FPÖ-Landbauer ist mittlerweile Landeshauptfraustellvertreter in Niederösterreich. Die Würde und Bedeutung dieses Amtes, die er sich kaum erarbeiten wird, schützt er jedenfalls vor, wenn er dem „Kurier“ (30.3.23) erklärt:
Gott sei Dank habe ich grundsätzlich wichtigere Dinge zu tun, als mich um die in der Weinlaune getätigten Aussagen eines im Scheitern befindlichen Vizekanzlers zu kümmern. (…) Aber der Herr Kogler wird sich ohnehin vor Gericht verantworten müssen. Was ich so mitbekomme, ist die entsprechende Anzeigen- und Klagsflut bereits unterwegs.
Das ist bedauerlich! Schließlich gäbe es gewichtige Gründe, schnell noch eine Sperre einzurichten, bevor die Klagsflut losbrechen kann. Udo Landbauer ist noch jung – Geburtsjahrgang 1986. In diesem Jahr wurde Norbert Steger als FPÖ-Parteiobmann abgewählt bzw. durch Jörg Haider gestürzt. Den Sturz Stegers begleitete Manfred Deix mit einem Cartoon („Der Albtraum des Dr. Steger“), der im ersten Bild Norbert Steger vor vielen Parteifreunden mit der Parole zeigt „Nazis raus aus der FPÖ“, worauf das zweite Bild einen einsamen und entsetzten Steger zeigt.
Vier Jahre nach seiner Abwahl, nämlich im Jahr 1990, nahm Norbert Steger in der Zeitschrift „Basta“ den Begriff „Kellernazis“ erstmals in den Mund und ordnete ihn 20 Prozent der Basisfunktionäre in der FPÖ zu. Viele Jahre später brachte die „Salzburger Nachrichten“ seine Erinnerung, wie er zu dieser Einschätzung gekommen ist. In den 1970er-Jahren habe ihm der damalige Wiener FPÖ-Obmann Tassilo Broesigke geraten, für eine Parteikarriere in die Bezirke (gemeint waren die 23 Wiener Bezirksgruppen der FPÖ) zu gehen:
Es war unerträglich, was dort an Funktionären gesessen ist. Da saß ein stellvertretender Bezirksobmann, ein gewisser Harald Sch., im langen Ledermantel, mit Sonnenbrille, flankiert von zwei Schäferhunden. Da waren viele Symbole, die nicht meine waren. Es war klar, dass das nicht die liberale Jugendgruppe Europas war. (…) Die saßen in lauter Kellern. Die Parteilokale waren alle im Souterrain. Ich habe damals den Ausdruck „Kellernazipartei” geprägt. (SN, 11.3.10)
Wegen seiner Äußerung über die 20 Prozent Kellernazis in „Basta“ empfahl der Bundesparteivorstand der FPÖ 1990 den Ausschluss wegen parteischädigenden Verhaltens. Nachdem diese Empfehlung zwischen den Gremien herumgereicht wurde, erklärte sich dann zwar das Wiener Landesschiedsgericht für zuständig, stellte das Verfahren aber bald einmal ruhend. Eine weitere, vor allem öffentliche Erörterung inklusive allfälliger Wahrheitsbeweise ersparte man sich damit.
1993 vollzog dann Steger selbst den Bruch mit seiner Partei und trat ziemlich geräuschlos aus. Es war dann Heinz-Christian Strache, der Steger 2006 wieder in die Partei bat und prompt dafür von diesem mit dem Prädikat „untadeliger Demokrat“ und „begabter Parteiobmann“ (Falter Nr. 45/2008) geadelt wurde. Die Wiederaufnahme war natürlich eine Retourkutsche an Jörg Haider, der 2005 die FPÖ verlassen und das BZÖ gegründet hatte. Als Norbert Steger dann auch noch durch die Strache-FPÖ und Kurz-ÖVP zum Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrates gewählt wurde, war der Zeitpunkt gekommen, wo Steger keine Kellernazis mehr in der FPÖ sehen konnte: „Es gibt keine Kellernazis mehr in der FPÖ. Ich kenne keinen Freiheitlichen, der gutheißt, was in Wiener Neustadt passiert ist.” (Kurier, 4.2.2018) Gemeint war damit die Wiener Neustädter-Liederbuchaffäre in der pennalen Burschensaft Germania, deren stellvertretender Vorsitzender zeitweise jener Udo war, der jetzt neuerlich Stellvertreter ist, aber damals nicht das eine Liederbuch, sondern nur das andere gekannt haben will.
