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Bleiburg/Pliberk: Magnet für Faschisten

Ein­mal im Jahr wird die Stadt­ge­mein­de Bleiburg/Pliberk im Süden von Kärnten/Koroška zum Sam­mel­punkt der Kroa­ti­schen Rech­ten. Unter dem Deck­män­tel­chen des Geden­kens an die Opfer von Ver­gel­tungs­ak­tio­nen durch die jugo­sla­wi­sche Volks­be­frei­ungs­ar­mee in den Tagen nach Kriegs­en­de tum­mel­ten sich heu­er am 16. Mai am Loi­ba­cher Feld nahe Blei­burg unter den vie­len Tau­sen­den Teil­neh­men­den Hun­der­te Faschis­ten und Neonazis. […]

27. Mai 2015


Nack­te Tatsachen

Den Ehren­schutz über die Ver­an­stal­tung hat­te heu­er die kroa­ti­sche Staats­prä­si­den­tin Kolin­da Grab­ar-Kita­ro­vić inne. Nach­dem sie zunächst ange­kün­digt hat­te, am Auf­marsch auch teil­neh­men zu wol­len, ent­schied sie sich kurz­fris­tig für ein stil­les Geden­ken Tage zuvor.

327 Bus­se, die meis­ten davon aus Kroa­ti­en, aber auch aus Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na, Deutsch­land und Öster­reich, hat die Kärnt­ner Poli­zei in Bleiburg/Pliberk gezählt. Laut Poli­zei kamen 30.000 Per­so­nen auf das Loi­ba­cher Feld, dar­un­ter hoch­ran­gi­ge Poli­ti­ke­rIn­nen und kirch­li­che Wür­den­trä­ger aus Kroa­ti­en und Bos­ni­en und eben auch Hun­der­te Rechts­extre­me in ein­schlä­gi­ger Klei­dung und mit ein­schlä­gi­gen Tattoos.

Der Zagre­ber Bischof zele­brier­te eine Mes­se, als Ehren­gäs­te begrüß­ten die Ver­an­stal­ter unter anderem:

  • Bru­na Esih, His­to­ri­ke­rin, Gesand­te der Prä­si­den­tin Kolin­da Grabar-Kitarović
  • Dra­gan Čović, kroa­ti­sches Mit­glied des Staats­prä­si­di­ums von Bos­ni­en und Herzegowina
  • Josip Kar­di­nal Boza­nić, Erz­bi­schof von Zagreb
  • Aziz ef. Has­a­no­vić, Muf­ti der Repu­blik Kroatien
  • Tomis­lav Kara­mar­ko, Par­tei­chef der rechts­po­pu­lis­ti­schen HDZ
  • Tomis­lav Čul­jak, stv. Par­tei­vor­sit­zen­der der HDZ
  • Bariša Čolak, PSBih, HDZ Bosnien-Herzegowina
  • Bor­ja­na Kriš­to PSBih, HDZ Bosnien-Herzegowina
  • Marinko Čava­ra, Vor­sit­zen­der der Föde­ra­ti­on Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na, HDZ Bosnien-Herzegowina

Eben­falls anwe­send war der ehe­ma­li­ge kroa­ti­sche Fuß­ball­na­tio­nal­spie­ler Josip Šimu­nić, der sich mit sei­nen Fans foto­gra­fie­ren ließ. Šimu­nić wur­de 2013 von der FIFA zu einer hohen Geld­stra­fe ver­ur­teilt und für zehn Spie­le gesperrt, weil er nach dem WM-Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiel gegen Island im Zagre­ber Sta­di­on den faschis­ti­schen Ustaša-Gruß „Za dom sprem­ni” ins Mikro geru­fen hatte.


Abzei­chen der faschis­ti­schen Ustaša-Bewegung

Das Tref­fen in Blei­burg fin­det seit dem Jahr 1951 statt. Heu­er, 70 Jah­re nach Kriegs­en­de, gab es abso­lu­ten Teil­neh­mer­re­kord. Bis vor weni­gen Jah­ren wur­den neben dem Kärnt­ner Ver­ein „Blei­bur­ger Ehren­zug“ das kroa­ti­sche Par­la­ment und die kroa­ti­sche Bischofs­kon­fe­renz sowie jene von Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na als Ver­an­stal­ter bzw. „Ehren­schutz“ genannt. 2012 hat sich die Mit­te-Links-Mehr­heit im kroa­ti­schen Par­la­ment dazu ent­schlos­sen, die Finan­zie­rung der Mons­ter-Ver­an­stal­tung ein­zu­stel­len und sich als Ver­an­stal­ter zurück­zu­zie­hen. Anders die katho­li­sche Kir­che: Deren Wür­den­trä­ger und Reprä­sen­tan­ten pfleg­ten schon im Zwei­ten Welt­krieg ein enges Nahe­ver­hält­nis zum mit den Natio­nal­so­zia­lis­ten kol­la­bo­rie­ren­den kroa­ti­schen NDH-Staat und der Ustaša-Bewe­gung, die ihn lenk­te. Deren Sym­bo­le sind im heu­ti­gen Kroa­ti­en teils ver­bo­ten, teils ledig­lich verpönt.


