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Linz: Zensur an der Schule – Lehrbeispiel für Demokratie

Am 8. März refe­rier­te der Extre­­mis­­mus-Exper­­te Tho­mas Ram­mer­stor­fer am BORG Honau­er­stra­ße in Linz zum The­ma „Die extre­mis­ti­sche Her­aus­for­de­rung“. Rund 70 Schü­le­rIn­nen und eini­ge Leh­re­rIn­nen waren anwe­send. Nach dem Ende des ein­stün­di­gen Refe­rats begann die geplan­te Dis­kus­si­on, die jedoch nach weni­gen Minu­ten abge­bro­chen wer­den muss­te. Der Direk­tor des BORG hat­te den sofor­ti­gen Abbruch ver­fügt. Nach Intervention […]

10. Mrz 2017

Im Vor­trag von Ram­mer­stor­fer wur­den eine Rei­he extre­mis­ti­scher Phä­no­me­ne in Euro­pa, ins­be­son­de­re in Öster­reich, the­ma­ti­siert. „Dabei ging es um Sala­fis­ten, „Staats­ver­wei­ge­rer“, Graue Wöl­fe, Iden­ti­tä­re, deutsch-natio­na­le Bur­schen­schaf­ter etc. … Die FPÖ kam eigent­lich nur am Ran­de vor“, schreibt Tho­mas Ram­mer­stor­fer in einer Stellungnahme.

Der Sohn des FPÖ-Abge­ord­ne­ten Roman Hai­der, der als Schü­ler des BORG eben­falls an der Ver­an­stal­tung teil­nahm, schick­te sei­nem Vater per Whats­App Bil­der von Foli­en des Vor­trag, berich­ten die OÖN. In die­sen Foli­en kam auch die FPÖ vor, was den Vater Hai­der schwer erzürn­te: „Es ist eine Frech­heit, eine Par­la­ments­par­tei mit Extre­mis­mus in Zusam­men­hang zu brin­gen. Extre­mis­mus bedeu­tet, Demo­kra­tie abzu­leh­nen. Das las­se ich mir nicht unter­stel­len. Sol­che Ansich­ten haben an einer Schu­le nichts ver­lo­ren“, erklär­te er den OÖN.

Das Cor­pus Delic­ti: Die „ein­zi­ge Folie mei­nes Vor­tra­ges, auf der die FPÖ über­haupt Erwäh­nung fin­det”. — Bild­quel­le: Home­page www.thomasrammerstorfer.at

Den his­to­ri­schen Bock schoss aller­dings aus­ge­rech­net der Lan­des­schul­rats­prä­si­dent Fritz Enzen­ho­fer ab, der den Abbruch der Ver­an­stal­tung auf Zuruf eines Abge­ord­ne­ten fol­gen­der­ma­ßen ver­tei­dig­te: „Es ist nicht zuläs­sig, eine demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Par­tei mit Extre­mis­mus in Ver­bin­dung zu brin­gen. In der poli­ti­schen Bil­dung ist auf Aus­ge­wo­gen­heit zu ach­ten.” (OÖN) Für die­se unfass­ba­ren Sät­ze soll­te der Lan­des­schul­rats­prä­si­dent eigent­lich als Haus­ar­beit eine Recher­che dar­über ablie­fern, wann und in wel­chen euro­päi­schen Län­dern im vori­gen Jahr­hun­dert demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Par­tei­en mit Extre­mis­mus in Ver­bin­dung stan­den (und ihr Land mit Krieg und Dik­ta­tur über­zie­hen konn­ten, weil ihre Gefah­ren ver­harm­lost wur­den). Der Direk­tor, der sich der Inter­ven­ti­on des Abge­ord­ne­ten hin­ge­ge­ben hat, woll­te sei­ne Ent­schei­dung gegen­über den OÖN gar nicht kom­men­tie­ren. Kom­men­ta­re gibt es dafür von Teil­neh­me­rIn­nen der Ver­an­stal­tung, die sich bei Ram­mer­stor­fer meldeten:

