Ganz zufällig waren es jene Gruppierungen, die wir seit Jahren gegen die Corona-Maßnahmen und nun gegen überhaupt alles, was gerade daherkommt, auf den Straßen gesehen haben und die auch meinten, gegen eine Kinderbuchlesung einer Dragqueen in der „Türkis Rosa Lila Villa” auf der Rechten Wienzeile auftreten zu müssen. Dagegen formierten sich viele Initiativen samt SPÖ, Grüne und Neos, um die Villa, seine Bewohner*innen und Besucher*innen vor rechtsextremen Übergriffen zu schützen. Die Polizei hatte die Einrichtung einer Schutzzone abgelehnt. Anders war es noch im Oktober 2022, als ein ganzer Abschnitt der Gumpendorfer Straße gesperrt wurde, weil die rechtsextreme Burschenschaft „Olympia“ zu einem Saufevent geladen hatte – Proteste von der linken Seite gab’s allerdings nicht.
Am 14.10.2022 kam es im 6. Wiener Gemeindebezirk zu einem Großeinsatz der Polizei. Im Bereich Gumpendorferstraße bis zur Höhe des Gürtels wurde, mit Tretgittern und mehreren Dutzend Polizist*innen, eine leere Straße abgesperrt. pic.twitter.com/Yu8NCnPALz
— Presseservice Wien (@PresseWien) October 15, 2022
Diejenigen, die sich auf die Seite der Veranstalter der Lesung gestellt hatten, waren dann auch bei weitem in der Überzahl. Während sie ein Fest der Toleranz und Vielfalt feierten – auch die Songcontest-Gewinnerin Conchita trat mit ihrem Siegerlied „Rise like a Phoenix“ auf –, brachte sich der rechtsextreme Sektor passenderweise mit Marschmusik in Stimmung.
Wien bleibt stabil! Schaut bitte, wie viele Menschen die Drag Queen Lesung und Vielfalt in Wien schützen ️⚧️️❤️ — und wie wenige die Hetzer:innen sind. @LilaTipp #w1604 #dragisnotacrime#QueersFightBack pic.twitter.com/6PSSEz3jDQ
— Emir Dizdarević (@EmirDiz) April 16, 2023
Gute Stimmung vor der Villa, dazu Musik von Queen #w1604 pic.twitter.com/Y0pegcB0HG
— Markus Sulzbacher (@msulzbacher) April 16, 2023
Medienvertreter*innen berichteten übereinstimmend von Behinderungen durch die Polizei und von Übergriffen durch Rechtsextreme. So twittert die Standard-Journalistin Colette Schmidt bereits um neun Uhr früh: „Einzelne Medien wie @derStandardat und @puls24news werden wiederholt bei der Ausübung ihrer Arbeit gehindert.“
Puls 24 schreibt:
Während der Kundgebungen wurde die Berichterstattung mehrerer Medien immer wieder behindert. Zum einen geschah dies durch Demo-Teilnehmer, die sich mit schwarzen Regenschirmen vor Kameras und Fotografen stellten. Zum anderen kam es aber auch zu Behinderungen durch die Einsatzleitung der Polizei. (Auch die Berichterstattung des PULS 24 Reporterteams vor Ort wurde behindert. So wurden sie von Polizeibeamten teilweise nicht durch die Absperrungen gelassen. Rechte Demo-Teilnehmer [konnten] wiederum durch die Absperrung vor den Augen der anwesenden Journalist:innen passieren. Zudem wurden Reporter:innen auf lange Umwege zwischen den abgesperrten Bereichen geschickt.
Überwiegend Heiterkeit löste der Versuch des hauptberuflichen Spendensammlers Martin S. aus, einen mutmaßlichen Hitlergruß aus dem Pulk von Identitären als Klatschen zu einer Parole umzudeuten. Die Polizei verlautbarte via Presseaussendung am Abend, eine zweite Person nach dem Verbotsgesetz wegen eines mutmaßlichen Hitlergrußes angezeigt zu haben.
So klatschen Identitäre zu Parolen, meint der Ober-Identitäre. Ihr seht das Klatschen eh alle deutlich, oder? #w1604 pic.twitter.com/6iDyuuHoch
— stopptdierechten.at (@stopptrechte) April 16, 2023
Nachdem die rechtsextreme Kundgebung gefloppt war, zog ein Pulk noch in die Innenstadt. Begleitet wurde der von Antifaschist*innen, gegen die die Polizei mit massiven Pfeffersprayeinsätzen vorging.
»Globohomo Endstation« – Rechtsextreme demonstrierten in Wien gegen eine Kinderbuchlesung vor einem queeren Zentrum. #Antisemitismus, Queer- & Pressefeindlichkeit prägten das Bild. Gegendemonstrant*innen stellten sich schützend ums Haus – die Polizei ging repressiv vor. #w1604 pic.twitter.com/JOMDnDIMes
— democ. (@democ_de) April 17, 2023
Die Lesung selbst beschreibt der „Standard” so:
Anwesend ist von ihnen [den Kritiker*innen; Anmk. Sdr] niemand, als van Kant in großer roter Abendrobe nach elf Uhr im ersten Stock in zwei kleinen Räumen vor Kindern und Eltern zu lesen beginn. Sie erzählt die Geschichte einer Prinzessin, die gerne liest und den Erwachsenen Fragen stellt, wie jene nach dem größten der Weltmeere. Sie erzählt, wie die kleine Prinzessin einen großen Drachen austrickst. In der Geschichte, die die Kinder gespannt und amüsiert verfolgen, steckt viel drin, nur keine Sexualisierung. Um das herauszuhören, bräuchte man schon eine sehr lebhafte, um nicht zu sagen: komplett sexualisierte Fantasie.