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Wochenschau KW 50/19Lesezeit: 6 Minuten

Aus der letz­ten Woche ist von einer Rei­he von Wie­der­be­tä­ti­gungs­pro­zes­sen und ‑vor­wür­fen zu berich­ten. Etwa von vier Inter-Mai­­land-Fans, die sich nach ihrem Frei­spruch per „Gra­zie“ wie­der in ihre Hei­mat nach Ita­li­en vert­schüsst haben. Oder von einem Vor­arl­ber­ger, der mit übels­ten NS-Wit­z­chen den Adres­sa­ten „ein Lächeln in den All­tag zau­bern“ woll­te. Die Neo­na­zi­trup­pe von „Unsterb­lich Wien“ […]

16. Dez 2019

Wien: Gra­zie und Fini­to – Inter Fans freigesprochen
Kla­gen­furt: NS-Inhal­te „nur geteilt“
Feld­kirch – Bez. Bludenz/Vbg.: Mit Holo­caust­wit­zen „ein Lächeln in den All­tag zaubern“
Krems/NÖ: Ver­het­zung im Stimmungstief
Wien-Leo­pold­stadt: Ran­da­le und NS-Parolen
Wien: Unsterb­li­che Reichskriegsflagge
Nor­bert & Norbert

Wien: Gra­zie und Fini­to – Inter Fans freigesprochen

Irgend­wie ist nicht ganz klar, was da wirk­lich pas­siert ist: Im Febru­ar sol­len nach dem Fuß­ball­match Rapid gegen Inter Mai­land Inter-Fans „Sieg Heil“ skan­diert und den Hit­ler­gruß gezeigt haben. Vier von ihnen sind von der Poli­zei aus­fin­dig gemacht und zur Anzei­ge gebracht wor­den. Wäh­rend die Fans dar­auf poch­ten, nur ita­lie­ni­sche Fan­ge­sän­ge ange­stimmt zu haben, habe die Poli­zei auch deut­sche Bro­cken gehört. Aus­sa­gen sei­tens der Poli­zei dazu waren jedoch wider­sprüch­lich, nicht aber jene, die sei­tens des LVT auf­ge­nom­men wur­den, denn die waren offen­bar unter­schrifts­reif vor­ge­schrie­ben: „Ein Kol­le­ge gab an: ‚Die Ein­ver­nah­men waren vor­ge­fer­tigt. Wir haben’s durch­ge­schaut, dann unter­fer­tigt.’ Es sei aber grund­sätz­lich Gele­gen­heit gebo­ten wor­den, zuvor noch Ergän­zun­gen oder Ände­run­gen vor­zu­neh­men. Dem vor­sit­zen­den Rich­ter miss­fiel die­se Vor­gangs­wei­se, wie er deut­lich mach­te: ‚Wir spie­len uns hier als Wah­rer des Rechts­staats auf. Das schaut hier nicht nach Rechts­staat aus, was das LVT da pro­du­ziert hat.’“ (APA via derstandard.at, 9.12.19)

Das Resul­tat: ein ein­stim­mi­ger Frei­spruch sei­tens der Geschwo­re­nen – das Urteil ist nicht rechts­kräf­tig. „‚Gra­zie‘ und ‚Auf Wie­der­se­hen‘, sagen die Ange­klag­ten noch zu den Geschwo­re­nen, ehe Olschak die Ver­hand­lung mit ‚Fini­to‘ schließt.“ (derstandard.at, 9.12.19)

Kla­gen­furt: NS-Inhal­te „nur geteilt“

Eine (fast schon) übli­che Geschich­te brach­te einen 48-jäh­ri­gen Kärnt­ner vor Gericht: via Face­book geteil­te NS-Inhal­te und offen­bar auch Kom­men­ta­re, von denen der Ange­klag­te behaup­tet, sie sei­en durch einen Hack auf sein FB-Pro­fil gelan­det. „Der Ange­klag­te wei­se aus jün­ge­ren Jah­ren 13 Ver­ur­tei­lun­gen, in ers­ter Linie wegen Kör­per­ver­let­zung und Wider­stands gegen die Staats­ge­walt, auf, so die Staats­an­wäl­tin. (…) Der Ange­klag­te bekann­te sich schul­dig, schränk­te aber ein, dass er die Sym­bo­le nicht auf Face­book gestellt, son­dern nur geteilt habe.“ (kaernten.orf,at, 11.12.19)

Das nicht rechts­kräf­ti­ge Urteil: eine beding­te Haft­stra­fe von einem Jahr und eine Geld­stra­fe von 9.000€ unbedingt.

