Aus der letzten Woche ist von einer Reihe von Wiederbetätigungsprozessen und ‑vorwürfen zu berichten. Etwa von vier Inter-Mailand-Fans, die sich nach ihrem Freispruch per „Grazie“ wieder in ihre Heimat nach Italien vertschüsst haben. Oder von einem Vorarlberger, der mit übelsten NS-Witzchen den Adressaten „ein Lächeln in den Alltag zaubern“ wollte. Die Neonazitruppe von „Unsterblich Wien“ hat sich wieder einmal im Fußballstadion bemerkbar gemacht, wieder einmal mit einer Reichskriegsflagge, und dann gibt’s noch ein besonderes Schmankerl vom Duo Norbert & Norbert.
Wien: Grazie und Finito – Inter Fans freigesprochen
Klagenfurt: NS-Inhalte „nur geteilt“
Feldkirch – Bez. Bludenz/Vbg.: Mit Holocaustwitzen „ein Lächeln in den Alltag zaubern“
Krems/NÖ: Verhetzung im Stimmungstief
Wien-Leopoldstadt: Randale und NS-Parolen
Wien: Unsterbliche Reichskriegsflagge
Norbert & Norbert
Wien: Grazie und Finito – Inter Fans freigesprochen
Irgendwie ist nicht ganz klar, was da wirklich passiert ist: Im Februar sollen nach dem Fußballmatch Rapid gegen Inter Mailand Inter-Fans „Sieg Heil“ skandiert und den Hitlergruß gezeigt haben. Vier von ihnen sind von der Polizei ausfindig gemacht und zur Anzeige gebracht worden. Während die Fans darauf pochten, nur italienische Fangesänge angestimmt zu haben, habe die Polizei auch deutsche Brocken gehört. Aussagen seitens der Polizei dazu waren jedoch widersprüchlich, nicht aber jene, die seitens des LVT aufgenommen wurden, denn die waren offenbar unterschriftsreif vorgeschrieben: „Ein Kollege gab an: ‚Die Einvernahmen waren vorgefertigt. Wir haben’s durchgeschaut, dann unterfertigt.’ Es sei aber grundsätzlich Gelegenheit geboten worden, zuvor noch Ergänzungen oder Änderungen vorzunehmen. Dem vorsitzenden Richter missfiel diese Vorgangsweise, wie er deutlich machte: ‚Wir spielen uns hier als Wahrer des Rechtsstaats auf. Das schaut hier nicht nach Rechtsstaat aus, was das LVT da produziert hat.’“ (APA via derstandard.at, 9.12.19)
Das Resultat: ein einstimmiger Freispruch seitens der Geschworenen – das Urteil ist nicht rechtskräftig. „‚Grazie‘ und ‚Auf Wiedersehen‘, sagen die Angeklagten noch zu den Geschworenen, ehe Olschak die Verhandlung mit ‚Finito‘ schließt.“ (derstandard.at, 9.12.19)
Klagenfurt: NS-Inhalte „nur geteilt“
Eine (fast schon) übliche Geschichte brachte einen 48-jährigen Kärntner vor Gericht: via Facebook geteilte NS-Inhalte und offenbar auch Kommentare, von denen der Angeklagte behauptet, sie seien durch einen Hack auf sein FB-Profil gelandet. „Der Angeklagte weise aus jüngeren Jahren 13 Verurteilungen, in erster Linie wegen Körperverletzung und Widerstands gegen die Staatsgewalt, auf, so die Staatsanwältin. (…) Der Angeklagte bekannte sich schuldig, schränkte aber ein, dass er die Symbole nicht auf Facebook gestellt, sondern nur geteilt habe.“ (kaernten.orf,at, 11.12.19)
Das nicht rechtskräftige Urteil: eine bedingte Haftstrafe von einem Jahr und eine Geldstrafe von 9.000€ unbedingt.
Feldkirch – Bez. Bludenz/Vbg.: Mit Holocaustwitzen „ein Lächeln in den Alltag zaubern“
Die Mitgliedschaft in einer WhatsApp-Gruppe mit dem bereits alles sagenden Namen „Nazi SS 88 Siegheil“ und darin ekelhafteste Meldungen, das brachte einen 37-Jährigen aus dem Bezirk Bludenz vor das Feldkircher Landesgericht. Er habe die von ihm geposteten Sujets „witzig“ gefunden und wollte damit „den Leuten, denen ich die Bilder schickte, ein Lächeln in den Alltag zaubern. (…) Eines zeigt eine Rauchwolke, darunter die Schrift ‚Ein jüdisches Familienfoto‘. Auf einem anderen Bild ist ein Gartenzwerg in einem Ku-Klux-Klan-Kostüm zu sehen. Der Zwerg hebt den rechten Arm zum Hitlergruß. Ein drittes Bild zeigt einen überfüllten Viehwagon, Menschen, die deportiert wurden, sind in den Zug gepfercht. Zynisch darunter der Text: ‚Genieße Dein Leben in vollen Zügen!’“ (vn.at, 12.12.19)
Vor Gericht gab sich der Angeklagte etwas geläutert, er sei kein „Rechtsradikaler“, sondern ein „Patriot“ mit einem „gesunden Nationalbewusstsein“. „Der Beschuldigte führt weiter aus, dass er in jedem Menschen das Gute suche, so habe auch Hitler nicht nur schlechte Seiten gehabt. ‚Auch wenn die Zahlen der ermordeten Menschen unter Umständen nicht genau stimmen, selbst wenn es nur zehn gewesen wären, wäre dies zu viel’, zeigt sich der Angeklagte reumütig.“ (vn.at) Wir wollen gar nicht wissen, bei wem der Patriot mit dem gesunden Nationalbewusstsein noch das Gute sucht, vielleicht sollte er das bei der vorsitzenden Richterin machen, den die verurteilte ihn nach dem Schuldspruch durch die Geschworenen nur zu einer teilbedingten Geldstrafe in Höhe von 5.040 Euro, davon 3.780 Euro unbedingt (nicht rechtskräftig). Zumindest eine Runde Geschichtsunterricht und der Besuch in einer KZ-Gedenkstätte hätten dem Herrn vermutlich auch nicht geschadet.
