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Wochenschau KW 22/19

Manch­mal sind Pro­zess­be­rich­te fast unter­halt­sam, so jener über einen Vor­arl­ber­ger, der es sich offen­bar zur Gewohn­heit gemacht hat­te, ein Haken­­kreuz-Tat­­too auf sei­nem Bauch zur Schau zu stel­len. Gar nicht unter­halt­sam ist dafür der Bericht über fünf Ober­ös­ter­rei­che­rIn­nen, die in zwei Whats­App-Grup­­pen wider­lichs­tes NS-Mate­­ri­al aus­ge­tauscht hat­ten. Und auch nicht jener über einen Wein­viert­ler ÖVP-Bür­­ger­­meis­­ter, der einer […]

4. Jun 2019
JournalistInnen am Pranger der rechtsextremen Zeitung "Hrvatski Tjednik" (Bildquelle: Reporter ohne Grenzen)
JournalistInnen am Pranger der rechtsextremen Zeitung "Hrvatski Tjednik" (Bildquelle: Reporter ohne Grenzen)

Ried-Suben/OÖ: „Blau­bä­ren“ vor Gericht
Linz: 18 Mona­te für Sel­fie mit Hit­ler­gruß im Polizeianhaltezentrum
Feldkirch/Vbg.: Haken­kreuz-Exi­bi­tio­nis­mus
Feldkirchen/K‑Graz: Ermitt­lun­gen gegen Tigu­ri­na nach Graz verlagert
Weikendorf/NÖ: VP-Bür­ger­meis­ter lehnt Zuzug einer paläs­ti­ne­si­schen Fami­lie ab
Kroa­ti­en-Blei­bur­g/K: Rechts­extre­mes Maga­zin stellt kri­ti­sche Jour­na­lis­tIn­nen aus Öster­reich und Deutsch­land an den Pranger
Leibnitz/Stmk: Kam­mer­rat trennt sich von der FPÖ

Ried-Suben/OÖ: „Blaubären“ vor Gericht

Jene, sich selbst als „Blau­bä­ren“ titu­lier­ten fünf Per­so­nen (dar­un­ter zwei ehe­ma­li­ge FPÖ-Gemein­de­rä­te), die in zwei Whats­App-Grup­pen mas­sen­haft Nazi-Mate­ri­al aus­ge­tauscht hat­ten, muss­ten sich nun dafür vor Gericht verantworten.

Auf vie­len der ver­sen­de­ten Fotos war Adolf Hit­ler zu sehen. Der Geschmack­lo­sig­keit dürf­ten kei­ne Gren­zen gesetzt wor­den sein. So soll ein Bild einer lee­ren Gas­kam­mer mit dem Text ‚atem­los durch die Nacht‘ ver­schickt wor­den sein. (…) Die Geschwo­re­nen muss­ten über ins­ge­samt 98 vor­ge­wor­fe­nen Fak­ten bera­ten. Die Lai­en­rich­ter waren sich in allen Fra­gen einig und stimm­ten 98 Mal für schul­dig. Ein Ange­klag­ter wur­de zu 20 Mona­ten beding­ter Haft ver­ur­teilt. Bei ihm wur­den bei einer Haus­durch­su­chung eini­ge Gegen­stän­de mit NS-Bezug gefun­den. Die wei­te­ren Ange­klag­ten wur­de je nach Anzahl der ver­schick­ten Bil­der zu beding­ten Haft­stra­fen zwi­schen 18 und zwölf Mona­ten ver­ur­teilt. Die Rich­ter­sprü­che sind noch nicht rechts­kräf­tig. (nachrichten.at, 27.5.19) 

Linz: 18 Monate für Selfie mit Hitlergruß im Polizeianhaltezentrum

Über einen noto­ri­schen Wie­der­be­tä­ti­ger, der zusam­men mit zwei ande­ren sei­nen Auf­ent­halt im Poli­zei­an­hal­te­zen­trum dazu nütz­te, um Nazi-Con­tent zu pro­du­zie­ren, haben wir bereits berich­tet. Nun stand der nächs­te aus dem Trio vor Gericht, der glaub­te, die Welt mit einem Hit­ler­gruß-Sel­fie aus dem Anhal­te­zen­trum beglü­cken zu müssen.