Schü­le­rIn I: Ich hat­te heu­te das Glück in Ihrem Vor­trag im BORG Linz zu sit­zen und mir die Din­ge und vor allem Fak­ten über Extre­mis­mus in Öster­reich anhö­ren zu dür­fen. Ich möch­te mich dafür ent­schul­di­gen, dass der Vor­trag wegen einem Mit­schü­ler abge­bro­chen wer­den muss­te. Ich bin froh, dass Sie den Vor­trag noch zu Ende brin­gen konn­ten, aber es ist sehr Scha­de, dass die Dis­kus­si­on etwas zu kurz aus­ge­fal­len ist.
Ich möch­te vor allem Ihnen dan­ken für Ihren Vor­trag und die Fak­ten die Sie uns ver­mit­telt haben und ich hof­fe nicht, dass Sie ein fal­sches Bild von unse­rer Schu­le mit nach Hau­se genom­men haben. Denn den Vor­trag abbre­chen zu las­sen, weil sich jemand in sei­ner Ideo­lo­gie gekränkt fühlt, ist auf kei­nen Fall der rich­ti­ge Weg.
Ich sage noch ein­mal DANKE für den Vor­trag den Sie gehal­ten haben und möch­te noch­mals beto­nen, dass die­se Mei­nung des Ein­zel­nen auf kei­nen Fall die der Mehr­heit, der im Vor­trag geses­se­nen, widerspiegelt.“

Schü­le­rIn II: Ich war heu­te ein Teil des Publi­kums bei eurem Vor­trag im BORG Linz. Ich ver­ste­he nicht war­um der Vor­trag been­det wer­den muss­te, da er nur Fak­ten beinhal­te­te und weder eine Par­tei, noch eine Wäh­ler­ge­mein­schaft schlecht/gut dar­stell­te. Mei­ner Mei­nung nach wur­de die Macht gewis­ser Poli­ti­ker miss­braucht, was ich nicht nach­voll­zie­hen kann.
Aber naja wie sie in Bezug auf Extre­mis­ti­sche Grup­pie­run­gen erwähn­ten wür­de ich auch sagen: „Wenn man denkt, dass man die ein­zig rich­ti­ge Ideo­lo­gie ver­folgt, greift man zu allen Mitteln.”
Ich woll­te ihnen eigent­lich nur für den Vor­trag dan­ken und ihnen aus­rich­ten, dass bis auf eine Aus­nah­me, allen Schülern/Lehrkräften der Vor­trag gefal­len hat.

Schü­le­rIn III: Als Schü­le­rin des BORG Linz und inter­es­sier­te Teil­neh­me­rin Ihres Vor­trags dort möch­te ich mich herz­lich dafür ent­schul­di­gen, dass der Vor­trag abge­bro­chen wur­de und Ihnen ver­si­chern, dass ich und auch ande­re mei­ner Klas­se die gegen Sie erho­be­nen Vor­wür­fe kei­nes­wegs unterstützen.
Ich fin­de es zutiefst unge­recht­fer­tigt Sie eines unaus­ge­wo­ge­nen Vor­trags zu bezich­ti­gen und vor allem dage­gen mit der­ar­ti­gen Mit­teln (!) vorzugehen.
Ich bedan­ke mich erneut für die sehr infor­ma­ti­ven Stunde.“

Der Abbruch einer Schul­ver­an­stal­tung über Extre­mis­mus auf Zuruf eines FPÖ–Abgeordneten ist ein nega­ti­ves Lehr­bei­spiel in Sachen Demo­kra­tie, bei dem die Schü­le­rIn­nen haut­nah erle­ben durf­ten, wie Demo­kra­tie unter Schwarz-Blau in Ober­ös­ter­reich inter­pre­tiert wird. Er wird auch auf par­la­men­ta­ri­scher Ebe­ne ein Nach­spiel haben. Zu dem Zen­sur­akt am BORG Honau­er­stra­ße gibt es auch eine Pres­se­aus­sendung der Akti­on Kri­ti­scher Schü­le­rIn­nen Linz (aks-linz).

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