Nackte Tatsachen
Den Ehrenschutz über die Veranstaltung hatte heuer die kroatische Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović inne. Nachdem sie zunächst angekündigt hatte, am Aufmarsch auch teilnehmen zu wollen, entschied sie sich kurzfristig für ein stilles Gedenken Tage zuvor.
327 Busse, die meisten davon aus Kroatien, aber auch aus Bosnien-Herzegowina, Deutschland und Österreich, hat die Kärntner Polizei in Bleiburg/Pliberk gezählt. Laut Polizei kamen 30.000 Personen auf das Loibacher Feld, darunter hochrangige PolitikerInnen und kirchliche Würdenträger aus Kroatien und Bosnien und eben auch Hunderte Rechtsextreme in einschlägiger Kleidung und mit einschlägigen Tattoos.
Der Zagreber Bischof zelebrierte eine Messe, als Ehrengäste begrüßten die Veranstalter unter anderem:
- Bruna Esih, Historikerin, Gesandte der Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović
- Dragan Čović, kroatisches Mitglied des Staatspräsidiums von Bosnien und Herzegowina
- Josip Kardinal Bozanić, Erzbischof von Zagreb
- Aziz ef. Hasanović, Mufti der Republik Kroatien
- Tomislav Karamarko, Parteichef der rechtspopulistischen HDZ
- Tomislav Čuljak, stv. Parteivorsitzender der HDZ
- Bariša Čolak, PSBih, HDZ Bosnien-Herzegowina
- Borjana Krišto PSBih, HDZ Bosnien-Herzegowina
- Marinko Čavara, Vorsitzender der Föderation Bosnien-Herzegowina, HDZ Bosnien-Herzegowina
Ebenfalls anwesend war der ehemalige kroatische Fußballnationalspieler Josip Šimunić, der sich mit seinen Fans fotografieren ließ. Šimunić wurde 2013 von der FIFA zu einer hohen Geldstrafe verurteilt und für zehn Spiele gesperrt, weil er nach dem WM-Qualifikationsspiel gegen Island im Zagreber Stadion den faschistischen Ustaša-Gruß „Za dom spremni” ins Mikro gerufen hatte.
Abzeichen der faschistischen Ustaša-Bewegung
Das Treffen in Bleiburg findet seit dem Jahr 1951 statt. Heuer, 70 Jahre nach Kriegsende, gab es absoluten Teilnehmerrekord. Bis vor wenigen Jahren wurden neben dem Kärntner Verein „Bleiburger Ehrenzug“ das kroatische Parlament und die kroatische Bischofskonferenz sowie jene von Bosnien-Herzegowina als Veranstalter bzw. „Ehrenschutz“ genannt. 2012 hat sich die Mitte-Links-Mehrheit im kroatischen Parlament dazu entschlossen, die Finanzierung der Monster-Veranstaltung einzustellen und sich als Veranstalter zurückzuziehen. Anders die katholische Kirche: Deren Würdenträger und Repräsentanten pflegten schon im Zweiten Weltkrieg ein enges Naheverhältnis zum mit den Nationalsozialisten kollaborierenden kroatischen NDH-Staat und der Ustaša-Bewegung, die ihn lenkte. Deren Symbole sind im heutigen Kroatien teils verboten, teils lediglich verpönt.
Der NDH-Staat war ein enger Verbündeter Nazi-Deutschlands und betrieb mit dem Vernichtungslager Jasenovac das einzige KZ ohne dt. & österr. Unterstützung
1990 nahm auch Dinko Šakić, ehemaliger Lagerkommandant des Vernichtungslagers KZ Jasenovac, am „Gedenken“ in Bleiburg teil. Er verkündete wörtlich: „Alles, was wir im Krieg getan haben, war im Interesse Kroatiens und der Christenheit. Ich bedauere, dass wir nicht das getan haben, was sie uns vorwerfen getan zu haben.“ (Stuttgarter Zeitung, 18.5.1998)
Abzeichen der faschistischen Ustaša-Bewegung
Lokalversagen
In Bleiburg/Pliberk können NDH- und Ustaša-Symbole offen zur Schau getragen werden. Dabei handelt es nicht um Einzelfälle, sondern um viele unübersehbare Grüppchen, die einschlägig bekleidet oder tätowiert sind und Fahnen mit Ustaša-Gruß schwenken. Wer keine Fahnen mitgebracht hatte, konnte sich auch vor Ort bei einem der Verkaufsstände mit verschiedenen revisionistischen und faschistischen Symbolen ausstatten.
