Bleiburg/Pliberk: Magnet für Faschisten

Ein­mal im Jahr wird die Stadt­ge­meinde Bleiburg/Pliberk im Süden von Kärnten/Koroška zum Sam­melpunkt der Kroat­is­chen Recht­en. Unter dem Deck­män­telchen des Gedenkens an die Opfer von Vergel­tungsak­tio­nen durch die jugoslaw­is­che Volks­be­freiungsarmee in den Tagen nach Kriegsende tum­melten sich heuer am 16. Mai am Loibach­er Feld nahe Bleiburg unter den vie­len Tausenden Teil­nehmenden Hun­derte Faschis­ten und Neon­azis. Ein Augenzeugenbericht.


Nack­te Tatsachen

Den Ehren­schutz über die Ver­anstal­tung hat­te heuer die kroat­is­che Staat­spräsi­dentin Kolin­da Grabar-Kitarović inne. Nach­dem sie zunächst angekündigt hat­te, am Auf­marsch auch teil­nehmen zu wollen, entsch­ied sie sich kurzfristig für ein stilles Gedenken Tage zuvor.

327 Busse, die meis­ten davon aus Kroa­t­ien, aber auch aus Bosnien-Herze­gow­ina, Deutsch­land und Öster­re­ich, hat die Kärnt­ner Polizei in Bleiburg/Pliberk gezählt. Laut Polizei kamen 30.000 Per­so­n­en auf das Loibach­er Feld, darunter hochrangige Poli­tik­erIn­nen und kirch­liche Wür­den­träger aus Kroa­t­ien und Bosnien und eben auch Hun­derte Recht­sex­treme in ein­schlägiger Klei­dung und mit ein­schlägi­gen Tattoos.

Der Zagre­ber Bischof zele­bri­erte eine Messe, als Ehrengäste begrüßten die Ver­anstal­ter unter anderem:

  • Bruna Esih, His­torik­erin, Gesandte der Präsi­dentin Kolin­da Grabar-Kitarović
  • Dra­gan Čović, kroat­is­ches Mit­glied des Staat­sprä­sid­i­ums von Bosnien und Herzegowina
  • Josip Kar­di­nal Bozanić, Erzbischof von Zagreb
  • Aziz ef. Hasanović, Mufti der Repub­lik Kroatien
  • Tomis­lav Kara­marko, Parte­ichef der recht­spop­ulis­tis­chen HDZ
  • Tomis­lav Čul­jak, stv. Parteivor­sitzen­der der HDZ
  • Bar­iša Čolak, PSBih, HDZ Bosnien-Herzegowina
  • Bor­jana Kriš­to PSBih, HDZ Bosnien-Herzegowina
  • Marinko Čavara, Vor­sitzen­der der Föder­a­tion Bosnien-Herze­gow­ina, HDZ Bosnien-Herzegowina

Eben­falls anwe­send war der ehe­ma­lige kroat­is­che Fußball­na­tion­al­spiel­er Josip Šimu­nić, der sich mit seinen Fans fotografieren ließ. Šimu­nić wurde 2013 von der FIFA zu ein­er hohen Geld­strafe verurteilt und für zehn Spiele ges­per­rt, weil er nach dem WM-Qual­i­fika­tion­sspiel gegen Island im Zagre­ber Sta­dion den faschis­tis­chen Ustaša-Gruß „Za dom sprem­ni” ins Mikro gerufen hatte.


Abze­ichen der faschis­tis­chen Ustaša-Bewegung

Das Tre­f­fen in Bleiburg find­et seit dem Jahr 1951 statt. Heuer, 70 Jahre nach Kriegsende, gab es absoluten Teil­nehmer­reko­rd. Bis vor weni­gen Jahren wur­den neben dem Kärnt­ner Vere­in „Bleiburg­er Ehren­zug“ das kroat­is­che Par­la­ment und die kroat­is­che Bischof­skon­ferenz sowie jene von Bosnien-Herze­gow­ina als Ver­anstal­ter bzw. „Ehren­schutz“ genan­nt. 2012 hat sich die Mitte-Links-Mehrheit im kroat­is­chen Par­la­ment dazu entschlossen, die Finanzierung der Mon­ster-Ver­anstal­tung einzustellen und sich als Ver­anstal­ter zurück­zuziehen. Anders die katholis­che Kirche: Deren Wür­den­träger und Repräsen­tan­ten pflegten schon im Zweit­en Weltkrieg ein enges Nahev­er­hält­nis zum mit den Nation­al­sozial­is­ten kol­la­bori­eren­den kroat­is­chen NDH-Staat und der Ustaša-Bewe­gung, die ihn lenk­te. Deren Sym­bole sind im heuti­gen Kroa­t­ien teils ver­boten, teils lediglich verpönt.