Als letz­ter des abge­bil­de­ten Tri­os muss­te sich ein 35-Jäh­ri­ger nun vor den Geschwo­re­nen in Linz ver­ant­wor­ten, wo er ver­such­te die Auf­nah­me zu bagatellisieren.Das Urteil: 18 Mona­te bedingt samt Geld­stra­fe. Sei­ne Ex-Zel­len­ge­nos­sen wur­den zu einem Jahr bedingt bzw. zu 24 Mona­ten teil­be­dingt ver­ur­teilt. (krone.at, 30.5.19)

Feldkirch/Vbg.: Hakenkreuz-Exibitionismus

Eine gan­ze Lat­te an Wie­der­be­tä­ti­gungs­de­lik­ten hat ein 38-jäh­ri­ger Vor­arl­ber­ger auf­zu­wei­sen, der in der letz­ten Woche in Feld­kirch vor Gericht stand. Dort schei­nen eine Rei­he von Inti­mi­tä­ten bespro­chen wor­den zu sein:

Der 38-jäh­ri­ge Bau­ar­bei­ter saß auf dem WC, erhob vor sei­ner Freun­din den rech­ten Arm zum Hit­ler­gruß und prä­sen­tier­te ihr sein Haken­kreuz-Tat­too auf sei­nem Unter­bauch. Sei­ne Freun­din foto­gra­fier­te 2018 die Sze­ne, die die acht Geschwo­re­nen als Ver­bre­chen nach dem Ver­bots­ge­setz wer­te­ten. (…) Frei­ge­spro­chen wur­de der Ange­klag­te ges­tern in Feld­kirch mit 8:0‑Stimmen von den Vor­wür­fen, er habe drei Freun­din­nen sein Haken­kreuz-Tat­too gezeigt, etwa beim Sex. Es kön­ne doch nicht sein, dass man sich beim Geschlechts­ver­kehr mit der Freun­din nach dem Ver­bots­ge­setz schul­dig mache, so Ver­tei­di­ger Ger­man Bertsch.“ (Neue Vor­arl­ber­ger Tages­zei­tung, 30.5.19, S. NEUE21)

Der Mann hat­te bereits 2015 öffent­lich sein Bauch­t­at­too beglei­tet mit Hit­ler­gruß auf einem Platz in Feld­kirch für Pas­san­tIn­nen zur Schau gestellt. Schon im April 2019 wur­de er in Kärn­ten wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ver­ur­teilt. Mit der dar­aus resul­tie­ren­den Zusatz­stra­fe fass­te er zehn Mona­te bedingt und eine unbe­ding­te Geld­stra­fe von 3.000.- aus (nicht rechts­kräf­tig). Eine psy­cho­lo­gi­sche Deu­tung der exi­bi­tio­nis­ti­schen Anwand­lun­gen des Ver­ur­teil­ten ver­knei­fen wir uns.

Feldkirchen/K‑Graz: Ermittlungen gegen Tigurina nach Graz verlagert

Wegen mög­li­cher Befan­gen­heit hat die Staats­an­walt­schaft Kla­gen­furt die Ermitt­lun­gen gegen die Feld­kir­che­ner Bur­schen­schaft „Tigu­ri­na“ nach Graz abge­ge­ben. Der Grund: Der Kas­sier der Bur­schen­schaft ist Poli­zist des Lan­des­kri­mi­nal­amts Kärn­ten. Die Cau­sa: Ein Video auf der Home­page der „Tigu­ri­na“, das vol­ler rechts­extre­mer Sym­bo­lik war.

