 16 Fragen, davon in 15 einstimmig. Das Strafausmaß bewegt sich am untersten Ende: 12 Monate bedingt und 1.440 Euro Geldstrafe (360 Tagessätze a 4 €). J. A. akzeptiert – rechtskräftig.
Wir danken für die Prozessbeobachtung!
Eisenstadt: Keine gehackte Satire
Der Prozess gegen den Gewerbetreibenden Karl B. aus Oberpullendorf hat schon eine Vorgeschichte: Die Verhandlung fand nämlich bereits Anfang September 22 statt und wurde dann vertagt. Der Angeklagte hatte bestritten, die Delikte in Österreich begangen zu haben. Um das definitiv klären zu können, brachte die Staatsanwältin mehrere Beweisanträge ein:
So soll eine spezielle Cyber-Crime-Gruppe des Bundeskriminalamtes die Handy-Login-Daten des Angeklagten auswerten. Google-Daten für die Standortermittlung analysieren. Verbindungen zu in- und ausländischen Mobilfunkbetreibern (Roaming) überprüfen. Und ein IT-Experte der Exekutive bei der nächsten Verhandlung als Auskunftsperson beigezogen werden. (meinbezirk.at, 9.9.22)
Die Verteidigung sprach sich lustigerweise dagegen aus. Jetzt also, am 13.4., gab‘s die Fortsetzung des vertagten Prozesses mit der Auflösung der Frage, wo Karl B. die ihm vorgeworfenen Delikte verübt hatte. Die Anklagepunkte waren bereits im September vorgetragen und von ihm kommentiert worden:
„Satire“ war es für ihn, das WhatsApp-Bild einer Hakenkreuz-Wand und dem Text „Es gibt auch noch gute Fliesenleger!“ Seine „lustigen“ Kommentar-Smileys zum Foto eines mit Hakenkreuz „verzierten“ VW-Käfers und der Botschaft „Aaa das war der erste Käfer mit Gasheizung“ bezog sich selbstverständlich nicht auf Gaskammern, sondern auf den Gasantrieb des Autos. Und 6 Stück NS-Regime und Adolf Hitler verherrlichende Bilder wurden zwar von seinen elektronischen Geräten versendet, nicht aber von ihm. (meinbezirk.at)
Der Angeklagte blieb auch diesmal bei seiner Verantwortung, dass er unschuldig sei, zog es aber vor zu schweigen und musste daher auch nicht länger die feinen Widersprüche in seinen Angaben klären. Der IT-Experte des Bundeskriminalamtes konnte keine Hinweise darauf finden, dass er zu bestimmten Tatzeitpunkten in Deutschland gewesen sei, was Straffreiheit bedeutet hätte.
Schließlich enttarnte die Staatsanwältin, in dem aus technischen Ortungs- und Versendungsfragen dominierten Prozess, eine Aussage des Angeklagten als Lüge. Der behauptete nämlich, die „Nazi-Bilder“ nicht an andere Personen versendet, sondern sich diese Dateien über WhatsApp selbst geschickt zu haben. „Dies ist zwar grundsätzlich möglich, aber erst seit November 2022. Also nach den angeklagten Tatzeiträumen!“ Deshalb forderte sie eine Verurteilung. (meinbezirk.at, 14.4.23)
Die Geschworenen hatten kaum Zweifel und erkannten einstimmig auf Schuld in zwei Punkten der Anklage. Die Strafe fiel sehr milde aus: zehn Monate bedingt und eine Geldstrafe von 960 Euro. Der Angeklagte bat sich Bedenkzeit aus – das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig. Was positiv auffällt bei beiden Verhandlungstagen: engagierte Berufsrichter und eine kompetente Staatsanwältin!
Salzburg: Verletzung nach Hitlergruß
Der Hitlergruß kann nicht nur Anzeige und Verurteilung nach dem Verbotsgesetz bedeuten, sondern auch eine Körperverletzung nach sich ziehen. Das ist einer Presseaussendung (15.4.23) der Salzburger Polizei („Türsteher setzt Hausrecht durch“) zu entnehmen:
Verletzungen unbestimmten Grades am Handgelenk erlitt ein 39-jähriger Salzburger am 15. April um halb fünf Uhr früh. Der Mann soll sich zuvor in einem Lokal in der Salzburger Altstadt ungebührlich verhalten und laut Zeugen auch den Hitlergruß getätigt haben. Der stark Alkoholisierte musste das Lokal verlassen. Als er es kurze Zeit darauf wieder betreten wollte, wurde er vom 38-jährigen Türsteher daran gehindert und dabei verletzt. Die Rettung brachte den Verletzten ins UKH. Er wird nach dem Verbotsgesetz angezeigt, der Türsteher wegen Körperverletzung.