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Bleiburg/Pliberk (Ktn): Kroatischer Totenkult mit Hitler-Gruß

Seit 1955 ver­sam­meln sich all­jähr­lich am Mut­ter­tag Tau­sen­de Kroa­ten bei einer klei­nen Gedenk­stät­te am Fried­hof von Unterloi­bach, das zur Gemein­de Bleiburg/ Pli­berk gehört. Unter den Trau­ern­den zahl­rei­che Ver­eh­rer des faschis­ti­schen Usta­­scha-Regimes. Das Geden­ken gilt der „Tra­gö­die von Blei­burg“. Heu­er kam es dabei zur Ver­haf­tung des Kroa­ten Davor T., der seit­her in Kla­gen­furt in U‑Haft sitzt. […]

7. Jul 2012

Der mili­tä­ri­sche Zusam­men­bruch des NS-Regimes im Jahr 1945 führ­te zu Flucht- und Absetz­be­we­gun­gen der mit den Nazis ver­bun­de­nen kroa­ti­schen Streit­kräf­te, faschis­ti­schen Usta­scha-Mili­zen und den Res­ten der Wehr­machts­ver­bän­de, die in Rich­tung Kärn­ten mar­schier­ten. Für sie war der Krieg mit der bedin­gungs­lo­sen Kapi­tu­la­ti­on der Wehr­macht am 8. Mai 1945 nicht zu Ende: die Hee­res­grup­pe E kapi­tu­lier­te etwa erst am 10.Mai, wäh­rend die Trup­pen der Jugo­sla­wi­schen Volks­be­frei­ungs­ar­mee schon am 8. Mai, weni­ge Stun­den nach den Bri­ten, in Kla­gen­furt ein­mar­schiert waren.

Die Kampf­hand­lun­gen dau­er­ten noch bis 14. Mai an. An die­sem Tag ersuch­ten die Kom­man­deu­re der Trup­pen des Usta­scha-Staa­tes, die rund um Blei­burg ein­ge­kes­selt waren, um Über­nah­me in bri­ti­sche Kriegs­ge­fan­gen­schaft, was abge­lehnt wur­de. Die bedin­gungs­lo­se Kapi­tu­la­ti­on, die dar­auf­hin erfolg­te, führ­te zur Über­ga­be an die Trup­pen der Jugo­sla­wi­schen Befrei­ungs­ar­mee mit dem Ziel eines Rück­trans­ports nach Jugo­sla­wi­en. Dabei kam es schon in Blei­burg, aber vor allem beim Rück­trans­port zu zahl­rei­chen Mas­sa­kern an den gefan­ge­nen Mili­tärs, Usta­scha-Mili­zen, aber auch Zivi­lis­tIn­nen.


Usta­scha-Fei­ern in Bleiburg/Pliberk, 2008, Bild­quel­le: u‑berg.at
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Die­ser Mas­sa­ker von Blei­burg wird seit Jahr­zehn­ten an der Gedenk­stät­te im Fried­hof von Unterloi­bach und bei einer Fest­mes­se im Blei­bur­ger Feld gedacht. Zu Titos Zei­ten war der Toten­kult ein Auf­marsch von Usta­scha-Anhän­gern, nach der Unab­hän­gig­keit von Kroa­ti­en wur­de es Teil der offi­zi­el­len kroa­ti­schen Gedenk­kul­tur, in der eine posi­ti­ve Bezug­nah­me auf die Usta­scha-Ideo­lo­gie („Groß­kroa­ti­en“, eth­ni­sche Säu­be­run­gen) durch­aus erwünscht war.

Erst in den letz­ten Jah­ren ist der Auf­marsch der kroa­ti­schen Trau­ern­den in Blei­burg in der öster­rei­chi­schen Öffent­lich­keit angekommen.

2006 berich­te­te die „Klei­ne Zei­tung“ (16.5.2006), dass bei der offi­zi­el­len Gedenk­fei­er, die vom kroa­ti­schen Fern­se­hen live über­trag wur­de, meh­re­re Per­so­nen die Sym­bo­le der Usta­scha-Faschis­ten und auch des fest­ge­nom­me­nen kroa­ti­schen Gene­rals Ante Goto­vina tru­gen. Goto­vina stand zwi­schen 2008 und 2011 vor dem Haa­ger Kriegs­ver­bre­cher-Tri­bu­nal und wur­de wegen ver­schie­de­ner Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit (Mord, Ver­trei­bung, Plün­de­rung) zu einer hohen Haft­stra­fe verurteilt.