Der NDH-Staat war ein enger Ver­bün­de­ter Nazi-Deutsch­lands und betrieb mit dem Ver­nich­tungs­la­ger Jasen­o­vac das ein­zi­ge KZ ohne dt. & österr. Unterstützung

1990 nahm auch Din­ko Šakić, ehe­ma­li­ger Lager­kom­man­dant des Ver­nich­tungs­la­gers KZ Jasen­o­vac, am „Geden­ken“ in Blei­burg teil. Er ver­kün­de­te wört­lich: „Alles, was wir im Krieg getan haben, war im Inter­es­se Kroa­ti­ens und der Chris­ten­heit. Ich bedaue­re, dass wir nicht das getan haben, was sie uns vor­wer­fen getan zu haben.“ (Stutt­gar­ter Zei­tung, 18.5.1998)


Abzei­chen der faschis­ti­schen Ustaša-Bewegung

Lokalversagen

In Bleiburg/Pliberk kön­nen NDH- und Ustaša-Sym­bo­le offen zur Schau getra­gen wer­den. Dabei han­delt es nicht um Ein­zel­fäl­le, son­dern um vie­le unüber­seh­ba­re Grüpp­chen, die ein­schlä­gig beklei­det oder täto­wiert sind und Fah­nen mit Ustaša-Gruß schwen­ken. Wer kei­ne Fah­nen mit­ge­bracht hat­te, konn­te sich auch vor Ort bei einem der Ver­kaufs­stän­de mit ver­schie­de­nen revi­sio­nis­ti­schen und faschis­ti­schen Sym­bo­len ausstatten.

Auch die rechts­extre­me Klei­der­mar­ke Kril­nik hat­te einen Stand auf­ge­baut. Kril­nik bezeich­net den höchs­ten Rang eines Sol­da­ten in der faschis­ti­schen Ustaša-Armee. Die Ver­an­stal­tung hat sich zum Sam­mel­be­cken der extre­men kroa­ti­schen Rech­ten ent­wi­ckelt. Die­se setzt sich über­wie­gend aus Teil­neh­men­den aus Kroa­ti­en, Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na und der kroa­ti­schen Dia­spo­ra in Deutsch­land und Über­see zusammen.

Das Denk­mal am Loi­ba­cher Feld bei Blei­burg ist auf einer Web­site, die auf Initia­ti­ve des Kärnt­ner Bil­dungs­wer­kes ent­stand, als eines von vie­len „Juwe­len unse­rer Kul­tur­land­schaft“ gelis­tet. Die Kärn­ten-Aus­ga­be der Klei­nen Zei­tung, der Kärn­ten-Teil der Kro­ne und das ORF-Lan­des­stu­dio haben über die Gedenk­ver­an­stal­tung in Blei­burg berich­tet – teil­wei­se mit lan­gen Foto­stre­cken. Kei­nes der erwähn­ten Medi­en ist aller­dings genau­er auf die ein­deu­ti­ge revi­sio­nis­ti­sche bzw. rechts­extre­me Aus­rich­tung eini­ger Grup­pen auf der Ver­an­stal­tung ein­ge­gan­gen. Das glei­che gilt für die Live-Über­tra­gung durch den kroa­ti­schen öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk HRT.

Schon in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ist es immer wie­der zu offe­nen neo­fa­schis­ti­schen Mani­fes­ta­tio­nen wäh­rend des Auf­mar­sches gekom­men. In den Jah­ren kurz vor dem EU-Bei­tritt Kroa­ti­ens 2013 woll­te die kroa­ti­sche Staats­spit­ze eine all­zu posi­ti­ve Bezug­nah­me auf die Ustaša und das faschis­ti­sche NDH-Regime ver­mei­den – mit die­ser Zurück­hal­tung ist es ganz offen­sicht­lich jetzt wie­der vorbei.

Rechtliche Frage

Ein sehr belieb­tes Sym­bol bei der Gedenk­ver­an­stal­tung in Bleiburg/Pliberk ist das Schach­brett­mus­ter der (faschis­ti­schen) Ustaša-Bewe­gung. Es unter­schei­det sich nur mini­mal vom Schach­brett­mus­ter auf der Kroa­ti­schen Lan­des­flag­ge. Die­ses Schach­brett­mus­ter dien­te auch der Kroa­ti­schen Ein­heit der Waf­fen-SS als Ärmelabzeichen.