Auch die rechtsextreme Kleidermarke Krilnik hatte einen Stand aufgebaut. Krilnik bezeichnet den höchsten Rang eines Soldaten in der faschistischen Ustaša-Armee. Die Veranstaltung hat sich zum Sammelbecken der extremen kroatischen Rechten entwickelt. Diese setzt sich überwiegend aus Teilnehmenden aus Kroatien, Bosnien-Herzegowina und der kroatischen Diaspora in Deutschland und Übersee zusammen.
Das Denkmal am Loibacher Feld bei Bleiburg ist auf einer Website, die auf Initiative des Kärntner Bildungswerkes entstand, als eines von vielen „Juwelen unserer Kulturlandschaft“ gelistet. Die Kärnten-Ausgabe der Kleinen Zeitung, der Kärnten-Teil der Krone und das ORF-Landesstudio haben über die Gedenkveranstaltung in Bleiburg berichtet – teilweise mit langen Fotostrecken. Keines der erwähnten Medien ist allerdings genauer auf die eindeutige revisionistische bzw. rechtsextreme Ausrichtung einiger Gruppen auf der Veranstaltung eingegangen. Das gleiche gilt für die Live-Übertragung durch den kroatischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk HRT.
Schon in den vergangenen Jahren ist es immer wieder zu offenen neofaschistischen Manifestationen während des Aufmarsches gekommen. In den Jahren kurz vor dem EU-Beitritt Kroatiens 2013 wollte die kroatische Staatsspitze eine allzu positive Bezugnahme auf die Ustaša und das faschistische NDH-Regime vermeiden – mit dieser Zurückhaltung ist es ganz offensichtlich jetzt wieder vorbei.
Rechtliche Frage
Ein sehr beliebtes Symbol bei der Gedenkveranstaltung in Bleiburg/Pliberk ist das Schachbrettmuster der (faschistischen) Ustaša-Bewegung. Es unterscheidet sich nur minimal vom Schachbrettmuster auf der Kroatischen Landesflagge. Dieses Schachbrettmuster diente auch der Kroatischen Einheit der Waffen-SS als Ärmelabzeichen.
Die juristische Einschätzung, ob diese Abzeichen und Insignien unter das Verbotsgesetz fallen, ist fraglich. Jedoch könnte das Zeigen eben dieser Symbole ein Fall für das Abzeichengesetz sein, das eine Verwaltungsübertretung ist und mit bis zu bis 4.000 € bestraft werden kann. (Mehr Infos zur rechtlichen Situation von Waffen-SS Symbolen hier)
Zu Gast bei Freunden
Auch österreichische Neonazis tummelten sich in Bleiburg/Pliberk. Einer von ihnen ‚Gregor T. (ehemals „Blood & Honour” Wien) ist schon lange mit kroatischen Rechtsextremen „kameradschaftlich” verbunden. Im Juni 2007 war er maßgeblich an einer Riesenschlägerei in Kapfenberg beteiligt. Nach einem Freundschaftsspiel zwischen Rapid Wien und Dinamo Zagreb gingen Fangruppen beider Vereine auf die bei dem Match eingesetzten 55 Polizisten los, verletzten 39 Polizisten und verwüsteten eine Siedlung. Es war eine offensichtlich verabredete und gezielt geplante Schlägerei: „Binnen weniger Minuten warfen entfesselte ‚Fans‘ mit Pflastersteinen, Stangen, Fahrrädern und sogar ganzen Blumentrögen nach den Beamten.“ (APA, 17.9. 2007) Geschätzte 300 Personen, überwiegend von Dinamo Zagreb, das eine starke rechtsextreme Fanabteilung hat, beteiligten sich an der Schlägerei – nur vier mussten sich vor Gericht verantworten. Drei wurden verurteilt: zwei Kroaten zu zwölf bzw. zehn Monaten teilbedingt, Gregor T. zu zwölf Monaten unbedingt.
1 und 8 steht für die Buchstaben im Alphabet A und H und steht in der Neonazi-Szene für Adolf Hitler
Die Schlägerei, seine Aktivität bei „Blood & Honour“ oder seine kameradschaftlichen Beziehungen – irgendetwas davon dürfte ihn dafür qualifiziert haben, 2010 für die FPÖ als „Ordner“ zu arbeiten. Es gibt sogar Bildmaterial, das ihn bei einer Einschulung für FPÖ-WahlhelferInnen zeigt.