Der NDH-Staat war ein enger Ver­bün­de­ter Nazi-Deutsch­lands und betrieb mit dem Ver­nich­tungslager Jasen­o­vac das einzige KZ ohne dt. & österr. Unterstützung

1990 nahm auch Dinko Šak­ić, ehe­ma­liger Lagerkom­man­dant des Ver­nich­tungslagers KZ Jasen­o­vac, am „Gedenken“ in Bleiburg teil. Er verkün­dete wörtlich: „Alles, was wir im Krieg getan haben, war im Inter­esse Kroa­t­iens und der Chris­ten­heit. Ich bedauere, dass wir nicht das getan haben, was sie uns vor­w­er­fen getan zu haben.“ (Stuttgarter Zeitung, 18.5.1998)


Abze­ichen der faschis­tis­chen Ustaša-Bewegung

Lokalversagen

In Bleiburg/Pliberk kön­nen NDH- und Ustaša-Sym­bole offen zur Schau getra­gen wer­den. Dabei han­delt es nicht um Einzelfälle, son­dern um viele unüberse­hbare Grüp­pchen, die ein­schlägig bek­lei­det oder tätowiert sind und Fah­nen mit Ustaša-Gruß schwenken. Wer keine Fah­nen mit­ge­bracht hat­te, kon­nte sich auch vor Ort bei einem der Verkauf­sstände mit ver­schiede­nen revi­sion­is­tis­chen und faschis­tis­chen Sym­bol­en ausstatten.

Auch die recht­sex­treme Klei­der­marke Kril­nik hat­te einen Stand aufge­baut. Kril­nik beze­ich­net den höch­sten Rang eines Sol­dat­en in der faschis­tis­chen Ustaša-Armee. Die Ver­anstal­tung hat sich zum Sam­mel­beck­en der extremen kroat­is­chen Recht­en entwick­elt. Diese set­zt sich über­wiegend aus Teil­nehmenden aus Kroa­t­ien, Bosnien-Herze­gow­ina und der kroat­is­chen Dias­po­ra in Deutsch­land und Übersee zusammen.

Das Denkmal am Loibach­er Feld bei Bleiburg ist auf ein­er Web­site, die auf Ini­tia­tive des Kärnt­ner Bil­dungswerkes ent­stand, als eines von vie­len „Juwe­len unser­er Kul­tur­land­schaft“ gelis­tet. Die Kärn­ten-Aus­gabe der Kleinen Zeitung, der Kärn­ten-Teil der Kro­ne und das ORF-Lan­desstu­dio haben über die Gedenkver­anstal­tung in Bleiburg berichtet – teil­weise mit lan­gen Foto­streck­en. Keines der erwäh­n­ten Medi­en ist allerd­ings genauer auf die ein­deutige revi­sion­is­tis­che bzw. recht­sex­treme Aus­rich­tung einiger Grup­pen auf der Ver­anstal­tung einge­gan­gen. Das gle­iche gilt für die Live-Über­tra­gung durch den kroat­is­chen öffentlich-rechtlichen Rund­funk HRT.

Schon in den ver­gan­genen Jahren ist es immer wieder zu offe­nen neo­faschis­tis­chen Man­i­fes­ta­tio­nen während des Auf­marsches gekom­men. In den Jahren kurz vor dem EU-Beitritt Kroa­t­iens 2013 wollte die kroat­is­che Staatsspitze eine allzu pos­i­tive Bezug­nahme auf die Ustaša und das faschis­tis­che NDH-Regime ver­mei­den – mit dieser Zurück­hal­tung ist es ganz offen­sichtlich jet­zt wieder vorbei.