Feld­kirch – Bez. Bludenz/Vbg.: Mit Holo­caust­wit­zen „ein Lächeln in den All­tag zaubern“

Die Mit­glied­schaft in einer Whats­App-Grup­pe mit dem bereits alles sagen­den Namen „Nazi SS 88 Sieg­heil“ und dar­in ekel­haf­tes­te Mel­dun­gen, das brach­te einen 37-Jäh­ri­gen aus dem Bezirk Blu­denz vor das Feld­kir­cher Lan­des­ge­richt. Er habe die von ihm gepos­te­ten Sujets „wit­zig“ gefun­den und woll­te damit den Leu­ten, denen ich die Bil­der schick­te, ein Lächeln in den All­tag zau­bern. (…) Eines zeigt eine Rauch­wol­ke, dar­un­ter die Schrift ‚Ein jüdi­sches Fami­li­en­fo­to‘. Auf einem ande­ren Bild ist ein Gar­ten­zwerg in einem Ku-Klux-Klan-Kos­tüm zu sehen. Der Zwerg hebt den rech­ten Arm zum Hit­ler­gruß. Ein drit­tes Bild zeigt einen über­füll­ten Vieh­wa­gon, Men­schen, die depor­tiert wur­den, sind in den Zug gepfercht. Zynisch dar­un­ter der Text: ‚Genie­ße Dein Leben in vol­len Zügen!’“ (vn.at, 12.12.19)

Vor Gericht gab sich der Ange­klag­te etwas geläu­tert, er sei kein „Rechts­ra­di­ka­ler“, son­dern ein „Patri­ot“ mit einem „gesun­den Natio­nal­be­wusst­sein“. „Der Beschul­dig­te führt wei­ter aus, dass er in jedem Men­schen das Gute suche, so habe auch Hit­ler nicht nur schlech­te Sei­ten gehabt. ‚Auch wenn die Zah­len der ermor­de­ten Men­schen unter Umstän­den nicht genau stim­men, selbst wenn es nur zehn gewe­sen wären, wäre dies zu viel’, zeigt sich der Ange­klag­te reu­mü­tig.“ (vn.at) Wir wol­len gar nicht wis­sen, bei wem der Patri­ot mit dem gesun­den Natio­nal­be­wusst­sein noch das Gute sucht, viel­leicht soll­te er das bei der vor­sit­zen­den Rich­te­rin machen, den die ver­ur­teil­te ihn nach dem Schuld­spruch durch die Geschwo­re­nen nur zu einer teil­be­ding­ten Geld­stra­fe in Höhe von 5.040 Euro, davon 3.780 Euro unbe­dingt (nicht rechts­kräf­tig). Zumin­dest eine Run­de Geschichts­un­ter­richt und der Besuch in einer KZ-Gedenk­stät­te hät­ten dem Herrn ver­mut­lich auch nicht geschadet.

Krems/NÖ: Ver­het­zung im Stimmungstief

Ein „Stim­mungs­tief“ ver­an­lass­te einen 55-jäh­ri­gen Mann aus Krems dazu auf Face­book Flücht­lin­ge aus Afri­ka mit „Weg mit dem Gesin­del!“ „Lau­ter Hur’n‑g’sindl!“ zu bezeich­nen. Dafür kam er vor Gericht mit einer Diver­si­on (Ein­stel­lung des Straf­ver­fah­rens gegen Zah­lung einer Geld­bu­ße von 1.250 Euro) davon. Weil er davon aber nur 300 Euro bezahl­te, muss­te er erneut vor den Kadi. Die Stra­fe hat­te der Krem­ser zwi­schen­zeit­lich jedoch voll begli­chen, daher beließ es das Gericht bei der vor­her aus­ge­spro­che­nen Geld­stra­fe. „Sicht­lich erleich­tert zog der Krem­ser von dan­nen und mein­te noch: ‚Von Face­book las­se ich jetzt sicher die Fin­ger.‘“ (noen.at, 11.12.19) Na hof­fent­lich merkt er sich das, wenn er wie­der ein­mal in ein Stim­mungs­tief rutscht!