Jetzt posierte er in Bleiburg, und er war nicht der einzige Rechtsextreme, der aus Wien angereist war.
NDH-Staat
Der 2. Weltkrieg begann im multiethnischen Königreich Jugoslawien mit dem Überfall der Wehrmacht am 6. April 1941. Jugoslawien wird zwischen Deutschland, Italien, Albanien, Ungarn und Bulgarien in besetzte, annektierte und scheinsouveräne Territorien zerstückelt. Am 10. April 1941 entsteht der Vasallenstaat NDH. Die Nezavisna Država Hrvatska – der Unabhängige Staat Kroatien umfasste das heutige Kroatien, weite Teile Bosnien-Herzegowinas und kleine Teile Serbiens. Der NDH-Staat stellen die Kroaten nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Ante Pavelić wird Staatschef. Er hatte zuvor im italienischen Exil die Ustaša-Bewegung gegründet, sein Terror-Regime, die Verfolgung, Vertreibung und der Massenmord an Juden und Serben entfacht Widerstand Der Kriegsverbrecher Ante Pavelić stirbt 1959 im spanischen Exil. Die Trägerschichten des NDH-Staates waren Advokaten, ehemalige
k.u.k‑Offiziere, Studenten, Intellektuelle und Teile der kroatischen katholischen Kirche.
Ustaša (die „Aufständischen”)
Die 1929 gegründete Ustaša-Bewegung war ein nationalistischer, terroristischer Geheimbund, dessen erklärtes Ziel die Errichtung eines großkroatischen, ethnisch homogenen Nationalstaates war. Die Ustaše (Plural) entwickelten sich in eine faschistische Bewegung, die von ihnen betriebene brutale Verfolgung von Serben löste eine Spirale von Gewalt und Gegengewalt aus. Zwischen 1941 und 1945 sind rund 613.000 Menschen auf dem Territorium des NDH-Staates umgekommen. Die Ustaše betrieben mit dem KZ Jasenovac, unweit von Zagreb, das einzige Vernichtungslager im 2. Weltkrieg, das nicht von Deutschen und Österreichern geführt worden ist. In Jasenovac sind rund 80.000 – 100.000 Serben, Juden, Roma und Sinti, sowie regimefeindliche Kroaten ermordet worden bzw. an den Folgen der Internierung gestorben. Das Emblem der Ustaša war ein großes U mit Granate und Šahovnica.
Šahovnica — „Za dom! — Spremni“ – Crna Legija
Die Šahovnica, das Schachbrettmuster, bestimmt auch heute die Flagge Kroatiens. Allerdings ist die Šahovnica des NDH-Staates leicht zu erkennen. Sie beginnt mit einem weißen Quadrat. Jene des heutigen Kroatiens hingegen mit einem Roten.
Der Wahlspruch bzw. der Gruß der Ustaša-Bewegung lautete „Za dom! — Spremni“ – Für die Heimat! – Bereit“. Der faschistische Gruß ist in Kroatien durch gleich drei Gesetze verboten, allerdings wird seine Verwendung nur selten auch tatsächlich bestraft.
Za dom – Spremni! / Für die Heimat – Bereit! war der Gruß im NDH-Staat
Die Crna Legija, die Schwarze Legion, war eine Art Ustaša-Eliteeinheit im NDH-Staat. Die Crna legija ist für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlich. Sämtliche Uniformteile waren in schwarzer Farbe gehalten.
Die Crna Legija war die Elite-Einheit des faschistischen NDH-Staates
Quellen / weiterführende Literatur:
- Arbeitskreis gegen den kärntner Konsens (Hg.): Friede, Freude, deutscher Eintopf. Rechte Mythen, NS-Verharmlosung und antifaschistischer Protest. Mandelbaum Verlag. 418 Seiten
- Detlef Brandes, Holm Sundhaussen, Stefan Troebst (Hg.): Lexikon der Vertreibungen. Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts. Böhlau Verlag. 801 Seiten
- Konrad Clewing, Oliver Jens Schmitt (Hg.): Geschichte Südosteuropas. Vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich Pustet. 839 Seiten
- Monika Flacke (Hg.in): Mythen der Nationen. 1945 Arena der Erinnerungen. Verlag Philipp von Zabern. 970 Seiten.
- Holm Sundhaussen: Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943 – 2011. Eine ungewöhnliche Geschichte des Gewöhnlichen. Böhlau Verlag. 566 Seiten