Die Staats­an­walt­schaft Graz ermit­telt jetzt nicht mehr ‚nur‘ wegen Ver­dachts der Wie­der­be­tä­ti­gung, son­dern auch wegen Ver­het­zung, sagt ihr Spre­cher Hans­jörg Bacher: ‚Hier erschei­nen uns die Ver­dachts­mo­men­te der­zeit kon­kre­ter.‘ Dem­nächst wer­de mit den Ein­ver­nah­men der Ver­ant­wort­li­chen begon­nen. Noch wird gegen unbe­kann­te Täter ermit­telt. (Klei­ne Zei­tung, 3.6.19, S. 16)

Weikendorf/NÖ: VP-Bürgermeister lehnt Zuzug einer palästinesischen Familie ab

Wie weit zumin­dest Tei­le der ÖVP nach Rechts abge­rutscht sind, zeig­te die­ser Tage ein­drück­lich der Bür­ger­meis­ter der nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Gemein­de Wei­ken­dorf. Er will einer paläs­ti­nen­si­schen Fami­lie, die beab­sich­tigt, in sei­ner Gemein­de ein Grund­stück zu erwer­ben, um sich dort nie­der­zu­las­sen, den Zuzug ver­weh­ren, und das mit einer bemer­kens­wer­ten Begründung:

Die unter­schied­li­chen Kul­tur­krei­se der isla­mi­schen sowie der west­li­chen Welt wür­den „in ihren Wert­vor­stel­lun­gen, Sit­ten und Gebräu­chen weit aus­ein­an­der lie­gen“, beton­te Orts­chef Johann Zim­mer­mann (ÖVP) in einer Erklä­rung. Dies zie­he sich bis ins gesell­schafts­po­li­ti­sche Leben (…). Ein Ableh­nungs­grund, den Fami­lie Abu El Hos­na als „zutiefst dis­kri­mi­nie­rend“ emp­fin­det. Mit einem Anwalt kämpft sie nun dar­um, die Lie­gen­schaft doch noch erwer­ben zu dür­fen. (kurier.at, 1.6.19)

Dem Kurier zufol­ge, sieht die Bevöl­ke­rung das etwas ent­spann­ter als ihr Bür­ger­meis­ter: „Pro­ble­me mit Mit­bür­gern gebe es zwar immer wie­der ein­mal, heißt es da, aber nicht mehr als anders­wo auch. Und ob die­se neu­en Mit­bür­ger aus dem Aus­land sind oder nicht, sei grund­sätz­lich egal, meint einer: ‚Auch vie­le öster­rei­chi­sche Zuzüg­ler son­dern sich ab und inte­grie­ren sich nicht son­der­lich in die Dorfgemeinschaft.’“

Kroa­ti­en-Blei­bur­g/K: Rechts­extre­mes Maga­zin stellt kri­ti­sche Jour­na­lis­tIn­nen aus Öster­reich und Deutsch­land an den Pranger

Die Orga­ni­sa­ti­on „Repor­ter ohne Gren­zen“ hat­te es publik gemacht:

Das kroa­ti­sche, im rechts­ra­di­ka­len Bereich ange­sie­del­te Maga­zin Hrvat­ski Tjed­nik ver­öf­fent­lich­te Fotos mit Namen und Arbeit­ge­ber der Journalist*innen, nach­dem die­se kri­tisch über ein jähr­lich statt­fin­den­des Tref­fen rechts­extre­mer Grup­pen in Blei­burg berich­tet hat­ten. (…) Nicht irgend­wo im Blatt, son­dern auf der Titel­sei­te abge­bil­det sind Tan­ja Mal­le (Ö1), Sreć­ko Matić (Deut­sche Wel­le), Oli­ve­ra Sta­jić (Stan­dard), Krsto Lazare­vić (Welt, Deut­sche Wel­le, Repu­blik) und Dani­jel Majić (Frank­fur­ter Rund­schau). (rog.at, 30.5.19)