Wien-Leo­pold­stadt: Ran­da­le und NS-Parolen

„Im Zuge eines Streits in einem Innen­hof eines Wohn­hau­ses soll ein 29-jäh­ri­ger öster­rei­chi­scher Staats­bür­ger einen 23-jäh­ri­gen Mann mit einem Mes­ser bedroht und zudem mehr­mals natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Paro­len skan­diert haben. Nach­dem ein Bekann­ter des Tat­ver­däch­ti­gen das Mes­ser an sich neh­men konn­te, ging der 29-Jäh­ri­ge zurück in sei­ne Woh­nung. Alar­mier­te Poli­zis­ten nah­men den alko­ho­li­sier­ten Mann schließ­lich fest.“ (LPD Wien, 12.12.19)

Wien: Unsterb­li­che Reichskriegsflagge

Eine abge­wan­del­te Reichs­kriegs­flag­ge irri­tier­te eini­ge Sta­di­on­be­su­cher beim Wie­ner Der­by Rapid gegen Aus­tria, was der Twit­te­r­user Gegi mit einem Wie­ne­ri­schen „es Beidln“ kommentierte.

Die Fah­ne ist auch im Ori­gi­nal­de­sign nicht straf­bar, eine Sach­ver­halts­dar­stel­lung gegen den Mann, der der Nazi­trup­pe von „Unsterb­lich Wien“ (https://www.stopptdierechten.at/2010/08/30/wien-nazi-spruche-bei-der-austria/) ange­hö­ren dürf­te, wur­de den­noch ein­ge­bracht. „Der Mann, der laut Video­über­wa­chung die Flag­ge im Alli­anz Sta­di­on auf­ge­hängt hat­te, wur­de bereits am Sonn­tag aus­ge­forscht. Er hat seit der Sai­son 2012/13 ein Haus­ver­bot in der Gene­ra­li Are­na, nun wur­de auch ein bun­des­wei­tes Sta­di­on­ver­bot bean­tragt.“ (wien.orf.at, 9.12.19) Die Reichs­kriegs­flag­ge gehört als recht­lich erlaub­ter Ersatz für die NS-Fah­ne zum belieb­ten Inven­tar der brau­nen Aus­tria-Fans bei Auswärtsspielen.

Nor­bert & Norbert

Sie klingt fast wie ein Bur­gen­län­der­witz, die Mel­dung, dass der ober­ös­ter­rei­chi­sche Nor­bert, näm­lich der „van Han­del“ den bur­gen­län­di­schen Nor­bert, den Hofer aus Pin­ka­feld, in außen­po­li­ti­schen Fra­gen nun bera­ten soll.

Der ober­ös­ter­rei­chi­sche ‚Ehren-Pro­ku­ra­tor‘ des christ­lich-kon­ser­va­ti­ven St.-Georgs-Ordens, Nor­bert van Han­del, wird ab sofort FPÖ-Chef Nor­bert Hofer in außen­po­li­ti­schen Fra­gen bera­ten. Van Han­del kan­di­dier­te bei der Natio­nal­rats­wahl auf der FP-Bun­des­lis­te, schaff­te aber den Ein­zug in den Natio­nal­rat knapp nicht. (Ober­ös­ter­rei­chi­sche Nach­rich­ten, 11.12.19, S. 2)

Der vom „Groß­meis­ter“ des St. Georgs-Ordens Karl „von“ Habs­burg zum „Ehren-Pro­ku­ra­tor“ und gleich auch zum „Baron“ ernann­te Nor­bert van Han­del, dem wir bereits im Som­mer einen Bei­trag gewid­met haben, ist vor allem durch sei­ne Vor­lie­be zur Mon­ar­chie poli­tisch auf­ge­fal­len: „Die Mon­ar­chie ist die bes­se­re Staats­form und bil­li­ger, weil man sich eine Wahl spart. Aber sie kann nur vom Volk kom­men“, erklär­te er 2018 den OÖN. Ob sich van Han­dels außen­po­li­ti­sche Rat­schlä­ge an sei­nen St. Georgs-Ordens­freund Hofer auf das Gebiet der ehe­ma­li­gen Habs­bur­ger-Mon­ar­chie beschrän­ken oder doch wei­ter gefasst sind, wis­sen wir nicht. Wor­in die beson­de­re außen­po­li­ti­sche Qua­li­fi­ka­ti­on des Herrn van Han­del liegt, auch nicht.

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