Rechtliche Frage

Ein sehr beliebtes Sym­bol bei der Gedenkver­anstal­tung in Bleiburg/Pliberk ist das Schachbrettmuster der (faschis­tis­chen) Ustaša-Bewe­gung. Es unter­schei­det sich nur min­i­mal vom Schachbrettmuster auf der Kroat­is­chen Lan­des­flagge. Dieses Schachbrettmuster diente auch der Kroat­is­chen Ein­heit der Waf­fen-SS als Ärmelabzeichen.

Die juris­tis­che Ein­schätzung, ob diese Abze­ichen und Insignien unter das Ver­bots­ge­setz fall­en, ist fraglich. Jedoch kön­nte das Zeigen eben dieser Sym­bole ein Fall für das Abze­ichenge­setz sein, das eine Ver­wal­tungsübertre­tung ist und mit bis zu bis 4.000 € bestraft wer­den kann. (Mehr Infos zur rechtlichen Sit­u­a­tion von Waf­fen-SS Sym­bol­en hier)

Zu Gast bei Freunden

Auch öster­re­ichis­che Neon­azis tum­melten sich in Bleiburg/Pliberk. Ein­er von ihnen ‚Gre­gor T. (ehe­mals Blood & Hon­our” Wien) ist schon lange mit kroat­is­chen Recht­sex­tremen kam­er­ad­schaftlich” ver­bun­den. Im Juni 2007 war er maßge­blich an ein­er Riesen­schlägerei in Kapfen­berg beteiligt. Nach einem Fre­und­schaftsspiel zwis­chen Rapid Wien und Dinamo Zagreb gin­gen Fan­grup­pen bei­der Vere­ine auf die bei dem Match einge­set­zten 55 Polizis­ten los, ver­let­zten 39 Polizis­ten und ver­wüsteten eine Sied­lung. Es war eine offen­sichtlich verabre­dete und gezielt geplante Schlägerei: „Bin­nen weniger Minuten war­fen ent­fes­selte ‚Fans‘ mit Pflaster­steinen, Stan­gen, Fahrrädern und sog­ar ganzen Blu­men­trö­gen nach den Beamten.“ (APA, 17.9. 2007) Geschätzte 300 Per­so­n­en, über­wiegend von Dinamo Zagreb, das eine starke recht­sex­treme Fan­abteilung hat, beteiligten sich an der Schlägerei – nur vier mussten sich vor Gericht ver­ant­worten. Drei wur­den verurteilt: zwei Kroat­en zu zwölf bzw. zehn Monat­en teilbe­d­ingt, Gre­gor T. zu zwölf Monat­en unbedingt.


1 und 8 ste­ht für die Buch­staben im Alpha­bet A und H und ste­ht in der Neon­azi-Szene für Adolf Hitler

Die Schlägerei, seine Aktiv­ität bei „Blood & Hon­our“ oder seine kam­er­ad­schaftlichen Beziehun­gen – irgen­det­was davon dürfte ihn dafür qual­i­fiziert haben, 2010 für die FPÖ als „Ord­ner“ zu arbeit­en. Es gibt sog­ar Bild­ma­te­r­i­al, das ihn bei ein­er Ein­schu­lung für FPÖ-WahlhelferIn­nen zeigt.

Jet­zt posierte er in Bleiburg, und er war nicht der einzige Recht­sex­treme, der aus Wien angereist war.


NDH-Staat

Der 2. Weltkrieg begann im mul­ti­eth­nis­chen Kön­i­gre­ich Jugoslaw­ien mit dem Über­fall der Wehrma­cht am 6. April 1941. Jugoslaw­ien wird zwis­chen Deutsch­land, Ital­ien, Alban­ien, Ungarn und Bul­gar­ien in beset­zte, annek­tierte und schein­sou­veräne Ter­ri­to­rien zer­stück­elt. Am 10. April 1941 entste­ht der Vasal­len­staat NDH. Die Neza­v­is­na Drža­va Hrvats­ka – der Unab­hängige Staat Kroa­t­ien umfasste das heutige Kroa­t­ien, weite Teile Bosnien-Herze­gow­inas und kleine Teile Ser­bi­ens. Der NDH-Staat stellen die Kroat­en nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Ante Pavelić wird Staatschef. Er hat­te zuvor im ital­ienis­chen Exil die Ustaša-Bewe­gung gegrün­det, sein Ter­ror-Regime, die Ver­fol­gung, Vertrei­bung und der Massen­mord an Juden und Ser­ben ent­facht Wider­stand Der Kriegsver­brech­er Ante Pavelić stirbt 1959 im spanis­chen Exil. Die Träger­schicht­en des NDH-Staates waren Advokat­en, ehemalige

k.u.k‑Offiziere, Stu­den­ten, Intellek­tuelle und Teile der kroat­is­chen katholis­chen Kirche.


