Wochenschau KW 18/19

Über den Prozess wegen Wieder­betä­ti­gung und Ver­het­zung gegen einen 45-jähri­gen Kärnt­ner in der let­zten Woche haben wir bere­its aus­führlich berichtet, das war es auch schon, was sich in der let­zten Woche an der Gerichts­front an ein­schlägi­gen Prozessen abspielte und in Medi­en rezip­iert wurde. Vor Gericht matchen sich die FPÖ und die SPÖ Lan­gen­z­ers­dorf, und der Extrem­is­mus-Experte Thomas Ram­mer­stor­fer klagt den FPÖ-Abge­ord­neten Roman Haider auf Unter­las­sung. Im Zuge des EU-Wahlkampfs entwick­eln die öster­re­ichis­chen Blauen eine inten­sive Reisetätigkeit: Am Fre­itag war Gude­nus bei der AfD in Pforzheim zu Gast, heute reist Stra­che zu Vik­tor Orbán nach Ungarn und wird wohl um die Mit­glied­schaft von Orbáns Fidesz in der neuen recht­sex­tremen Allianz, die sich nach der Wahl im Europäis­chen Par­la­ment bilden wird, werben.

Langenzersdorf/NÖ: Match SPÖ Lan­gen­z­ers­dorf gegen FPÖ
Oberöster­re­ich: Ram­mer­stor­fer klagt FPÖ-Abg. Roman Haider
Reisen nach Rechtsaußen
Empfehlung: Ein aus­gestiegen­er Neon­azi berichtet 

Langenzersdorf/NÖ: Match SPÖ Lan­gen­z­ers­dorf gegen FPÖ

Es ist ein inzwis­chen schon länger andauern­des Match, das sich die SPÖ Lan­gen­z­ers­dorf via Face­book mit den Regierungsparteien und ins­beson­dere der FPÖ liefert. Der Infight hat­te nun auch ein Gericht beschäftigt: „Erst jüngst beze­ich­nete der FPÖ-Vize­bürg­er­meis­ter der steirischen Gemeinde St. Bar­bara i.M., Gerold [sic! Ernst Ebn­er], die SPÖ Lan­gen­z­ers­dorf wörtlich als ‚linke Dreckspatzn‘ und sog­ar als ‚Nazis’. Dafür bekam er vom stel­lvertre­tenden Vor­sitzen­den der SPÖ, Christoph Baumgär­tel, nun eine saftige Rech­nung präsen­tiert: ‚Er musste in Folge Kosten von mehreren Tausend Euro tra­gen und an die SPÖ Lan­gen­z­ers­dorf spenden.‘ Baumgär­tel, selb­st schon einige Male wegen belei­di­gen­der Mails zu Schaden­er­satz ver­don­nert, weiß noch von weit­eren Attack­en auf die hiesi­gen Sozialdemokrat­en: ‚Auf ein­er FPÖ-Face­book-Seite wur­den wir von etlichen Per­so­n­en aufs Unflätig­ste und Men­schen­ver­ach­t­end­ste beschimpft. Ein rechter Sym­pa­thisant beze­ich­nete uns darin wörtlich als ‚Trot­teln‘ und ‚Rote Rat­ten‘.“ (noen.at, 29.4.19)

Oberöster­re­ich: Ram­mer­stor­fer klagt den FPÖ-Abg. Roman Haider

Die Angele­gen­heit hat mit­tler­weile ein mehr als zwei­jähriges Nach­spiel: Im März 2017 hat­te der Extrem­is­mu­s­ex­perte Thomas Ram­mer­stor­fer einen Vor­trag an ein­er Linz­er Schule gehal­ten, der auf­grund ein­er Inter­ven­tion des FPÖ-NR-Abge­ord­neten Roman Haider abge­brochen wurde. Das mün­dete nicht nur in eine Unter­suchung des Lan­dess­chul­rats, son­dern auch in eine direkt nach dem Vor­trag begin­nende Schlamm­schlacht seit­ens der FPÖ und eine Het­zkam­pagne des „Wochen­blick“ gegen Ram­mer­stor­fer, wofür der Wochen­blick recht­skräftig verurteilt wurde.

„Nach­dem Haider dieses Jahr im März in einem Inter­view mit den ‚Oberöster­re­ichis­chen Nachricht­en’ gesagt hat, ein ‚ange­blich­er Extrem­is­mu­s­ex­perte’ hätte die Kinder mit ‚falschen Inhal­ten aufge­het­zt’, klagt der dama­lige Vor­tra­gende Thomas Ram­mer­stor­fer nun auf Unter­las­sung. Ram­mer­stor­fer, der bei der über­parteilichen Welser Ini­tia­tive gegen Faschis­mus und den Welser Grü­nen aktiv ist, ver­weist auf einen Unter­suchungs­bericht des Lan­dess­chul­rats, der kein­er­lei auch nur irgend­wie beden­kliche Äußerun­gen fest­gestellt habe.“ (ooe.orf.at, 6.5.19)