Krems/NÖ: Verhetzung im Stimmungstief
Ein „Stimmungstief“ veranlasste einen 55-jährigen Mann aus Krems dazu auf Facebook Flüchtlinge aus Afrika mit „Weg mit dem Gesindel!“ „Lauter Hur’n‑g’sindl!“ zu bezeichnen. Dafür kam er vor Gericht mit einer Diversion (Einstellung des Strafverfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße von 1.250 Euro) davon. Weil er davon aber nur 300 Euro bezahlte, musste er erneut vor den Kadi. Die Strafe hatte der Kremser zwischenzeitlich jedoch voll beglichen, daher beließ es das Gericht bei der vorher ausgesprochenen Geldstrafe. „Sichtlich erleichtert zog der Kremser von dannen und meinte noch: ‚Von Facebook lasse ich jetzt sicher die Finger.‘“ (noen.at, 11.12.19) Na hoffentlich merkt er sich das, wenn er wieder einmal in ein Stimmungstief rutscht!
Wien-Leopoldstadt: Randale und NS-Parolen
„Im Zuge eines Streits in einem Innenhof eines Wohnhauses soll ein 29-jähriger österreichischer Staatsbürger einen 23-jährigen Mann mit einem Messer bedroht und zudem mehrmals nationalsozialistische Parolen skandiert haben. Nachdem ein Bekannter des Tatverdächtigen das Messer an sich nehmen konnte, ging der 29-Jährige zurück in seine Wohnung. Alarmierte Polizisten nahmen den alkoholisierten Mann schließlich fest.“ (LPD Wien, 12.12.19)
Wien: Unsterbliche Reichskriegsflagge
Eine abgewandelte Reichskriegsflagge irritierte einige Stadionbesucher beim Wiener Derby Rapid gegen Austria, was der Twitteruser Gegi mit einem Wienerischen „es Beidln“ kommentierte.
es Beidln pic.twitter.com/WMrwxRQwDN
— Gegi (@gegolus) 8 Nollaig 2019
Die Fahne ist auch im Originaldesign nicht strafbar, eine Sachverhaltsdarstellung gegen den Mann, der der Nazitruppe von „Unsterblich Wien“ (https://www.stopptdierechten.at/2010/08/30/wien-nazi-spruche-bei-der-austria/) angehören dürfte, wurde dennoch eingebracht. „Der Mann, der laut Videoüberwachung die Flagge im Allianz Stadion aufgehängt hatte, wurde bereits am Sonntag ausgeforscht. Er hat seit der Saison 2012/13 ein Hausverbot in der Generali Arena, nun wurde auch ein bundesweites Stadionverbot beantragt.“ (wien.orf.at, 9.12.19) Die Reichskriegsflagge gehört als rechtlich erlaubter Ersatz für die NS-Fahne zum beliebten Inventar der braunen Austria-Fans bei Auswärtsspielen.
Sie klingt fast wie ein Burgenländerwitz, die Meldung, dass der oberösterreichische Norbert, nämlich der „van Handel“ den burgenländischen Norbert, den Hofer aus Pinkafeld, in außenpolitischen Fragen nun beraten soll.
Der oberösterreichische ‚Ehren-Prokurator‘ des christlich-konservativen St.-Georgs-Ordens, Norbert van Handel, wird ab sofort FPÖ-Chef Norbert Hofer in außenpolitischen Fragen beraten. Van Handel kandidierte bei der Nationalratswahl auf der FP-Bundesliste, schaffte aber den Einzug in den Nationalrat knapp nicht. (Oberösterreichische Nachrichten, 11.12.19, S. 2)
Der vom „Großmeister“ des St. Georgs-Ordens Karl „von“ Habsburg zum „Ehren-Prokurator“ und gleich auch zum „Baron“ ernannte Norbert van Handel, dem wir bereits im Sommer einen Beitrag gewidmet haben, ist vor allem durch seine Vorliebe zur Monarchie politisch aufgefallen: „Die Monarchie ist die bessere Staatsform und billiger, weil man sich eine Wahl spart. Aber sie kann nur vom Volk kommen“, erklärte er 2018 den OÖN. Ob sich van Handels außenpolitische Ratschläge an seinen St. Georgs-Ordensfreund Hofer auf das Gebiet der ehemaligen Habsburger-Monarchie beschränken oder doch weiter gefasst sind, wissen wir nicht. Worin die besondere außenpolitische Qualifikation des Herrn van Handel liegt, auch nicht.