Ustaša (die „Aufständischen”)

Die 1929 gegrün­dete Ustaša-Bewe­gung war ein nation­al­is­tis­ch­er, ter­ror­is­tis­ch­er Gehe­im­bund, dessen erk­lärtes Ziel die Errich­tung eines großkroat­is­chen, eth­nisch homo­ge­nen Nation­al­staates war. Die Ustaše (Plur­al) entwick­el­ten sich in eine faschis­tis­che Bewe­gung, die von ihnen betriebene bru­tale Ver­fol­gung von Ser­ben löste eine Spi­rale von Gewalt und Gegenge­walt aus. Zwis­chen 1941 und 1945 sind rund 613.000 Men­schen auf dem Ter­ri­to­ri­um des NDH-Staates umgekom­men. Die Ustaše betrieben mit dem KZ Jasen­o­vac, unweit von Zagreb, das einzige Ver­nich­tungslager im 2. Weltkrieg, das nicht von Deutschen und Öster­re­ich­ern geführt wor­den ist. In Jasen­o­vac sind rund 80.000 – 100.000 Ser­ben, Juden, Roma und Sin­ti, sowie regime­feindliche Kroat­en ermordet wor­den bzw. an den Fol­gen der Internierung gestor­ben. Das Emblem der Ustaša war ein großes U mit Granate und Šahovnica.


Šahovnica — „Za dom! — Spremni“ – Crna Legija

Die Šahovni­ca, das Schachbrettmuster, bes­timmt auch heute die Flagge Kroa­t­iens. Allerd­ings ist die Šahovni­ca des NDH-Staates leicht zu erken­nen. Sie begin­nt mit einem weißen Quadrat. Jene des heuti­gen Kroa­t­iens hinge­gen mit einem Roten.

Der Wahlspruch bzw. der Gruß der Ustaša-Bewe­gung lautete „Za dom! — Sprem­ni“ – Für die Heimat! – Bere­it“. Der faschis­tis­che Gruß ist in Kroa­t­ien durch gle­ich drei Geset­ze ver­boten, allerd­ings wird seine Ver­wen­dung nur sel­ten auch tat­säch­lich bestraft.


Za dom – Sprem­ni! / Für die Heimat – Bere­it! war der Gruß im NDH-Staat

Die Crna Legi­ja, die Schwarze Legion, war eine Art Ustaša-Eli­teein­heit im NDH-Staat. Die Crna legi­ja ist für zahlre­iche Kriegsver­brechen ver­ant­wortlich. Sämtliche Uni­formteile waren in schwarz­er Farbe gehalten.


Die Crna Legi­ja war die Elite-Ein­heit des faschis­tis­chen NDH-Staates

Quellen / weiterführende Literatur:

  • Arbeit­skreis gegen den kärnt­ner Kon­sens (Hg.): Friede, Freude, deutsch­er Ein­topf. Rechte Mythen, NS-Ver­harm­lo­sung und antifaschis­tis­ch­er Protest. Man­del­baum Ver­lag. 418 Seiten
  • Detlef Bran­des, Holm Sund­haussen, Ste­fan Troeb­st (Hg.): Lexikon der Vertrei­bun­gen. Depor­ta­tion, Zwangsaussied­lung und eth­nis­che Säu­berung im Europa des 20. Jahrhun­derts. Böh­lau Ver­lag. 801 Seiten
  • Kon­rad Clew­ing, Oliv­er Jens Schmitt (Hg.): Geschichte Südos­teu­ropas. Vom frühen Mit­te­lal­ter bis zur Gegen­wart. Ver­lag Friedrich Pustet. 839 Seiten
  • Moni­ka Flacke (Hg.in): Mythen der Natio­nen. 1945 Are­na der Erin­nerun­gen. Ver­lag Philipp von Zabern. 970 Seiten.
  • Holm Sund­haussen: Jugoslaw­ien und seine Nach­folges­taat­en 1943 – 2011. Eine ungewöhn­liche Geschichte des Gewöhn­lichen. Böh­lau Ver­lag. 566 Seiten

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