JournalistInnen am Pranger der rechtsextremen Zeitung "Hrvatski Tjednik" (Bildquelle: Reporter ohne Grenzen)
Jour­na­lis­tIn­nen am Pran­ger der rechts­extre­men Zei­tung „Hrvat­ski Tjed­nik” (Bild­quel­le: Repor­ter ohne Gren­zen)

Neben „Repor­ter ohne Gren­zen“, die sich gegen die­sen offen­sicht­li­chen Ein­schüch­te­rungs­ver­such durch Rechts­extre­me zur Wehr set­zen, hat auch die öster­rei­chi­sche Jour­na­lis­ten­ge­werk­schaft protestiert:

Dies ist nichts ande­res als eine mit Titel­fo­tos ver­se­he­ne und mit Denun­zia­tio­nen im Blatt­in­ne­ren erwei­ter­te Atta­cke auf öster­rei­chi­sche und deut­sche Jour­na­lis­tIn­nen- vom ORF über die öster­rei­chi­sche Tages­zei­tung ‚Der Stan­dard‘ bis hin zu deut­schen Zei­tun­gen und der ‚Deut­schen Wel­le‘. (…) Wir erwar­ten uns über­dies vom öster­rei­chi­schen Bun­des­prä­si­den­ten und der Bun­des­kanz­le­rin, eben­so von der EU, dass nicht nur in bila­te­ra­len Gesprä­chen auf der­ar­ti­ge Über­grif­fe gegen frei­en Jour­na­lis­mus reagiert wird. Wir set­zen dar­auf, dass in allen offi­zi­el­len und inof­fi­zi­el­len Kon­tak­ten die Bedeu­tung der Frei­heit von Medi­en, ein­zel­ner Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten und deren Bewe­gungs­frei­heit in aller Deut­lich­keit und selbst­ver­ständ­lich auch in öffent­li­chen Äuße­run­gen betont und ein­ge­for­dert wer­den.“ (ots.at, 3.6.19)

Auch der Gene­ral­di­rek­tor des ORF, Alex­an­der Wra­betz, hat sich mit einer Pro­test­no­te zu Wort gemeldet.

Leibnitz/Stmk: Kammerrat trennt sich von der FPÖ

Bei Par­tei­aus­trit­ten ist ja nie so klar, was die wirk­li­chen Beweg­grün­de dafür waren. So ist es auch beim ehe­ma­li­gen Till­mit­scher FPÖ-Orts­par­tei­ob­mann, der sich bereits im Febru­ar von die­ser Funk­ti­on „aus beruf­li­chen Grün­den“, wie es hieß, zurück­ge­zo­gen hat­te. Nun aber leg­te er sämt­li­che Par­tei­funk­tio­nen zurück und trat aus der FPÖ aus.

Mit viel Enga­ge­ment und Herz­blut hat sich Rene Dret­nik laut eige­nen Anga­ben über vie­le Jah­re in der frei­heit­li­chen Gesin­nungs­ge­mein­schaft ein­ge­bracht, doch die jüngs­ten Vor­fäl­le, nicht nur das ‚Ibi­za-Video’ betref­fend, haben das Fass zum über­lau­fen gebracht. (…) ‚Mei­ne Fami­lie war nicht immer glück­lich über mei­ne Funk­tio­nen in der FPÖ. Die­se ehren­amt­li­che Tätig­keit hat mir beruf­lich mehr gescha­det als genutzt. Ich habe genug davon, mich für Sachen recht­fer­ti­gen zu müs­sen, für die ich nicht ver­ant­wort­lich bin. Ob im Bund oder sonst wo’, heißt es u.a. im Schrei­ben wei­ter. Der Frust bei Dret­nik sitzt tief: ‚Ich mag mich nicht mehr für Leu­te enga­gie­ren, die ahnungs­los sind und von unent­gelt­li­chem Funk­tio­närs­we­sen kei­nen blas­sen Schim­mer haben. AK-Rat blei­be ich aber.’ (meinbezirk.at, 24.5.19)