Die „Kellernazis“ hat also der frühere Bundesparteiobmann der FPÖ in die politische Debatte eingeführt. Seine Partei hat sich zunächst zwar fürchterlich empört über diese Aussage, dann aber auf die Auseinandersetzung darüber verzichtet. Natürlich ist der Begriff selbst keiner, der in der Wissenschaft verwendet und definiert wird, sondern einer der politischen Debatte und Polemik.
1995 hat der antifaschistische Publizist Hans-Henning Scharsach in der Zeitschrift „News“ die damalige FPÖ-Landtagsabgeordnete Barbara Rosenkranz (ebenfalls Niederösterreich) als Kellernazi bezeichnet. Scharsach und „News“ wurden geklagt und in erster (LG St. Pölten) und auch zweiter Instanz (OLG Wien) verurteilt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hob die Urteile allerdings 2003 auf und sprach den beiden Beschwerdeführern Schadenersatz zu.
Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist der von einem FPÖ-Obmann für Teile der FPÖ-Funktionäre geprägte Begriff der „Kellernazis“ in der politischen Debatte fest etabliert und wird gerne verwendet, um größere braune Eruptionen in der FPÖ zu beschreiben. Den Versuch einer originellen Erweiterung des Begriffs unternahm dann 2007 der jüngst verstorbene Rechtsextremist und „Nationalrevolutionär“ Jürgen Schwab auf der Neonazi-Plattform „altermedia.de“, wo er nach einem heftigen Konflikt zwischen Gottfried Küssel und FPÖ-Funktionären schrieb:
ein Parteiführer wie Strache ist auf bürgerliche Salonfähigkeit, auf gesellschaftliche Reputation angewiesen. Da Küssel über diese nicht verfügt, glaubt Strache sich von ihm billig distanzieren zu müssen, glaubt der FPÖ-Funktionär Weinzinger Küssel einen “Idioten” nennen zu müssen.
Die Distanzierung ist wohl in den meisten Fällen nicht ernst gemeint, denn in Verbindungen gibt es viele Kellernazis, die also nicht wie Küssel den mannhaften Mut aufbringen, sich offen zum NS zu bekennen, dafür dann ins Gefängnis gehen, die aber im Keller des Verbindungshauses NS-Onanie betreiben — sozusagen als Ersatzhandlung. Wenn die Leute dann über die FPÖ im Parlament landen, betrachten sie die Burschenschaft als ihr kulturelles Vorfeld (”Drittes Lager”), das den FPÖ-Anforderungen der bürgerlichen Salonfähigkeit und gesellschaftlichen Reputation zu entsprechen hat. Die Burschenschaft hat sich also an dem Nutzen des Gelderwerbs bestimmter Mitglieder, die FPÖ-Funktionäre sind, unterzuordnen. Die Ehre läuft dann oftmals — nicht immer und nicht für jedes Mitglied! — auf Geld hinaus.
Tja, geballte Sachkompetenz und eine ziemlich zutreffende Beschreibung, der wir nichts entgegensetzen können und wollen – außer vielleicht einen sehr bescheidenen räumlichen Einwand: Mittlerweile gehen die Burschis nicht mehr in die Keller, um Nazi-Parolen zu grölen, und die FPÖ hat ihre Parteilokale auch schon vom Souterrain in die Erdgeschosse und höher verlagert.