Die juris­ti­sche Ein­schät­zung, ob die­se Abzei­chen und Insi­gni­en unter das Ver­bots­ge­setz fal­len, ist frag­lich. Jedoch könn­te das Zei­gen eben die­ser Sym­bo­le ein Fall für das Abzei­chen­ge­setz sein, das eine Ver­wal­tungs­über­tre­tung ist und mit bis zu bis 4.000 € bestraft wer­den kann. (Mehr Infos zur recht­li­chen Situa­ti­on von Waf­fen-SS Sym­bo­len hier)

Zu Gast bei Freunden

Auch öster­rei­chi­sche Neo­na­zis tum­mel­ten sich in Bleiburg/Pliberk. Einer von ihnen ‚Gre­gor T. (ehe­mals Blood & Honour” Wien) ist schon lan­ge mit kroa­ti­schen Rechts­extre­men kame­rad­schaft­lich” ver­bun­den. Im Juni 2007 war er maß­geb­lich an einer Rie­sen­schlä­ge­rei in Kap­fen­berg betei­ligt. Nach einem Freund­schafts­spiel zwi­schen Rapid Wien und Dina­mo Zagreb gin­gen Fan­grup­pen bei­der Ver­ei­ne auf die bei dem Match ein­ge­setz­ten 55 Poli­zis­ten los, ver­letz­ten 39 Poli­zis­ten und ver­wüs­te­ten eine Sied­lung. Es war eine offen­sicht­lich ver­ab­re­de­te und gezielt geplan­te Schlä­ge­rei: „Bin­nen weni­ger Minu­ten war­fen ent­fes­sel­te ‚Fans‘ mit Pflas­ter­stei­nen, Stan­gen, Fahr­rä­dern und sogar gan­zen Blu­men­trö­gen nach den Beam­ten.“ (APA, 17.9. 2007) Geschätz­te 300 Per­so­nen, über­wie­gend von Dina­mo Zagreb, das eine star­ke rechts­extre­me Fan­ab­tei­lung hat, betei­lig­ten sich an der Schlä­ge­rei – nur vier muss­ten sich vor Gericht ver­ant­wor­ten. Drei wur­den ver­ur­teilt: zwei Kroa­ten zu zwölf bzw. zehn Mona­ten teil­be­dingt, Gre­gor T. zu zwölf Mona­ten unbedingt.


1 und 8 steht für die Buch­sta­ben im Alpha­bet A und H und steht in der Neo­na­zi-Sze­ne für Adolf Hitler

Die Schlä­ge­rei, sei­ne Akti­vi­tät bei „Blood & Honour“ oder sei­ne kame­rad­schaft­li­chen Bezie­hun­gen – irgend­et­was davon dürf­te ihn dafür qua­li­fi­ziert haben, 2010 für die FPÖ als „Ord­ner“ zu arbei­ten. Es gibt sogar Bild­ma­te­ri­al, das ihn bei einer Ein­schu­lung für FPÖ-Wahl­hel­fe­rIn­nen zeigt.

Jetzt posier­te er in Blei­burg, und er war nicht der ein­zi­ge Rechts­extre­me, der aus Wien ange­reist war.


NDH-Staat

Der 2. Welt­krieg begann im mul­ti­eth­ni­schen König­reich Jugo­sla­wi­en mit dem Über­fall der Wehr­macht am 6. April 1941. Jugo­sla­wi­en wird zwi­schen Deutsch­land, Ita­li­en, Alba­ni­en, Ungarn und Bul­ga­ri­en in besetz­te, annek­tier­te und schein­sou­ve­rä­ne Ter­ri­to­ri­en zer­stü­ckelt. Am 10. April 1941 ent­steht der Vasal­len­staat NDH. Die Neza­vis­na Drža­va Hrvat­s­ka – der Unab­hän­gi­ge Staat Kroa­ti­en umfass­te das heu­ti­ge Kroa­ti­en, wei­te Tei­le Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­nas und klei­ne Tei­le Ser­bi­ens. Der NDH-Staat stel­len die Kroa­ten nur etwas mehr als die Hälf­te der Bevöl­ke­rung. Ante Pave­lić wird Staats­chef. Er hat­te zuvor im ita­lie­ni­schen Exil die Ustaša-Bewe­gung gegrün­det, sein Ter­ror-Regime, die Ver­fol­gung, Ver­trei­bung und der Mas­sen­mord an Juden und Ser­ben ent­facht Wider­stand Der Kriegs­ver­bre­cher Ante Pave­lić stirbt 1959 im spa­ni­schen Exil. Die Trä­ger­schich­ten des NDH-Staa­tes waren Advo­ka­ten, ehemalige

k.u.k‑Offiziere, Stu­den­ten, Intel­lek­tu­el­le und Tei­le der kroa­ti­schen katho­li­schen Kirche.