Wochen­blick: Fotomon­tage sug­giert Griff in fremde Kassen

Reisen nach Rechtsaußen

Während Johann Gude­nus am Fre­itag, 3.5. in Pforzheim bei der Schwest­er­partei AfD einen Auftritt hin­legte, reist Stra­che heute, 6.5., nach Ungarn zu Vik­tor Orbán. Was Gude­nus bei der AfD als Stim­mungs­mach­er für die bei­den AfD-Leute Alice Wei­del und Jörg Meuthen von sich gab, scheint blaues Busi­ness as usu­al gewe­sen zu sein. Nach Abspie­len der öster­re­ichis­chen Bun­deshymne beschwor Gude­nus die „lange poli­tis­che und per­sön­liche Bekan­ntschaft und Fre­und­schaft“ mit seinen bun­des­deutschen Brüdern und Schwest­ern im Geiste. „Gude­nus vertei­digte die Wort­wahl von Parte­ichef Heinz-Chris­t­ian Stra­che und erk­lärte, warum es sein­er Ansicht nach eine ‚Eth­nomor­phose‘ und einen ‚Wäh­ler­aus­tausch‘ gibt. Gude­nus geißelte die ‚wider­liche Willkom­men­skul­tur‘ und behauptete, dass aus­ländis­che Patien­ten und Bur­ka-Träger in Wiener Spitälern bevorzugt wür­den. Es sei eine ‚Schweinerei‘, wenn sich Öster­re­ich­er in Öster­re­ich wie Men­schen zweit­er Klasse fühlen müssten.“ (kurier.at, 3.5.19)

Gude­nus kann es noch so oft wieder­holen: Seine Aus­tauschfan­tasien bleiben eine recht­sex­treme Ver­schwörungs­the­o­rie im Bere­ich der „stich­halti­gen Gerüchte“ ange­siedelt, und der Rest ist unter dem Kapi­tel „Fake news“ abzule­gen. Während in Öster­re­ich der Gude­nus-Auftritt medi­al kaum reg­istri­ert wurde, gab’s in Deutsch­land mehr Res­o­nanz zum „radikalen Gast“ aus Öster­re­ich – hier erwäh­nt sei eine Zusam­men­fas­sung der recht­sex­tremen Kar­riere des FPÖ-Klubob­manns, vom „Sohn eines Holo­caustleugn­ers“ über den Beginn sein­er Politkar­riere beim RFJ ab 2003 und über seine mündlichen und schriftlichen Aus­sagen bis zu seinen dubiosen Kon­tak­ten zu Manuel Ochsen­re­it­er, in dessen recht­sex­tremen Medi­um „Zuerst!“ Gude­nus auch schon pub­liziert hat­te: „Seine Rus­s­land-Begeis­terung teilt Gude­nus mit ‚Zuerst!‘-Chefredakteur Manuel Ochsen­re­it­er. Gegen diesen ermit­telt die Staat­san­waltschaft Berlin seit Jan­u­ar 2019 wegen des Ver­dachts der Ans­tiftung zu ein­er schw­eren Brand­s­tiftung.“ (kontextwochenzeitung.de, 1.5.19)

Empfehlung: Ein aus­gestiegen­er Neon­azi berichtet 

Ein bemerkenswertes Inter­view mit Chris­t­ian Weißger­ber, der aus dem Neon­azi-Milieu aus­gestiegen ist und nun ein Buch „Mein Vater­land! Warum ich ein Neon­azi war“ veröf­fentlichte, hat der Kuri­er geführt: „Ex-Neon­azi über Holo­caust-Leugn­er und den Spaß am Hass. Ein Gespräch über gebildete Neon­azis, Iden­titären-Chef Mar­tin Sell­ner und wie es ist, aus der deutschen Nazi-Szene auszusteigen.“

Weißger­ber zeich­net seinen Weg in die Neon­azi-Szene nach, seine Radikalisierung, wie er dazu kam, den Holo­caust zu leug­nen und auch gezielte Has­sat­tack­en gegen andere zu richt­en: „So unan­genehm mir das heute auch ist zuzugeben, aber das ist ein unglaublich beleben­des Gefühl, diese Art von Macht über andere Men­schen zu haben. Heute begreife ich, was ich da anderen Leuten ange­tan habe. Also mir war das früher schon klar, was ich da mache, aber da hat­te ich den­noch keine Empathie dafür, weil ich mir dachte, diese Men­schen haben das aus unter­schiedlichen Grün­den verdient.Ich habe immer Recht­fer­ti­gung für mein Ver­hal­ten gefun­den. Recht­fer­ti­gun­gen für die Sachbeschädi­gun­gen, die ich angerichtet habe und Recht­fer­ti­gung für die Ein­schüchterun­gen, die ich Men­schen gegenüber los­ge­lassen habe. Einige dieser Szenen sind im Buch beschrieben.“

Die aktuellen Entwick­lun­gen rund um die Iden­titären, die AfD und die FPÖ sieht Weißger­ber so: „Wir haben in mein­er Zeit ganz ähn­liche Dinge gemacht, die die Iden­titären heute machen und wir hießen damals Nazis. Das wurde uns ganz klar gesagt. Jet­zt kam die AfD, die Iden­titären, die FPÖ – sie alle haben sehr ähn­liche Argu­men­ta­tion­s­muster, haben eine ähn­liche Art, Poli­tik zu machen. Die AfD ist juris­tisch gegen die Nazi-Zuschrei­bun­gen vorge­gan­gen. Auch Mar­tin Sell­ner beteuert die ganze Zeit, er sei lediglich ein braver Patri­ot, obwohl er noch vor weni­gen Jahren in der Nazi-Szene aktiv war. Es geht doch darum: Ihnen allen ist klar, dass die Nazi-Zuschrei­bung der ulti­ma­tive Auss­chluss vom demokratis­chen Diskurs bedeutet. Das haben die Iden­titären erkan­nt, das hat Heinz-Chris­t­ian Stra­che erkan­nt. Aber sie alle sind offen ras­sis­tisch, nation­al­is­tisch und chau­vin­is­tisch agierende Leute.“

Chris­t­ian E. Weißger­ber: Mein Vater­land! Warum ich ein Neon­azi war (Orell Füssli Ver­lag 2019, 18 €). Auch als E‑Book erhältlich. Web­site von Chris­t­ian Weißger­ber mit Leseprobe zum Buch