Der „Fal­ter“, der den Auf­marsch 2008 beob­ach­tet hat­te, sah nicht nur Ein­zel­ne, son­dern neben der offi­zi­el­len Trau­er­ge­mein­de „wohl an die hun­dert Per­so­nen“ mit Usta­scha- und ande­ren schwar­zen Fah­nen: „Jugend­li­che Neo­fa­schis­ten foto­gra­fier­ten ein­an­der in aller kroa­ti­schen Öffent­lich­keit, aber auch wie­der­holt mit zum Hit­ler­gruß erho­be­ner Hand. Auf­fäl­lig waren auch wei­te­re T‑Shirt-Moti­ve, etwa Por­träts des kroa­ti­schen „Füh­rers“ und Kriegs­ver­bre­chers Ante Pave­lic, der sich im Unter­schied zu den 1945 in Blei­burg an Tito Aus­ge­lie­fer­ten dank Unter­stüt­zung katho­li­scher Wür­den­trä­ger in Sicher­heit brin­gen konn­te, Bil­der des kroa­ti­schen Gene­rals Ante Goto­vina, aber auch zahl­rei­che Dar­stel­lun­gen, die Mar­ko Per­ko­vic ali­as Thomp­son zei­gen. Der natio­na­lis­ti­sche Pop­sän­ger, dem offe­ne Sym­pa­thien für das faschis­ti­sche Kroa­ti­en vor­ge­wor­fen wer­den, hat­te kürz­lich für einen Kärnt­ner Eklat gesorgt: nach Pro­tes­ten war ein in St. Andrä im Lavant­tal für kroa­ti­sche Fuss­ball­fans geplan­tes Kon­zert abge­sagt wor­den, nun will Lan­des­haupt­mann Jörg Hai­der (BZÖ) den Sän­ger zur Ent­schä­di­gung zu einem EM-Spiel nach Kla­gen­furt ein­la­den“ (Fal­ter Nr. 21 vom 21.5.2008).


Usta­scha-Fei­ern in Bleiburg/Pliberk, 2008, Bild­quel­le: u‑berg.at
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Nach den Eklats der Vor­jah­re ver­such­te die kon­ser­va­ti­ve Regie­rung Kroa­ti­ens 2010 eine all­zu posi­ti­ve Bezug­nah­me auf das Usta­scha-Regime bei den Gedenk­fei­ern zu ver­mei­den. Die Ver­an­stal­tung wur­de mit Video­ka­me­ras über­wacht, kroa­ti­sche und öster­rei­chi­sche Ord­nungs­diens­te hat­ten eine „mobi­le Haft“ für alle jene, die öster­rei­chi­sche Geset­ze ver­let­zen, ein­ge­rich­tet: „Eini­ge Teil­neh­mer lie­ßen sich nicht davon abhal­ten, ihre Sym­pa­thie für die Usta­scha-Bewe­gung in Form mili­tä­ri­scher Abzei­chen offen­zu­le­gen“ (Klei­ne Zei­tung, 16.5.2010).

Zu den Toten­eh­run­gen 2012 reis­ten an die 8.000 Kroa­ten an. Die neue links­li­be­ra­le kroa­ti­sche Regie­rung hat­te schon zuvor beschlos­sen, künf­tig die Ver­an­stal­tung nicht mehr zu finan­zie­ren und auch kei­nen Ehren­schutz mehr zu über­neh­men. Die katho­li­sche Kir­che Kroa­ti­ens war hin­ge­gen mit einem Bischof und zahl­rei­chen Geist­li­chen prä­sent. Die „Klei­ne Zei­tung“ berich­te­te am 13.5. 2012 über die Gedenk­fei­er vom Vor­tag etwas zu optimistisch:

„Die kroa­ti­schen Ver­an­stal­ter hat­ten mit eige­nen Sicher­heits­leu­ten dafür gesorgt, dass es zu kei­nen natio­na­lis­ti­schen Aus­wüch­sen bei der Gedenk­ver­an­stal­tung kam. In der Men­ge der Teil­neh­mer waren zwar kurz gescho­re­ne Män­ner mit ein­schlä­gi­gen Paro­len auf ihren T‑Shirts zu sehen, sie ver­hiel­ten sich bei der Kund­ge­bung jedoch ruhig“ (Klei­ne Zei­tung, 13.5.2012).

Einer offen­sicht­lich nicht. Der Kroa­te Davor T. sitzt, wie die „Kro­ne“ vom 29.6.2012 mel­det, in Kla­gen­furt in U‑Haft, weil er bei der Gedenk­ver­an­stal­tung die rech­te Hand zum ein­schlä­gi­gen Gruß geho­ben und dabei „Sieg Heil“ geru­fen haben soll. Damit wür­de auch die Aus­re­de, es habe sich um den Usta­scha-Gruß gehan­delt, nicht mehr zie­hen. Die Usta­scha-Gruß­for­mel wird eben­falls mit der rech­ten Hand aus­ge­führt, dabei wird aller­dings „Za Dom –Spremni!“(Für die Hei­mat- Bereit!) geru­fen. Der Anwalt von Davor T. ist mit Haft­prü­fungs­an­trä­gen bis­her abge­blitzt und rech­net eben­falls mit einem Geschwo­re­nen­pro­zess wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung („Kro­ne“, 29.6.2012).

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