Ustaša (die „Aufständischen”)

Die 1929 gegrün­de­te Ustaša-Bewe­gung war ein natio­na­lis­ti­scher, ter­ro­ris­ti­scher Geheim­bund, des­sen erklär­tes Ziel die Errich­tung eines groß­kroa­ti­schen, eth­nisch homo­ge­nen Natio­nal­staa­tes war. Die Ustaše (Plu­ral) ent­wi­ckel­ten sich in eine faschis­ti­sche Bewe­gung, die von ihnen betrie­be­ne bru­ta­le Ver­fol­gung von Ser­ben lös­te eine Spi­ra­le von Gewalt und Gegen­ge­walt aus. Zwi­schen 1941 und 1945 sind rund 613.000 Men­schen auf dem Ter­ri­to­ri­um des NDH-Staa­tes umge­kom­men. Die Ustaše betrie­ben mit dem KZ Jasen­o­vac, unweit von Zagreb, das ein­zi­ge Ver­nich­tungs­la­ger im 2. Welt­krieg, das nicht von Deut­schen und Öster­rei­chern geführt wor­den ist. In Jasen­o­vac sind rund 80.000 – 100.000 Ser­ben, Juden, Roma und Sin­ti, sowie regime­feind­li­che Kroa­ten ermor­det wor­den bzw. an den Fol­gen der Inter­nie­rung gestor­ben. Das Emblem der Ustaša war ein gro­ßes U mit Gra­na­te und Šahovnica.


Šahovnica — „Za dom! — Spremni“ – Crna Legija

Die Šahov­ni­ca, das Schach­brett­mus­ter, bestimmt auch heu­te die Flag­ge Kroa­ti­ens. Aller­dings ist die Šahov­ni­ca des NDH-Staa­tes leicht zu erken­nen. Sie beginnt mit einem wei­ßen Qua­drat. Jene des heu­ti­gen Kroa­ti­ens hin­ge­gen mit einem Roten.

Der Wahl­spruch bzw. der Gruß der Ustaša-Bewe­gung lau­te­te „Za dom! — Sprem­ni“ – Für die Hei­mat! – Bereit“. Der faschis­ti­sche Gruß ist in Kroa­ti­en durch gleich drei Geset­ze ver­bo­ten, aller­dings wird sei­ne Ver­wen­dung nur sel­ten auch tat­säch­lich bestraft.


Za dom – Sprem­ni! / Für die Hei­mat – Bereit! war der Gruß im NDH-Staat

Die Crna Legi­ja, die Schwar­ze Legi­on, war eine Art Ustaša-Eli­te­ein­heit im NDH-Staat. Die Crna legi­ja ist für zahl­rei­che Kriegs­ver­bre­chen ver­ant­wort­lich. Sämt­li­che Uni­form­tei­le waren in schwar­zer Far­be gehalten.


Die Crna Legi­ja war die Eli­te-Ein­heit des faschis­ti­schen NDH-Staates

Quellen / weiterführende Literatur:

  • Arbeits­kreis gegen den kärnt­ner Kon­sens (Hg.): Frie­de, Freu­de, deut­scher Ein­topf. Rech­te Mythen, NS-Ver­harm­lo­sung und anti­fa­schis­ti­scher Pro­test. Man­del­baum Ver­lag. 418 Seiten
  • Det­lef Bran­des, Holm Sund­haussen, Ste­fan Troebst (Hg.): Lexi­kon der Ver­trei­bun­gen. Depor­ta­ti­on, Zwangs­aus­sied­lung und eth­ni­sche Säu­be­rung im Euro­pa des 20. Jahr­hun­derts. Böhlau Ver­lag. 801 Seiten
  • Kon­rad Cle­wing, Oli­ver Jens Schmitt (Hg.): Geschich­te Süd­ost­eu­ro­pas. Vom frü­hen Mit­tel­al­ter bis zur Gegen­wart. Ver­lag Fried­rich Pus­tet. 839 Seiten
  • Moni­ka Fla­cke (Hg.in): Mythen der Natio­nen. 1945 Are­na der Erin­ne­run­gen. Ver­lag Phil­ipp von Zabern. 970 Seiten.
  • Holm Sund­haussen: Jugo­sla­wi­en und sei­ne Nach­fol­ge­staa­ten 1943 – 2011. Eine unge­wöhn­li­che Geschich­te des Gewöhn­li­chen. Böhlau Ver­lag. 566 Seiten

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